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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ein richtger Lindwurm oder so was ähnliches aus der
sogenannten Zeit der Saurier, also so weit zurück, daß
selbst der älteste Adel, (die Stechline mit eingeschlossen,)
nicht dagegen ankann, und dies Biest, als der heran¬
kommende Zug eben den Fluß passieren wollte, war mit
seinem aufgesperrten Rachen bis dicht an die Menschen
und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß sagen,
Sponholz, mir stand, als ich das sah, der Atem still,
weil ich deutlich fühlte, nu noch einen Augenblick, dann
schnappt er zu und die ganze Bescherung is weg."

"Ja, Herr von Stechlin, da hat man bloß den
Trost, daß die Saurier, so viel ich weiß, seitdem aus¬
gestorben sind. Aber meiner Frau will ich diese Ge¬
schichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich
mitunter Ohnmachten. In Doktorhäusern ist immer
was los."

Dubslav nickte.

"Und nur das eine möcht' ich Ihnen noch sagen,
Herr von Stechlin, mit der Digitalis immer ruhig so
weiter, und wenn der Appetit nicht wieder kommt, lieber
nur zweimal täglich. Und nie mehr als zehn Tropfen.
Und wenn Sie sich unpaß fühlen, mein Stellvertreter
ist von allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen.
Neue Schule, moderner Mensch; aber doch nicht zu viel
davon (so wenigstens hoff' ich) und jedenfalls sehr ge¬
scheit. An seinem Namen, -- er heißt nämlich Moscheles,
-- dürfen Sie nicht Anstoß nehmen. Er ist aus Brünn
gebürtig und da heißen die meisten so."

Der Alte drückte mit allem seine Zustimmung aus,
auch mit dem Namen, trotzdem dieser ihm quälende Er¬
innerungen weckte. Schon vor etlichen fünfzig Jahren
habe er Musikstücke spielen müssen, die alle auf den
Namen "Moscheles" liefen. Aber das wolle er den
Insichtstehenden nicht weiter entgelten lassen.

Und nach diesen beruhigenden Versicherungen em¬

ein richtger Lindwurm oder ſo was ähnliches aus der
ſogenannten Zeit der Saurier, alſo ſo weit zurück, daß
ſelbſt der älteſte Adel, (die Stechline mit eingeſchloſſen,)
nicht dagegen ankann, und dies Bieſt, als der heran¬
kommende Zug eben den Fluß paſſieren wollte, war mit
ſeinem aufgeſperrten Rachen bis dicht an die Menſchen
und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß ſagen,
Sponholz, mir ſtand, als ich das ſah, der Atem ſtill,
weil ich deutlich fühlte, nu noch einen Augenblick, dann
ſchnappt er zu und die ganze Beſcherung is weg.“

„Ja, Herr von Stechlin, da hat man bloß den
Troſt, daß die Saurier, ſo viel ich weiß, ſeitdem aus¬
geſtorben ſind. Aber meiner Frau will ich dieſe Ge¬
ſchichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich
mitunter Ohnmachten. In Doktorhäuſern iſt immer
was los.“

Dubslav nickte.

„Und nur das eine möcht' ich Ihnen noch ſagen,
Herr von Stechlin, mit der Digitalis immer ruhig ſo
weiter, und wenn der Appetit nicht wieder kommt, lieber
nur zweimal täglich. Und nie mehr als zehn Tropfen.
Und wenn Sie ſich unpaß fühlen, mein Stellvertreter
iſt von allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen.
Neue Schule, moderner Menſch; aber doch nicht zu viel
davon (ſo wenigſtens hoff' ich) und jedenfalls ſehr ge¬
ſcheit. An ſeinem Namen, — er heißt nämlich Moſcheles,
— dürfen Sie nicht Anſtoß nehmen. Er iſt aus Brünn
gebürtig und da heißen die meiſten ſo.“

Der Alte drückte mit allem ſeine Zuſtimmung aus,
auch mit dem Namen, trotzdem dieſer ihm quälende Er¬
innerungen weckte. Schon vor etlichen fünfzig Jahren
habe er Muſikſtücke ſpielen müſſen, die alle auf den
Namen „Moſcheles“ liefen. Aber das wolle er den
Inſichtſtehenden nicht weiter entgelten laſſen.

Und nach dieſen beruhigenden Verſicherungen em¬

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[425/0432] ein richtger Lindwurm oder ſo was ähnliches aus der ſogenannten Zeit der Saurier, alſo ſo weit zurück, daß ſelbſt der älteſte Adel, (die Stechline mit eingeſchloſſen,) nicht dagegen ankann, und dies Bieſt, als der heran¬ kommende Zug eben den Fluß paſſieren wollte, war mit ſeinem aufgeſperrten Rachen bis dicht an die Menſchen und die Brücke heran, und ich kann Ihnen bloß ſagen, Sponholz, mir ſtand, als ich das ſah, der Atem ſtill, weil ich deutlich fühlte, nu noch einen Augenblick, dann ſchnappt er zu und die ganze Beſcherung is weg.“ „Ja, Herr von Stechlin, da hat man bloß den Troſt, daß die Saurier, ſo viel ich weiß, ſeitdem aus¬ geſtorben ſind. Aber meiner Frau will ich dieſe Ge¬ ſchichte doch lieber nicht erzählen; die kriegt nämlich mitunter Ohnmachten. In Doktorhäuſern iſt immer was los.“ Dubslav nickte. „Und nur das eine möcht' ich Ihnen noch ſagen, Herr von Stechlin, mit der Digitalis immer ruhig ſo weiter, und wenn der Appetit nicht wieder kommt, lieber nur zweimal täglich. Und nie mehr als zehn Tropfen. Und wenn Sie ſich unpaß fühlen, mein Stellvertreter iſt von allem unterrichtet. Er wird Ihnen gefallen. Neue Schule, moderner Menſch; aber doch nicht zu viel davon (ſo wenigſtens hoff' ich) und jedenfalls ſehr ge¬ ſcheit. An ſeinem Namen, — er heißt nämlich Moſcheles, — dürfen Sie nicht Anſtoß nehmen. Er iſt aus Brünn gebürtig und da heißen die meiſten ſo.“ Der Alte drückte mit allem ſeine Zuſtimmung aus, auch mit dem Namen, trotzdem dieſer ihm quälende Er¬ innerungen weckte. Schon vor etlichen fünfzig Jahren habe er Muſikſtücke ſpielen müſſen, die alle auf den Namen „Moſcheles“ liefen. Aber das wolle er den Inſichtſtehenden nicht weiter entgelten laſſen. Und nach dieſen beruhigenden Verſicherungen em¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/432>, abgerufen am 22.11.2024.