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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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und aus Ihrer eigenen Stechliner Schule sind mir Klagen
kirchlich gerichteter Eltern über solche Dinge zugegangen.
Allerdings Altlutheraner aus der Globsower Gegend.
Indessen so lästig diese Leute zu Zeiten sind, so haben
sie doch andrerseits den Ernst des Glaubens und finden,
wie sie sich in einem Skriptum an mich ausgedrückt
haben, in der Krippenstapelschen Lehrmethode diesen
Ernst des Glaubens arg vernachlässigt."

Dubslav wiegte den Kopf hin und her, und hätte
trotz allen Respekts vor dem Vertreter einer kirchlichen Be¬
hörde wahrscheinlich ziemlich scharf und spitz geantwortet,
wenn ihm nicht alles, was er da hörte, gleichzeitig in einem
heiteren Licht erschienen wäre. Krippenstapel, sein Krippen¬
stapel, er, der den alten Fritzen so gut wie den Kate¬
chismus, aber den Katechismus auch reichlich so gut
wie den alten Fritzen kannte, -- Krippenstapel, sein
großartiger Bienenvater, sein korrespondierendes Mit¬
glied märkisch-historischer Vereine, die Seele seines ,Mu¬
seums', sein guter Freund, dieser Krippenstapel sollte
den ,Ernst des Glaubens' verkannt haben, bei ihm sollte
der Seminaristenhochmut zu gemeingefährlichem Aus¬
bruch gekommen sein. Wohl entsann er sich, in eigenster
Person (was ihn in diesem Augenblick ein wenig ver¬
stimmte) gelegentlich sehr ähnliches gesagt zu haben. Aber
doch immer nur scherzhaft. Und wenn zwei dasselbe thun,
so ist es nicht mehr dasselbe. Traf dieser Satz je zu,
so hier. Er erhob sich also mit einiger Anstrengung
von seinem Platz, ging auf Koseleger zu, schüttelte ihm
die Hand und sagte: "Herr Superintendent, so wie
Sie's da sagen, so kann es nicht sein. Von richtigen
Altlutheranern giebt es hier überhaupt nichts, und am
wenigsten in Globsow; die glauben sozusagen gar nichts.
Ich wittere da was von Intrigue. Da stecken andere
dahinter. Bei meinem alten Baruch ist der Pferdefuß
'rausgekommen, aber bei meinem alten Krippenstapel

und aus Ihrer eigenen Stechliner Schule ſind mir Klagen
kirchlich gerichteter Eltern über ſolche Dinge zugegangen.
Allerdings Altlutheraner aus der Globſower Gegend.
Indeſſen ſo läſtig dieſe Leute zu Zeiten ſind, ſo haben
ſie doch andrerſeits den Ernſt des Glaubens und finden,
wie ſie ſich in einem Skriptum an mich ausgedrückt
haben, in der Krippenſtapelſchen Lehrmethode dieſen
Ernſt des Glaubens arg vernachläſſigt.“

Dubslav wiegte den Kopf hin und her, und hätte
trotz allen Reſpekts vor dem Vertreter einer kirchlichen Be¬
hörde wahrſcheinlich ziemlich ſcharf und ſpitz geantwortet,
wenn ihm nicht alles, was er da hörte, gleichzeitig in einem
heiteren Licht erſchienen wäre. Krippenſtapel, ſein Krippen¬
ſtapel, er, der den alten Fritzen ſo gut wie den Kate¬
chismus, aber den Katechismus auch reichlich ſo gut
wie den alten Fritzen kannte, — Krippenſtapel, ſein
großartiger Bienenvater, ſein korreſpondierendes Mit¬
glied märkiſch-hiſtoriſcher Vereine, die Seele ſeines ‚Mu¬
ſeums‘, ſein guter Freund, dieſer Krippenſtapel ſollte
den ‚Ernſt des Glaubens‘ verkannt haben, bei ihm ſollte
der Seminariſtenhochmut zu gemeingefährlichem Aus¬
bruch gekommen ſein. Wohl entſann er ſich, in eigenſter
Perſon (was ihn in dieſem Augenblick ein wenig ver¬
ſtimmte) gelegentlich ſehr ähnliches geſagt zu haben. Aber
doch immer nur ſcherzhaft. Und wenn zwei dasſelbe thun,
ſo iſt es nicht mehr dasſelbe. Traf dieſer Satz je zu,
ſo hier. Er erhob ſich alſo mit einiger Anſtrengung
von ſeinem Platz, ging auf Koſeleger zu, ſchüttelte ihm
die Hand und ſagte: „Herr Superintendent, ſo wie
Sie's da ſagen, ſo kann es nicht ſein. Von richtigen
Altlutheranern giebt es hier überhaupt nichts, und am
wenigſten in Globſow; die glauben ſozuſagen gar nichts.
Ich wittere da was von Intrigue. Da ſtecken andere
dahinter. Bei meinem alten Baruch iſt der Pferdefuß
'rausgekommen, aber bei meinem alten Krippenſtapel

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[430/0437] und aus Ihrer eigenen Stechliner Schule ſind mir Klagen kirchlich gerichteter Eltern über ſolche Dinge zugegangen. Allerdings Altlutheraner aus der Globſower Gegend. Indeſſen ſo läſtig dieſe Leute zu Zeiten ſind, ſo haben ſie doch andrerſeits den Ernſt des Glaubens und finden, wie ſie ſich in einem Skriptum an mich ausgedrückt haben, in der Krippenſtapelſchen Lehrmethode dieſen Ernſt des Glaubens arg vernachläſſigt.“ Dubslav wiegte den Kopf hin und her, und hätte trotz allen Reſpekts vor dem Vertreter einer kirchlichen Be¬ hörde wahrſcheinlich ziemlich ſcharf und ſpitz geantwortet, wenn ihm nicht alles, was er da hörte, gleichzeitig in einem heiteren Licht erſchienen wäre. Krippenſtapel, ſein Krippen¬ ſtapel, er, der den alten Fritzen ſo gut wie den Kate¬ chismus, aber den Katechismus auch reichlich ſo gut wie den alten Fritzen kannte, — Krippenſtapel, ſein großartiger Bienenvater, ſein korreſpondierendes Mit¬ glied märkiſch-hiſtoriſcher Vereine, die Seele ſeines ‚Mu¬ ſeums‘, ſein guter Freund, dieſer Krippenſtapel ſollte den ‚Ernſt des Glaubens‘ verkannt haben, bei ihm ſollte der Seminariſtenhochmut zu gemeingefährlichem Aus¬ bruch gekommen ſein. Wohl entſann er ſich, in eigenſter Perſon (was ihn in dieſem Augenblick ein wenig ver¬ ſtimmte) gelegentlich ſehr ähnliches geſagt zu haben. Aber doch immer nur ſcherzhaft. Und wenn zwei dasſelbe thun, ſo iſt es nicht mehr dasſelbe. Traf dieſer Satz je zu, ſo hier. Er erhob ſich alſo mit einiger Anſtrengung von ſeinem Platz, ging auf Koſeleger zu, ſchüttelte ihm die Hand und ſagte: „Herr Superintendent, ſo wie Sie's da ſagen, ſo kann es nicht ſein. Von richtigen Altlutheranern giebt es hier überhaupt nichts, und am wenigſten in Globſow; die glauben ſozuſagen gar nichts. Ich wittere da was von Intrigue. Da ſtecken andere dahinter. Bei meinem alten Baruch iſt der Pferdefuß 'rausgekommen, aber bei meinem alten Krippenſtapel

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/437>, abgerufen am 22.11.2024.