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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Kann ich geben. Da sind zunächst die fanatischen
Erfinder, die nicht ablassen von ihrem Ziel, unbekümmert
darum, ob ein Blitz sie niederschlägt oder eine Explosion
sie in die Luft schleudert; da sind des weiteren die großen
Kletterer und Steiger, sei's in die Höh', sei's in die
Tiefe, da sind zum dritten, die, die den Meeresgrund
absuchen wie 'ne Wiese, und da sind endlich die Welt¬
teildurchquerer und die Nordpolfahrer."

"Ach, der ewige Nansen. Nansen, der, weil er die
diesseits verlorene Hose jenseits in Grönland wiederfand,
auf den Gedanken kam: ,Was die Hose kann, kann ich auch.'
Und daraufhin fuhr er über den Pol. Oder wollte wenigstens."

Lorenzen nickte.

"Nun ja, das war klug gedacht. Und daß dieser
Nansen sich an die Sache 'ran machte, das respektier' ich,
auch wenn schließlich nichts draus wurde. Bleibt immer
noch ein Bravourstück. Gewiß, da sitzt nu so wer im
Eise, sieht nichts, hört nichts, und wenn wer kommt,
ist es höchstens ein Eisbär. Indessen, er freut sich doch,
weil es wenigstens was Lebendiges ist. Ich darf sagen,
ich hab' einen Sinn für dergleichen. Aber trotzdem,
Lorenzen, die Garde bei St. Privat ist doch mehr."

"Ich weiß nicht, Herr von Stechlin. Echtes Helden¬
tum, oder um's noch einmal einzuschränken, ein solches,
das mich persönlich hinreißen soll, steht immer im Dienst
einer Eigenidee, eines allereigensten Entschlusses. Auch
dann noch (ja mitunter dann erst recht), wenn dieser
Entschluß schon das Verbrechen streift. Oder, was fast
noch schlimmer, das Häßliche. Kennen Sie den Cooperschen
,Spy'? Da haben Sie den Spion als Helden. Mit
andern Worten, ein Niedrigstes als Höchstes. Die Ge¬
sinnung entscheidet. Das steht mir fest. Aber es giebt
der Beispiele noch andere, noch bessere!"

"Da bin ich neugierig," sagte Dubslav. "Also
wenn's sein kann: Name."

„Kann ich geben. Da ſind zunächſt die fanatiſchen
Erfinder, die nicht ablaſſen von ihrem Ziel, unbekümmert
darum, ob ein Blitz ſie niederſchlägt oder eine Exploſion
ſie in die Luft ſchleudert; da ſind des weiteren die großen
Kletterer und Steiger, ſei's in die Höh', ſei's in die
Tiefe, da ſind zum dritten, die, die den Meeresgrund
abſuchen wie 'ne Wieſe, und da ſind endlich die Welt¬
teildurchquerer und die Nordpolfahrer.“

„Ach, der ewige Nanſen. Nanſen, der, weil er die
diesſeits verlorene Hoſe jenſeits in Grönland wiederfand,
auf den Gedanken kam: ‚Was die Hoſe kann, kann ich auch.‘
Und daraufhin fuhr er über den Pol. Oder wollte wenigſtens.“

Lorenzen nickte.

„Nun ja, das war klug gedacht. Und daß dieſer
Nanſen ſich an die Sache 'ran machte, das reſpektier' ich,
auch wenn ſchließlich nichts draus wurde. Bleibt immer
noch ein Bravourſtück. Gewiß, da ſitzt nu ſo wer im
Eiſe, ſieht nichts, hört nichts, und wenn wer kommt,
iſt es höchſtens ein Eisbär. Indeſſen, er freut ſich doch,
weil es wenigſtens was Lebendiges iſt. Ich darf ſagen,
ich hab' einen Sinn für dergleichen. Aber trotzdem,
Lorenzen, die Garde bei St. Privat iſt doch mehr.“

„Ich weiß nicht, Herr von Stechlin. Echtes Helden¬
tum, oder um's noch einmal einzuſchränken, ein ſolches,
das mich perſönlich hinreißen ſoll, ſteht immer im Dienſt
einer Eigenidee, eines allereigenſten Entſchluſſes. Auch
dann noch (ja mitunter dann erſt recht), wenn dieſer
Entſchluß ſchon das Verbrechen ſtreift. Oder, was faſt
noch ſchlimmer, das Häßliche. Kennen Sie den Cooperſchen
‚Spy‘? Da haben Sie den Spion als Helden. Mit
andern Worten, ein Niedrigſtes als Höchſtes. Die Ge¬
ſinnung entſcheidet. Das ſteht mir feſt. Aber es giebt
der Beiſpiele noch andere, noch beſſere!“

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[452/0459] „Kann ich geben. Da ſind zunächſt die fanatiſchen Erfinder, die nicht ablaſſen von ihrem Ziel, unbekümmert darum, ob ein Blitz ſie niederſchlägt oder eine Exploſion ſie in die Luft ſchleudert; da ſind des weiteren die großen Kletterer und Steiger, ſei's in die Höh', ſei's in die Tiefe, da ſind zum dritten, die, die den Meeresgrund abſuchen wie 'ne Wieſe, und da ſind endlich die Welt¬ teildurchquerer und die Nordpolfahrer.“ „Ach, der ewige Nanſen. Nanſen, der, weil er die diesſeits verlorene Hoſe jenſeits in Grönland wiederfand, auf den Gedanken kam: ‚Was die Hoſe kann, kann ich auch.‘ Und daraufhin fuhr er über den Pol. Oder wollte wenigſtens.“ Lorenzen nickte. „Nun ja, das war klug gedacht. Und daß dieſer Nanſen ſich an die Sache 'ran machte, das reſpektier' ich, auch wenn ſchließlich nichts draus wurde. Bleibt immer noch ein Bravourſtück. Gewiß, da ſitzt nu ſo wer im Eiſe, ſieht nichts, hört nichts, und wenn wer kommt, iſt es höchſtens ein Eisbär. Indeſſen, er freut ſich doch, weil es wenigſtens was Lebendiges iſt. Ich darf ſagen, ich hab' einen Sinn für dergleichen. Aber trotzdem, Lorenzen, die Garde bei St. Privat iſt doch mehr.“ „Ich weiß nicht, Herr von Stechlin. Echtes Helden¬ tum, oder um's noch einmal einzuſchränken, ein ſolches, das mich perſönlich hinreißen ſoll, ſteht immer im Dienſt einer Eigenidee, eines allereigenſten Entſchluſſes. Auch dann noch (ja mitunter dann erſt recht), wenn dieſer Entſchluß ſchon das Verbrechen ſtreift. Oder, was faſt noch ſchlimmer, das Häßliche. Kennen Sie den Cooperſchen ‚Spy‘? Da haben Sie den Spion als Helden. Mit andern Worten, ein Niedrigſtes als Höchſtes. Die Ge¬ ſinnung entſcheidet. Das ſteht mir feſt. Aber es giebt der Beiſpiele noch andere, noch beſſere!“ „Da bin ich neugierig,“ ſagte Dubslav. „Alſo wenn's ſein kann: Name.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/459>, abgerufen am 22.11.2024.