Bellchen denken, -- weißt du noch, als die gnäd'ge Frau noch lebte. Bellchen hatte auch solche Haare. Und war auch der Liebling. Solche sind immer Liebling. Krippenstapel, hör' ich, soll sie auch in der Schule ver¬ wöhnen. Wenn die andern ihn noch anglotzen, dann schießt sie schon los. Es ist ein kluges Ding."
"Engelke bestätigte, was Dubslav sagte, und ging dann nach unten, um dem gnäd'gen Herrn sein zweites Frühstück zu holen: ein weiches Ei und eine Tasse Fleischbrühe. Als er aber aus dem Gartenzimmer auf den großen Hausflur hinaustrat, sah er, daß ein Wagen vorgefahren war, und statt in die Küche zu gehen, ging er doch lieber gleich zu seinem Herrn zurück, um mit verlegenem Gesicht zu melden, daß das gnäd'ge Fräu¬ lein da sei.
"Wie? Meine Schwester?"
"Ja, das gnäd'ge Frölen."
"I, da soll doch gleich 'ne alte Wand wackeln," sagte Dubslav, der einen ehrlichen Schreck gekriegt hatte, weil er sicher war, daß es jetzt mit Ruh' und Frieden auf Tage, vielleicht auf Wochen, vorbei sei. Denn Adel¬ heid mit ihren sechsundsiebzig setzte sich nicht gern auf eine Kleinigkeit hin in Bewegung, und wenn sie die beinahe vier Meilen von Kloster Wutz her herüberkam, so war das kein Nachmittagsbesuch, sondern Einquar¬ tierung. Er fühlte, daß sich sein ganzer Zustand mit einem Male wieder verschlechterte, und daß eine halbe Atemnot im Nu wieder da war.
Er hatte aber nicht lange Zeit, sich damit zu be¬ schäftigen, denn Engelke öffnete bereits die Thür, und Adelheid kam auf ihn zu. "Tag, Dubslav. Ich muß doch mal sehn. Unser Rentmeister Fix ist vorgestern hier in Stechlin gewesen und hat dabei von deinem letzten Unwohlsein gehört. Und daher weiß ich es. Eh'
Bellchen denken, — weißt du noch, als die gnäd'ge Frau noch lebte. Bellchen hatte auch ſolche Haare. Und war auch der Liebling. Solche ſind immer Liebling. Krippenſtapel, hör' ich, ſoll ſie auch in der Schule ver¬ wöhnen. Wenn die andern ihn noch anglotzen, dann ſchießt ſie ſchon los. Es iſt ein kluges Ding.“
„Engelke beſtätigte, was Dubslav ſagte, und ging dann nach unten, um dem gnäd'gen Herrn ſein zweites Frühſtück zu holen: ein weiches Ei und eine Taſſe Fleiſchbrühe. Als er aber aus dem Gartenzimmer auf den großen Hausflur hinaustrat, ſah er, daß ein Wagen vorgefahren war, und ſtatt in die Küche zu gehen, ging er doch lieber gleich zu ſeinem Herrn zurück, um mit verlegenem Geſicht zu melden, daß das gnäd'ge Fräu¬ lein da ſei.
„Wie? Meine Schweſter?“
„Ja, das gnäd'ge Frölen.“
„I, da ſoll doch gleich 'ne alte Wand wackeln,“ ſagte Dubslav, der einen ehrlichen Schreck gekriegt hatte, weil er ſicher war, daß es jetzt mit Ruh' und Frieden auf Tage, vielleicht auf Wochen, vorbei ſei. Denn Adel¬ heid mit ihren ſechsundſiebzig ſetzte ſich nicht gern auf eine Kleinigkeit hin in Bewegung, und wenn ſie die beinahe vier Meilen von Kloſter Wutz her herüberkam, ſo war das kein Nachmittagsbeſuch, ſondern Einquar¬ tierung. Er fühlte, daß ſich ſein ganzer Zuſtand mit einem Male wieder verſchlechterte, und daß eine halbe Atemnot im Nu wieder da war.
Er hatte aber nicht lange Zeit, ſich damit zu be¬ ſchäftigen, denn Engelke öffnete bereits die Thür, und Adelheid kam auf ihn zu. „Tag, Dubslav. Ich muß doch mal ſehn. Unſer Rentmeiſter Fix iſt vorgeſtern hier in Stechlin geweſen und hat dabei von deinem letzten Unwohlſein gehört. Und daher weiß ich es. Eh'
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0464"n="457"/>
Bellchen denken, — weißt du noch, als die gnäd'ge<lb/>
Frau noch lebte. Bellchen hatte auch ſolche Haare. Und<lb/>
war auch der Liebling. Solche ſind immer Liebling.<lb/>
Krippenſtapel, hör' ich, ſoll ſie auch in der Schule ver¬<lb/>
wöhnen. Wenn die andern ihn noch anglotzen, dann<lb/>ſchießt ſie ſchon los. Es iſt ein kluges Ding.“</p><lb/><p>„Engelke beſtätigte, was Dubslav ſagte, und ging<lb/>
dann nach unten, um dem gnäd'gen Herrn ſein zweites<lb/>
Frühſtück zu holen: ein weiches Ei und eine Taſſe<lb/>
Fleiſchbrühe. Als er aber aus dem Gartenzimmer auf<lb/>
den großen Hausflur hinaustrat, ſah er, daß ein Wagen<lb/>
vorgefahren war, und ſtatt in die Küche zu gehen, ging<lb/>
er doch lieber gleich zu ſeinem Herrn zurück, um mit<lb/>
verlegenem Geſicht zu melden, daß das gnäd'ge Fräu¬<lb/>
lein da ſei.</p><lb/><p>„Wie? Meine Schweſter?“</p><lb/><p>„Ja, das gnäd'ge Frölen.“</p><lb/><p>„I, da ſoll doch gleich 'ne alte Wand wackeln,“<lb/>ſagte Dubslav, der einen ehrlichen Schreck gekriegt hatte,<lb/>
weil er ſicher war, daß es jetzt mit Ruh' und Frieden<lb/>
auf Tage, vielleicht auf Wochen, vorbei ſei. Denn Adel¬<lb/>
heid mit ihren ſechsundſiebzig ſetzte ſich nicht gern auf<lb/>
eine Kleinigkeit hin in Bewegung, und wenn ſie die<lb/>
beinahe vier Meilen von Kloſter Wutz her herüberkam,<lb/>ſo war das kein Nachmittagsbeſuch, ſondern Einquar¬<lb/>
tierung. Er fühlte, daß ſich ſein ganzer Zuſtand mit<lb/>
einem Male wieder verſchlechterte, und daß eine halbe<lb/>
Atemnot im Nu wieder da war.</p><lb/><p>Er hatte aber nicht lange Zeit, ſich damit zu be¬<lb/>ſchäftigen, denn Engelke öffnete bereits die Thür, und<lb/>
Adelheid kam auf ihn zu. „Tag, Dubslav. Ich muß<lb/>
doch mal ſehn. Unſer Rentmeiſter Fix iſt vorgeſtern<lb/>
hier in Stechlin geweſen und hat dabei von deinem<lb/>
letzten Unwohlſein gehört. Und daher weiß ich es. Eh'<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[457/0464]
Bellchen denken, — weißt du noch, als die gnäd'ge
Frau noch lebte. Bellchen hatte auch ſolche Haare. Und
war auch der Liebling. Solche ſind immer Liebling.
Krippenſtapel, hör' ich, ſoll ſie auch in der Schule ver¬
wöhnen. Wenn die andern ihn noch anglotzen, dann
ſchießt ſie ſchon los. Es iſt ein kluges Ding.“
„Engelke beſtätigte, was Dubslav ſagte, und ging
dann nach unten, um dem gnäd'gen Herrn ſein zweites
Frühſtück zu holen: ein weiches Ei und eine Taſſe
Fleiſchbrühe. Als er aber aus dem Gartenzimmer auf
den großen Hausflur hinaustrat, ſah er, daß ein Wagen
vorgefahren war, und ſtatt in die Küche zu gehen, ging
er doch lieber gleich zu ſeinem Herrn zurück, um mit
verlegenem Geſicht zu melden, daß das gnäd'ge Fräu¬
lein da ſei.
„Wie? Meine Schweſter?“
„Ja, das gnäd'ge Frölen.“
„I, da ſoll doch gleich 'ne alte Wand wackeln,“
ſagte Dubslav, der einen ehrlichen Schreck gekriegt hatte,
weil er ſicher war, daß es jetzt mit Ruh' und Frieden
auf Tage, vielleicht auf Wochen, vorbei ſei. Denn Adel¬
heid mit ihren ſechsundſiebzig ſetzte ſich nicht gern auf
eine Kleinigkeit hin in Bewegung, und wenn ſie die
beinahe vier Meilen von Kloſter Wutz her herüberkam,
ſo war das kein Nachmittagsbeſuch, ſondern Einquar¬
tierung. Er fühlte, daß ſich ſein ganzer Zuſtand mit
einem Male wieder verſchlechterte, und daß eine halbe
Atemnot im Nu wieder da war.
Er hatte aber nicht lange Zeit, ſich damit zu be¬
ſchäftigen, denn Engelke öffnete bereits die Thür, und
Adelheid kam auf ihn zu. „Tag, Dubslav. Ich muß
doch mal ſehn. Unſer Rentmeiſter Fix iſt vorgeſtern
hier in Stechlin geweſen und hat dabei von deinem
letzten Unwohlſein gehört. Und daher weiß ich es. Eh'
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/464>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.