Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie bloß etwas von sich auf mich abwälzen. Sie sind
betrübt und wenn ich mir alles überlege, so steht es
so, daß Sie bei dem Chateau Lafitte nicht auf Ihre
Rechnung gekommen sind. Er wirkte -- denn des
Alten ,Bocksbeutel' hab' ich von unserem Oktoberbesuch
her noch in dankbarer Erinnerung -- wie wenn ihn
Tante Adelheid aus ihrem Kloster mitgebracht hätte."

"Rex, Sie sind ja wie vertauscht und reden beinah'
in meinem Stil. Es ist doch merkwürdig, sowie die
Menschen dies Nest, dies Berlin, erst hinter sich haben,
fängt Vernunft wieder an zu sprechen."

"Sehr verbunden. Aber eskamotieren Sie nicht
die Hauptsache. Meine Frage bleibt, ,warum so be¬
legt, Czako?' Denn daß Sie das sind, ist außer
Zweifel. Wenn's also nicht von dem Lafitte stammt,
so kann es nur Melusine sein."

Czako seufzte.

"Da haben wir's. Thatsache festgestellt, obwohl
ich Ihren Seufzer nicht recht verstehe. Sie haben
nämlich nicht den geringsten Grund dazu. Gesamt¬
situation umgekehrt überaus günstig."

"Sie vergessen, Rex, die Gräfin ist sehr reich."

"Das erschwert nicht, das erleichtert bloß."

"Und außerdem ist sie grundgescheit."

"Das sind Sie beinah' auch, wenigstens mit¬
unter."

"Und dann ist die Gräfin eine Gräfin, ja, sogar
eine Doppelgräfin, erst durch Geburt und dann durch
Heirat noch mal. Und dazu diese verteufelt vornehmen
Namen: Barby, Ghiberti. Was soll da Czako? Teuerster
Rex, man muß den Mut haben, den Thatsachen ins
Auge zu sehn. Ich mache mir kein Hehl draus, Czako
hat was merkwürdig Kommißmäßiges, etwa wie Land¬
wehrmann Schultze. Kennen Sie das reizende Ballett

Sie bloß etwas von ſich auf mich abwälzen. Sie ſind
betrübt und wenn ich mir alles überlege, ſo ſteht es
ſo, daß Sie bei dem Chateau Lafitte nicht auf Ihre
Rechnung gekommen ſind. Er wirkte — denn des
Alten ‚Bocksbeutel‘ hab' ich von unſerem Oktoberbeſuch
her noch in dankbarer Erinnerung — wie wenn ihn
Tante Adelheid aus ihrem Kloſter mitgebracht hätte.“

„Rex, Sie ſind ja wie vertauſcht und reden beinah'
in meinem Stil. Es iſt doch merkwürdig, ſowie die
Menſchen dies Neſt, dies Berlin, erſt hinter ſich haben,
fängt Vernunft wieder an zu ſprechen.“

„Sehr verbunden. Aber eskamotieren Sie nicht
die Hauptſache. Meine Frage bleibt, ‚warum ſo be¬
legt, Czako?‘ Denn daß Sie das ſind, iſt außer
Zweifel. Wenn's alſo nicht von dem Lafitte ſtammt,
ſo kann es nur Meluſine ſein.“

Czako ſeufzte.

„Da haben wir's. Thatſache feſtgeſtellt, obwohl
ich Ihren Seufzer nicht recht verſtehe. Sie haben
nämlich nicht den geringſten Grund dazu. Geſamt¬
ſituation umgekehrt überaus günſtig.“

„Sie vergeſſen, Rex, die Gräfin iſt ſehr reich.“

„Das erſchwert nicht, das erleichtert bloß.“

„Und außerdem iſt ſie grundgeſcheit.“

„Das ſind Sie beinah' auch, wenigſtens mit¬
unter.“

„Und dann iſt die Gräfin eine Gräfin, ja, ſogar
eine Doppelgräfin, erſt durch Geburt und dann durch
Heirat noch mal. Und dazu dieſe verteufelt vornehmen
Namen: Barby, Ghiberti. Was ſoll da Czako? Teuerſter
Rex, man muß den Mut haben, den Thatſachen ins
Auge zu ſehn. Ich mache mir kein Hehl draus, Czako
hat was merkwürdig Kommißmäßiges, etwa wie Land¬
wehrmann Schultze. Kennen Sie das reizende Ballett

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0515" n="508"/>
Sie bloß etwas von &#x017F;ich auf mich abwälzen. Sie &#x017F;ind<lb/>
betrübt und wenn ich mir alles überlege, &#x017F;o &#x017F;teht es<lb/>
&#x017F;o, daß Sie bei dem Chateau Lafitte nicht auf Ihre<lb/>
Rechnung gekommen &#x017F;ind. Er wirkte &#x2014; denn des<lb/>
Alten &#x201A;Bocksbeutel&#x2018; hab' ich von un&#x017F;erem Oktoberbe&#x017F;uch<lb/>
her noch in dankbarer Erinnerung &#x2014; wie wenn ihn<lb/>
Tante Adelheid aus ihrem Klo&#x017F;ter mitgebracht hätte.&#x201C;<lb/></p>
          <p>&#x201E;Rex, Sie &#x017F;ind ja wie vertau&#x017F;cht und reden beinah'<lb/>
in meinem Stil. Es i&#x017F;t doch merkwürdig, &#x017F;owie die<lb/>
Men&#x017F;chen dies Ne&#x017F;t, dies Berlin, er&#x017F;t hinter &#x017F;ich haben,<lb/>
fängt Vernunft wieder an zu &#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sehr verbunden. Aber eskamotieren Sie nicht<lb/>
die Haupt&#x017F;ache. Meine Frage bleibt, &#x201A;warum &#x017F;o be¬<lb/>
legt, Czako?&#x2018; Denn daß Sie das &#x017F;ind, i&#x017F;t außer<lb/>
Zweifel. Wenn's al&#x017F;o nicht von dem Lafitte &#x017F;tammt,<lb/>
&#x017F;o kann es nur Melu&#x017F;ine &#x017F;ein.&#x201C;<lb/></p>
          <p>Czako &#x017F;eufzte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da haben wir's. That&#x017F;ache fe&#x017F;tge&#x017F;tellt, obwohl<lb/>
ich Ihren Seufzer nicht recht ver&#x017F;tehe. Sie haben<lb/>
nämlich nicht den gering&#x017F;ten Grund dazu. Ge&#x017F;amt¬<lb/>
&#x017F;ituation umgekehrt überaus gün&#x017F;tig.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie verge&#x017F;&#x017F;en, Rex, die Gräfin i&#x017F;t &#x017F;ehr reich.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das er&#x017F;chwert nicht, das erleichtert bloß.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und außerdem i&#x017F;t &#x017F;ie grundge&#x017F;cheit.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das &#x017F;ind Sie beinah' auch, wenig&#x017F;tens mit¬<lb/>
unter.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und dann i&#x017F;t die Gräfin eine Gräfin, ja, &#x017F;ogar<lb/>
eine Doppelgräfin, er&#x017F;t durch Geburt und dann durch<lb/>
Heirat noch mal. Und dazu die&#x017F;e verteufelt vornehmen<lb/>
Namen: Barby, Ghiberti. Was &#x017F;oll da Czako? Teuer&#x017F;ter<lb/>
Rex, man muß den Mut haben, den That&#x017F;achen ins<lb/>
Auge zu &#x017F;ehn. Ich mache mir kein Hehl draus, Czako<lb/>
hat was merkwürdig Kommißmäßiges, etwa wie Land¬<lb/>
wehrmann Schultze. Kennen Sie das reizende Ballett<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0515] Sie bloß etwas von ſich auf mich abwälzen. Sie ſind betrübt und wenn ich mir alles überlege, ſo ſteht es ſo, daß Sie bei dem Chateau Lafitte nicht auf Ihre Rechnung gekommen ſind. Er wirkte — denn des Alten ‚Bocksbeutel‘ hab' ich von unſerem Oktoberbeſuch her noch in dankbarer Erinnerung — wie wenn ihn Tante Adelheid aus ihrem Kloſter mitgebracht hätte.“ „Rex, Sie ſind ja wie vertauſcht und reden beinah' in meinem Stil. Es iſt doch merkwürdig, ſowie die Menſchen dies Neſt, dies Berlin, erſt hinter ſich haben, fängt Vernunft wieder an zu ſprechen.“ „Sehr verbunden. Aber eskamotieren Sie nicht die Hauptſache. Meine Frage bleibt, ‚warum ſo be¬ legt, Czako?‘ Denn daß Sie das ſind, iſt außer Zweifel. Wenn's alſo nicht von dem Lafitte ſtammt, ſo kann es nur Meluſine ſein.“ Czako ſeufzte. „Da haben wir's. Thatſache feſtgeſtellt, obwohl ich Ihren Seufzer nicht recht verſtehe. Sie haben nämlich nicht den geringſten Grund dazu. Geſamt¬ ſituation umgekehrt überaus günſtig.“ „Sie vergeſſen, Rex, die Gräfin iſt ſehr reich.“ „Das erſchwert nicht, das erleichtert bloß.“ „Und außerdem iſt ſie grundgeſcheit.“ „Das ſind Sie beinah' auch, wenigſtens mit¬ unter.“ „Und dann iſt die Gräfin eine Gräfin, ja, ſogar eine Doppelgräfin, erſt durch Geburt und dann durch Heirat noch mal. Und dazu dieſe verteufelt vornehmen Namen: Barby, Ghiberti. Was ſoll da Czako? Teuerſter Rex, man muß den Mut haben, den Thatſachen ins Auge zu ſehn. Ich mache mir kein Hehl draus, Czako hat was merkwürdig Kommißmäßiges, etwa wie Land¬ wehrmann Schultze. Kennen Sie das reizende Ballett

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/515
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/515>, abgerufen am 21.11.2024.