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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Gnädig machen? Ja, Woldemar, ich will es ver¬
suchen. Nur fürcht' ich, es wird nicht viel dabei heraus¬
kommen. Da heißt es immer, man solle Familiengefühl
haben, aber es wird einem doch auch zu blutsauer gemacht,
und ich kann umgekehrt der Versuchung nicht widerstehen,
eine richtige Familienkritik zu üben. Adelheid fordert sie
geradezu heraus. Andrerseits freilich, in dich ist sie wie
vernarrt, für dich hat sie Geld und Liebe. Was davon
wichtiger ist, stehe dahin; aber so viel ist gewiß, ohne sie
wär' es überhaupt gar nicht gegangen, ich meine dein
Leben in deinem Regiment. Also wir haben ihr zu
danken, und weil sie das gerade so gut weiß, wie wir,
oder vielleicht noch ein bißchen besser, gerade deshalb
wird sie ungeduldig; sie will Thaten sehen, was vom
Weiberstandpunkt aus allemal so viel heißt wie Verheiratung.
Und wenn man will, kann man es auch so nennen, ich
meine Thaten. Es ist und bleibt ein Heroismus. Wer
Tante Adelheid geheiratet hätte, hätte sich die Tapferkeits¬
medaille verdient, und wenn ich schändlich sein wollte, so
sagte ich das Eiserne Kreuz."

"Ja, Papa ..."

"Schon wieder ,ja, Papa'. Nun, meinetwegen, ich
will dich schließlich in deiner Lieblingswendung nicht stören.
Aber bekenne mir nebenher -- denn das ist doch schlie߬
lich das, um was sich's handelt -- liegst du mit was im
Anschlag, hast du was auf dem Korn?"

"Papa, diese Wendungen erschrecken mich beinah'.
Aber wenn denn schon so jägermäßig gesprochen werden
soll, ja; meine Wünsche haben ein bestimmtes Ziel, und
ich darf sagen, mich beschäftigen diese Dinge."

"Mich beschäftigen diese Dinge ... Nimm mir's
nicht übel, Woldemar, das ist ja gar nichts. Beschäftigen!
Ich bin nicht fürs Poetische, das ist für Gouvernanten
und arme Lehrer, die nach Görbersdorf müssen (bloß,
daß sie meistens kein Geld dazu haben), aber diese Wen¬

„Gnädig machen? Ja, Woldemar, ich will es ver¬
ſuchen. Nur fürcht' ich, es wird nicht viel dabei heraus¬
kommen. Da heißt es immer, man ſolle Familiengefühl
haben, aber es wird einem doch auch zu blutſauer gemacht,
und ich kann umgekehrt der Verſuchung nicht widerſtehen,
eine richtige Familienkritik zu üben. Adelheid fordert ſie
geradezu heraus. Andrerſeits freilich, in dich iſt ſie wie
vernarrt, für dich hat ſie Geld und Liebe. Was davon
wichtiger iſt, ſtehe dahin; aber ſo viel iſt gewiß, ohne ſie
wär' es überhaupt gar nicht gegangen, ich meine dein
Leben in deinem Regiment. Alſo wir haben ihr zu
danken, und weil ſie das gerade ſo gut weiß, wie wir,
oder vielleicht noch ein bißchen beſſer, gerade deshalb
wird ſie ungeduldig; ſie will Thaten ſehen, was vom
Weiberſtandpunkt aus allemal ſo viel heißt wie Verheiratung.
Und wenn man will, kann man es auch ſo nennen, ich
meine Thaten. Es iſt und bleibt ein Heroismus. Wer
Tante Adelheid geheiratet hätte, hätte ſich die Tapferkeits¬
medaille verdient, und wenn ich ſchändlich ſein wollte, ſo
ſagte ich das Eiſerne Kreuz.“

„Ja, Papa ...“

„Schon wieder ‚ja, Papa‘. Nun, meinetwegen, ich
will dich ſchließlich in deiner Lieblingswendung nicht ſtören.
Aber bekenne mir nebenher — denn das iſt doch ſchlie߬
lich das, um was ſich's handelt — liegſt du mit was im
Anſchlag, haſt du was auf dem Korn?“

„Papa, dieſe Wendungen erſchrecken mich beinah'.
Aber wenn denn ſchon ſo jägermäßig geſprochen werden
ſoll, ja; meine Wünſche haben ein beſtimmtes Ziel, und
ich darf ſagen, mich beſchäftigen dieſe Dinge.“

„Mich beſchäftigen dieſe Dinge ... Nimm mir's
nicht übel, Woldemar, das iſt ja gar nichts. Beſchäftigen!
Ich bin nicht fürs Poetiſche, das iſt für Gouvernanten
und arme Lehrer, die nach Görbersdorf müſſen (bloß,
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[59/0066] „Gnädig machen? Ja, Woldemar, ich will es ver¬ ſuchen. Nur fürcht' ich, es wird nicht viel dabei heraus¬ kommen. Da heißt es immer, man ſolle Familiengefühl haben, aber es wird einem doch auch zu blutſauer gemacht, und ich kann umgekehrt der Verſuchung nicht widerſtehen, eine richtige Familienkritik zu üben. Adelheid fordert ſie geradezu heraus. Andrerſeits freilich, in dich iſt ſie wie vernarrt, für dich hat ſie Geld und Liebe. Was davon wichtiger iſt, ſtehe dahin; aber ſo viel iſt gewiß, ohne ſie wär' es überhaupt gar nicht gegangen, ich meine dein Leben in deinem Regiment. Alſo wir haben ihr zu danken, und weil ſie das gerade ſo gut weiß, wie wir, oder vielleicht noch ein bißchen beſſer, gerade deshalb wird ſie ungeduldig; ſie will Thaten ſehen, was vom Weiberſtandpunkt aus allemal ſo viel heißt wie Verheiratung. Und wenn man will, kann man es auch ſo nennen, ich meine Thaten. Es iſt und bleibt ein Heroismus. Wer Tante Adelheid geheiratet hätte, hätte ſich die Tapferkeits¬ medaille verdient, und wenn ich ſchändlich ſein wollte, ſo ſagte ich das Eiſerne Kreuz.“ „Ja, Papa ...“ „Schon wieder ‚ja, Papa‘. Nun, meinetwegen, ich will dich ſchließlich in deiner Lieblingswendung nicht ſtören. Aber bekenne mir nebenher — denn das iſt doch ſchlie߬ lich das, um was ſich's handelt — liegſt du mit was im Anſchlag, haſt du was auf dem Korn?“ „Papa, dieſe Wendungen erſchrecken mich beinah'. Aber wenn denn ſchon ſo jägermäßig geſprochen werden ſoll, ja; meine Wünſche haben ein beſtimmtes Ziel, und ich darf ſagen, mich beſchäftigen dieſe Dinge.“ „Mich beſchäftigen dieſe Dinge ... Nimm mir's nicht übel, Woldemar, das iſt ja gar nichts. Beſchäftigen! Ich bin nicht fürs Poetiſche, das iſt für Gouvernanten und arme Lehrer, die nach Görbersdorf müſſen (bloß, daß ſie meiſtens kein Geld dazu haben), aber dieſe Wen¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/66>, abgerufen am 21.11.2024.