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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Rex, bei Passierung der Rampe, trat noch einmal an
die kranke Aloe heran und versicherte, daß solche Blüte
doch etwas eigentümlich Geheimnisvolles habe. Dubslav
hütete sich, zu widersprechen, und freute sich, daß der
Besuch mit etwas für ihn so Erheiterndem abschloß.


Gleich danach ritt man ab. Als sie bei der Glas¬
kugel vorbeikamen, wandten sich alle drei noch einmal
zurück, und jeder lüpfte seine Mütze. Dann ging es,
zwischen den Findlingen hin, auf die Dorfstraße hinaus,
auf der eben eine ziemlich ramponiert aussehende Halb¬
chaise, das lederne Verdeck zurückgeschlagen, an ihnen
vorüberfuhr; die Sitze leer, alles an dem Fuhrwerk ließ
Ordnung und Sauberkeit vermissen; das eine Pferd war
leidlich gut, das andre schlecht, und zu dem neuen Livree¬
rock des Kutschers wollte der alte Hut, der wie ein fuchsiges
Torfstück aussah, nicht recht passen.

"Das war ja Gundermanns Wagen."

"So, so," sagte Czako. "Auf den hätt' ich beinah'
geraten."

"Ja, dieser Gundermann", lachte Woldemar. "Mein
Vater wollt' Ihnen gestern gern etwas Grafschaftliches
vorsetzen, aber er vergriff sich. Gundermann auf Sieben¬
mühlen ist so ziemlich unsere schlechteste Nummer. Ich
sehe, er hat Ihnen nicht recht gefallen."

"Gott, gefallen, Stechlin, -- was heißt gefallen?
Eigentlich gefällt mir jeder oder auch keiner. Eine Dame
hat mir mal gesagt, die langweiligen Leute wären schlie߬
lich gerade so gut wie die interessanten, und es hat was
für sich. Aber dieser Gundermann! Zu welchem Zwecke
läßt er denn eigentlich seinen leeren Wagen in der Welt
herumkutschieren?"

"Ich bin dessen auch nicht sicher. Wahrscheinlich in
Wahlangelegenheiten. Er persönlich wird irgendwo hängen

Rex, bei Paſſierung der Rampe, trat noch einmal an
die kranke Aloe heran und verſicherte, daß ſolche Blüte
doch etwas eigentümlich Geheimnisvolles habe. Dubslav
hütete ſich, zu widerſprechen, und freute ſich, daß der
Beſuch mit etwas für ihn ſo Erheiterndem abſchloß.


Gleich danach ritt man ab. Als ſie bei der Glas¬
kugel vorbeikamen, wandten ſich alle drei noch einmal
zurück, und jeder lüpfte ſeine Mütze. Dann ging es,
zwiſchen den Findlingen hin, auf die Dorfſtraße hinaus,
auf der eben eine ziemlich ramponiert ausſehende Halb¬
chaiſe, das lederne Verdeck zurückgeſchlagen, an ihnen
vorüberfuhr; die Sitze leer, alles an dem Fuhrwerk ließ
Ordnung und Sauberkeit vermiſſen; das eine Pferd war
leidlich gut, das andre ſchlecht, und zu dem neuen Livree¬
rock des Kutſchers wollte der alte Hut, der wie ein fuchſiges
Torfſtück ausſah, nicht recht paſſen.

„Das war ja Gundermanns Wagen.“

„So, ſo,“ ſagte Czako. „Auf den hätt' ich beinah'
geraten.“

„Ja, dieſer Gundermann“, lachte Woldemar. „Mein
Vater wollt' Ihnen geſtern gern etwas Grafſchaftliches
vorſetzen, aber er vergriff ſich. Gundermann auf Sieben¬
mühlen iſt ſo ziemlich unſere ſchlechteſte Nummer. Ich
ſehe, er hat Ihnen nicht recht gefallen.“

„Gott, gefallen, Stechlin, — was heißt gefallen?
Eigentlich gefällt mir jeder oder auch keiner. Eine Dame
hat mir mal geſagt, die langweiligen Leute wären ſchlie߬
lich gerade ſo gut wie die intereſſanten, und es hat was
für ſich. Aber dieſer Gundermann! Zu welchem Zwecke
läßt er denn eigentlich ſeinen leeren Wagen in der Welt
herumkutſchieren?“

„Ich bin deſſen auch nicht ſicher. Wahrſcheinlich in
Wahlangelegenheiten. Er perſönlich wird irgendwo hängen

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[84/0091] Rex, bei Paſſierung der Rampe, trat noch einmal an die kranke Aloe heran und verſicherte, daß ſolche Blüte doch etwas eigentümlich Geheimnisvolles habe. Dubslav hütete ſich, zu widerſprechen, und freute ſich, daß der Beſuch mit etwas für ihn ſo Erheiterndem abſchloß. Gleich danach ritt man ab. Als ſie bei der Glas¬ kugel vorbeikamen, wandten ſich alle drei noch einmal zurück, und jeder lüpfte ſeine Mütze. Dann ging es, zwiſchen den Findlingen hin, auf die Dorfſtraße hinaus, auf der eben eine ziemlich ramponiert ausſehende Halb¬ chaiſe, das lederne Verdeck zurückgeſchlagen, an ihnen vorüberfuhr; die Sitze leer, alles an dem Fuhrwerk ließ Ordnung und Sauberkeit vermiſſen; das eine Pferd war leidlich gut, das andre ſchlecht, und zu dem neuen Livree¬ rock des Kutſchers wollte der alte Hut, der wie ein fuchſiges Torfſtück ausſah, nicht recht paſſen. „Das war ja Gundermanns Wagen.“ „So, ſo,“ ſagte Czako. „Auf den hätt' ich beinah' geraten.“ „Ja, dieſer Gundermann“, lachte Woldemar. „Mein Vater wollt' Ihnen geſtern gern etwas Grafſchaftliches vorſetzen, aber er vergriff ſich. Gundermann auf Sieben¬ mühlen iſt ſo ziemlich unſere ſchlechteſte Nummer. Ich ſehe, er hat Ihnen nicht recht gefallen.“ „Gott, gefallen, Stechlin, — was heißt gefallen? Eigentlich gefällt mir jeder oder auch keiner. Eine Dame hat mir mal geſagt, die langweiligen Leute wären ſchlie߬ lich gerade ſo gut wie die intereſſanten, und es hat was für ſich. Aber dieſer Gundermann! Zu welchem Zwecke läßt er denn eigentlich ſeinen leeren Wagen in der Welt herumkutſchieren?“ „Ich bin deſſen auch nicht ſicher. Wahrſcheinlich in Wahlangelegenheiten. Er perſönlich wird irgendwo hängen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/91>, abgerufen am 21.11.2024.