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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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es traf sich gut, daß mein Vater gestern abend nur so
ganz leicht drüber hinging, ich möchte beinah' sagen diskret,
was sonst nicht seine Sache ist."

"Prinzessin," wiederholte Rex, dem die Sache beinah'
den Atem nahm. "Und aus einem regierenden Hause?"

"Ja, was heißt aus einem regierenden Hause? Regiert
haben sie alle mal. Und soviel ich weiß, wird ihnen
dies ,mal regiert haben' auch immer noch angerechnet,
wenigstens sowie sich's um Eheschließungen handelt. Um
so großartiger, wenn einzelne der hier in Betracht
kommenden Damen auf alle diese Vorrechte verzichten und
ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit sich aus reiner Liebe
vermählen. Ich sage ,vermählen', weil ,sich verheiraten'
etwas plebeje klingt. Frau Katzler ist eine Ippe-Büchsen¬
stein."

"Eine Ippe!" sagte Rex. "Nicht zu glauben. Und
erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meisten
chokiert. Diese Ausgiebigkeit, ich finde kein andres Wort,
oder richtiger, ich will kein andres finden, ist doch eigent¬
lich das Bürgerlichste, was es giebt."

"Zugegeben. Und so hat es die Prinzessin auch
wohl selber aufgefaßt. Aber das ist gerade das Große
an der Sache; ja, so sonderbar es klingt, das Ideale."

"Stechlin, Sie können nicht verlangen, daß man das
so ohne weiteres versteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo
steckt da das Ideale?"

"Doch, Rex, doch. Die Prinzessin selbst, und das
ist das Rührendste, hat sich darüber ganz unumwunden
ausgesprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie sieht
ihn öfter und möcht' ihn, glaub' ich, bekehren, -- sie ist
nämlich von der strengen Richtung und hält sich auch zu
Superintendent Koseleger, unserm Papst hier. Und kurz
und gut, sie macht meinem Papa beinah' den Hof und
erklärt ihn für einen perfekten Kavalier, wobei Katzler

es traf ſich gut, daß mein Vater geſtern abend nur ſo
ganz leicht drüber hinging, ich möchte beinah' ſagen diskret,
was ſonſt nicht ſeine Sache iſt.“

„Prinzeſſin,“ wiederholte Rex, dem die Sache beinah'
den Atem nahm. „Und aus einem regierenden Hauſe?“

„Ja, was heißt aus einem regierenden Hauſe? Regiert
haben ſie alle mal. Und ſoviel ich weiß, wird ihnen
dies ‚mal regiert haben‘ auch immer noch angerechnet,
wenigſtens ſowie ſich's um Eheſchließungen handelt. Um
ſo großartiger, wenn einzelne der hier in Betracht
kommenden Damen auf alle dieſe Vorrechte verzichten und
ohne Rückſicht auf Ebenbürtigkeit ſich aus reiner Liebe
vermählen. Ich ſage ‚vermählen‘, weil ‚ſich verheiraten‘
etwas plebeje klingt. Frau Katzler iſt eine Ippe-Büchſen¬
ſtein.“

„Eine Ippe!“ ſagte Rex. „Nicht zu glauben. Und
erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meiſten
chokiert. Dieſe Ausgiebigkeit, ich finde kein andres Wort,
oder richtiger, ich will kein andres finden, iſt doch eigent¬
lich das Bürgerlichſte, was es giebt.“

„Zugegeben. Und ſo hat es die Prinzeſſin auch
wohl ſelber aufgefaßt. Aber das iſt gerade das Große
an der Sache; ja, ſo ſonderbar es klingt, das Ideale.“

„Stechlin, Sie können nicht verlangen, daß man das
ſo ohne weiteres verſteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo
ſteckt da das Ideale?“

„Doch, Rex, doch. Die Prinzeſſin ſelbſt, und das
iſt das Rührendſte, hat ſich darüber ganz unumwunden
ausgeſprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie ſieht
ihn öfter und möcht' ihn, glaub' ich, bekehren, — ſie iſt
nämlich von der ſtrengen Richtung und hält ſich auch zu
Superintendent Koſeleger, unſerm Papſt hier. Und kurz
und gut, ſie macht meinem Papa beinah' den Hof und
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[90/0097] es traf ſich gut, daß mein Vater geſtern abend nur ſo ganz leicht drüber hinging, ich möchte beinah' ſagen diskret, was ſonſt nicht ſeine Sache iſt.“ „Prinzeſſin,“ wiederholte Rex, dem die Sache beinah' den Atem nahm. „Und aus einem regierenden Hauſe?“ „Ja, was heißt aus einem regierenden Hauſe? Regiert haben ſie alle mal. Und ſoviel ich weiß, wird ihnen dies ‚mal regiert haben‘ auch immer noch angerechnet, wenigſtens ſowie ſich's um Eheſchließungen handelt. Um ſo großartiger, wenn einzelne der hier in Betracht kommenden Damen auf alle dieſe Vorrechte verzichten und ohne Rückſicht auf Ebenbürtigkeit ſich aus reiner Liebe vermählen. Ich ſage ‚vermählen‘, weil ‚ſich verheiraten‘ etwas plebeje klingt. Frau Katzler iſt eine Ippe-Büchſen¬ ſtein.“ „Eine Ippe!“ ſagte Rex. „Nicht zu glauben. Und erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meiſten chokiert. Dieſe Ausgiebigkeit, ich finde kein andres Wort, oder richtiger, ich will kein andres finden, iſt doch eigent¬ lich das Bürgerlichſte, was es giebt.“ „Zugegeben. Und ſo hat es die Prinzeſſin auch wohl ſelber aufgefaßt. Aber das iſt gerade das Große an der Sache; ja, ſo ſonderbar es klingt, das Ideale.“ „Stechlin, Sie können nicht verlangen, daß man das ſo ohne weiteres verſteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo ſteckt da das Ideale?“ „Doch, Rex, doch. Die Prinzeſſin ſelbſt, und das iſt das Rührendſte, hat ſich darüber ganz unumwunden ausgeſprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie ſieht ihn öfter und möcht' ihn, glaub' ich, bekehren, — ſie iſt nämlich von der ſtrengen Richtung und hält ſich auch zu Superintendent Koſeleger, unſerm Papſt hier. Und kurz und gut, ſie macht meinem Papa beinah' den Hof und erklärt ihn für einen perfekten Kavalier, wobei Katzler

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/97>, abgerufen am 21.11.2024.