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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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die nur allzudeutlich sagte, daß ihm der gespenstische Vorgang dieser Nacht kein Geheimniß geblieben war.

Angesichts des glänzenden Heeres indeß, glänzender als irgend ein anderes, das jemals Schottlands Grenze überschritt, mochte mit gutem Grund der Trübsinn weichen, der auf Augenblicke sein leicht bewegliches Gemüth beschlichen hatte, und lachend wie die Augustsonne, die auf die hundert Rüstungen seiner Heerführer fiel, begrüßte er jetzt die Seinen und gab den Befehl zum Aufbruch. Man hielt sich zunächst in westlicher Richtung. Als der lange, blinkende Zug über die Hügel zog, die in mäßiger Entfernung das schöne fruchtbare Thal von Linlithgow umschließen, stand Königin Margarethe auf dem höchsten Thurm des Palastes und sah dem blinkenden Zuge nach, von dem sie in ihrem Herzen wußte, daß er zum Tode und nicht zum Siege zog.

In kurzen Tagemärschen bewegte sich das Heer der Grenze zu und überschritt den Tweed. In den ersten Tagen des September nahm es seine Aufstellung auf den nach zwei Seiten hin steil abfallenden Hügeln von Flodden, an deren Südrand sich der Till-Fluß in ziemlicher Breite vorbeizog und die schon gut gewählte Stellung noch fester und schwerer zugänglich machte. Der König, der erfahren hatte, daß das englische Heer in raschen Märschen unter Führung des Grafen von Surrey heranziehe, glaubte bei der Sicherheit der gewählten Stellung das Spiel völlig in Händen zu haben und gab sich sorglos den Zerstreuungen des Augenblicks hin. Ganze

die nur allzudeutlich sagte, daß ihm der gespenstische Vorgang dieser Nacht kein Geheimniß geblieben war.

Angesichts des glänzenden Heeres indeß, glänzender als irgend ein anderes, das jemals Schottlands Grenze überschritt, mochte mit gutem Grund der Trübsinn weichen, der auf Augenblicke sein leicht bewegliches Gemüth beschlichen hatte, und lachend wie die Augustsonne, die auf die hundert Rüstungen seiner Heerführer fiel, begrüßte er jetzt die Seinen und gab den Befehl zum Aufbruch. Man hielt sich zunächst in westlicher Richtung. Als der lange, blinkende Zug über die Hügel zog, die in mäßiger Entfernung das schöne fruchtbare Thal von Linlithgow umschließen, stand Königin Margarethe auf dem höchsten Thurm des Palastes und sah dem blinkenden Zuge nach, von dem sie in ihrem Herzen wußte, daß er zum Tode und nicht zum Siege zog.

In kurzen Tagemärschen bewegte sich das Heer der Grenze zu und überschritt den Tweed. In den ersten Tagen des September nahm es seine Aufstellung auf den nach zwei Seiten hin steil abfallenden Hügeln von Flodden, an deren Südrand sich der Till-Fluß in ziemlicher Breite vorbeizog und die schon gut gewählte Stellung noch fester und schwerer zugänglich machte. Der König, der erfahren hatte, daß das englische Heer in raschen Märschen unter Führung des Grafen von Surrey heranziehe, glaubte bei der Sicherheit der gewählten Stellung das Spiel völlig in Händen zu haben und gab sich sorglos den Zerstreuungen des Augenblicks hin. Ganze

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[138/0152] die nur allzudeutlich sagte, daß ihm der gespenstische Vorgang dieser Nacht kein Geheimniß geblieben war. Angesichts des glänzenden Heeres indeß, glänzender als irgend ein anderes, das jemals Schottlands Grenze überschritt, mochte mit gutem Grund der Trübsinn weichen, der auf Augenblicke sein leicht bewegliches Gemüth beschlichen hatte, und lachend wie die Augustsonne, die auf die hundert Rüstungen seiner Heerführer fiel, begrüßte er jetzt die Seinen und gab den Befehl zum Aufbruch. Man hielt sich zunächst in westlicher Richtung. Als der lange, blinkende Zug über die Hügel zog, die in mäßiger Entfernung das schöne fruchtbare Thal von Linlithgow umschließen, stand Königin Margarethe auf dem höchsten Thurm des Palastes und sah dem blinkenden Zuge nach, von dem sie in ihrem Herzen wußte, daß er zum Tode und nicht zum Siege zog. In kurzen Tagemärschen bewegte sich das Heer der Grenze zu und überschritt den Tweed. In den ersten Tagen des September nahm es seine Aufstellung auf den nach zwei Seiten hin steil abfallenden Hügeln von Flodden, an deren Südrand sich der Till-Fluß in ziemlicher Breite vorbeizog und die schon gut gewählte Stellung noch fester und schwerer zugänglich machte. Der König, der erfahren hatte, daß das englische Heer in raschen Märschen unter Führung des Grafen von Surrey heranziehe, glaubte bei der Sicherheit der gewählten Stellung das Spiel völlig in Händen zu haben und gab sich sorglos den Zerstreuungen des Augenblicks hin. Ganze

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
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  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/152>, abgerufen am 04.12.2024.