Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

sich und rief dem König zu: "Du bist undankbar, Jakob, wie ihr's alle gewesen seid; ich mag keinem König dienen, der nur Furcht hört, wo Liebe spricht."

Während dieses Gesprächs waren die Lords aufgesprungen und hatten sich um den König gestellt. Eine peinliche Stille trat ein, als Angus vor ihnen vorbei in's Freie schritt und ohne Gruß oder Abschied den Platz verließ. Auch der König schien betroffen. Aber die Verstimmung sollte nicht lange währen, denn kaum, daß Bell the Cat den Kreis verlassen und seine Richtung nach dem rechten Flügel hin, wo die Douglas standen, eingeschlagen hatte, so trat eine andere Gestalt in den Kreis ein, deren lachende Jugend und männlich schöne Erscheinung rasch den Eindruck verwischte, den die Worte Bell the Cats hervorgerufen hatten. Es war der Graf von Caithneß. Vor länger als Jahresfrist vom König wegen Friedensbruchs in die Acht erklärt, war der Geächtete gezwungen worden, in den unzugänglichen Bergen seiner Grafschaft Zuflucht zu suchen. Dort, an der nördlichsten Spitze Schottlands, wo er von der felsigen Küste aus die benachbarten Orkney-Inseln übersehen konnte, hatte er unter seinen Clansleuten gelebt, in den Hütten jener Sinclairs, die damals wie heut bekannt waren durch ihre Armuth und Tapferkeit. Nur dann und wann hatte er sich in Städte und belebtere Gegenden gewagt, bis Thurso und selbst bis Inverneß. Auf einem Markttage in Inverneß war es, wo er zuerst von dem Zuge hörte, den König Jakob gegen England vorhabe, und sei

sich und rief dem König zu: „Du bist undankbar, Jakob, wie ihr’s alle gewesen seid; ich mag keinem König dienen, der nur Furcht hört, wo Liebe spricht.“

Während dieses Gesprächs waren die Lords aufgesprungen und hatten sich um den König gestellt. Eine peinliche Stille trat ein, als Angus vor ihnen vorbei in’s Freie schritt und ohne Gruß oder Abschied den Platz verließ. Auch der König schien betroffen. Aber die Verstimmung sollte nicht lange währen, denn kaum, daß Bell the Cat den Kreis verlassen und seine Richtung nach dem rechten Flügel hin, wo die Douglas standen, eingeschlagen hatte, so trat eine andere Gestalt in den Kreis ein, deren lachende Jugend und männlich schöne Erscheinung rasch den Eindruck verwischte, den die Worte Bell the Cats hervorgerufen hatten. Es war der Graf von Caithneß. Vor länger als Jahresfrist vom König wegen Friedensbruchs in die Acht erklärt, war der Geächtete gezwungen worden, in den unzugänglichen Bergen seiner Grafschaft Zuflucht zu suchen. Dort, an der nördlichsten Spitze Schottlands, wo er von der felsigen Küste aus die benachbarten Orkney-Inseln übersehen konnte, hatte er unter seinen Clansleuten gelebt, in den Hütten jener Sinclairs, die damals wie heut bekannt waren durch ihre Armuth und Tapferkeit. Nur dann und wann hatte er sich in Städte und belebtere Gegenden gewagt, bis Thurso und selbst bis Inverneß. Auf einem Markttage in Inverneß war es, wo er zuerst von dem Zuge hörte, den König Jakob gegen England vorhabe, und sei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0156" n="142"/>
sich und rief dem König zu: &#x201E;Du bist undankbar, Jakob, wie              ihr&#x2019;s alle gewesen seid; ich mag keinem König dienen, der nur Furcht hört, wo Liebe              spricht.&#x201C;          </p><lb/>
          <p>Während dieses Gesprächs waren die Lords aufgesprungen und              hatten sich um den König gestellt. Eine peinliche Stille trat ein, als Angus vor ihnen              vorbei in&#x2019;s Freie schritt und ohne Gruß oder Abschied den Platz verließ. Auch der König              schien betroffen. Aber die Verstimmung sollte nicht lange währen, denn kaum, daß Bell              the Cat den Kreis verlassen und seine Richtung nach dem rechten Flügel hin, wo die              Douglas standen, eingeschlagen hatte, so trat eine andere Gestalt in den Kreis ein,              deren lachende Jugend und männlich schöne Erscheinung rasch den Eindruck verwischte, den              die Worte Bell the Cats hervorgerufen hatten. Es war der Graf von Caithneß. Vor länger              als Jahresfrist vom König wegen Friedensbruchs in die Acht erklärt, war der Geächtete              gezwungen worden, in den unzugänglichen Bergen seiner Grafschaft Zuflucht zu suchen.              Dort, an der nördlichsten Spitze Schottlands, wo er von der felsigen Küste aus die              benachbarten Orkney-Inseln übersehen konnte, hatte er unter seinen Clansleuten gelebt,              in den Hütten jener Sinclairs, die damals wie heut bekannt waren durch ihre Armuth und              Tapferkeit. Nur dann und wann hatte er sich in Städte und belebtere Gegenden gewagt, bis              Thurso und selbst bis Inverneß. Auf einem Markttage in Inverneß war es, wo er zuerst von              dem Zuge hörte, den König Jakob gegen England vorhabe, und sei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0156] sich und rief dem König zu: „Du bist undankbar, Jakob, wie ihr’s alle gewesen seid; ich mag keinem König dienen, der nur Furcht hört, wo Liebe spricht.“ Während dieses Gesprächs waren die Lords aufgesprungen und hatten sich um den König gestellt. Eine peinliche Stille trat ein, als Angus vor ihnen vorbei in’s Freie schritt und ohne Gruß oder Abschied den Platz verließ. Auch der König schien betroffen. Aber die Verstimmung sollte nicht lange währen, denn kaum, daß Bell the Cat den Kreis verlassen und seine Richtung nach dem rechten Flügel hin, wo die Douglas standen, eingeschlagen hatte, so trat eine andere Gestalt in den Kreis ein, deren lachende Jugend und männlich schöne Erscheinung rasch den Eindruck verwischte, den die Worte Bell the Cats hervorgerufen hatten. Es war der Graf von Caithneß. Vor länger als Jahresfrist vom König wegen Friedensbruchs in die Acht erklärt, war der Geächtete gezwungen worden, in den unzugänglichen Bergen seiner Grafschaft Zuflucht zu suchen. Dort, an der nördlichsten Spitze Schottlands, wo er von der felsigen Küste aus die benachbarten Orkney-Inseln übersehen konnte, hatte er unter seinen Clansleuten gelebt, in den Hütten jener Sinclairs, die damals wie heut bekannt waren durch ihre Armuth und Tapferkeit. Nur dann und wann hatte er sich in Städte und belebtere Gegenden gewagt, bis Thurso und selbst bis Inverneß. Auf einem Markttage in Inverneß war es, wo er zuerst von dem Zuge hörte, den König Jakob gegen England vorhabe, und sei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/156
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/156>, abgerufen am 04.12.2024.