Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.am Fuße, theils am Ostabhange jenes Felsenhügels, auf dessen höchster Spitze Schloß Stirling ragt. Die vom Hügel herabsteigenden Straßen und Gassen münden mehr oder minder senkrecht in die am Fuß des Hügels sich hinziehende High-Street*) ein, die jetzt, ohne schön oder irgendwie bemerkenswerth zu sein, doch die Hügelstraßen an Ausdehnung und Wohnlichkeit übertrifft. Diese High-Street entspricht mutatis mutandis der Princesstreet von Edinburg, während das Gewirr der hügelansteigenden Straßen und Gassen, in Erscheinung, Lage und Fülle historischer Rückerinnerungen an die Altstadt von Edinburg erinnert. Auch die Schloßhügel beider Städte sind in Höhe, Formation und Umgebung nahe verwandt und ihre Linien unterscheiden sich nur in so weit, daß - um ein etwas kühnes, aber wie ich hoffe bezeichnendes Bild zu gebrauchen - das Edinburger Schloß einem liegenden, das Stirlinger aber einem sitzenden Löwen gleicht. Beide erheben sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene und blicken, dem Hochlande zugewandt, wie Wächter landeinwärts; die Rückenlinie des wie schlafend daliegenden Edinburger Hügels aber ist eine allmählig ansteigende, während Stirling-Castle bereits, wie vor einem nahen Geräusch, in die Höhe gefahren ist und mit halbsenkrechter Rückenlinie erwartungsvoll dasitzt. Dieser Rückenlinie entsprechend, sind natürlich auch die Straßen, die sich dieselbe hinaufziehen: *) High-Street hat im Englischen nie die Bedeutung von hochgelegener Straße, sondern immer nur von Haupt-Straße.
am Fuße, theils am Ostabhange jenes Felsenhügels, auf dessen höchster Spitze Schloß Stirling ragt. Die vom Hügel herabsteigenden Straßen und Gassen münden mehr oder minder senkrecht in die am Fuß des Hügels sich hinziehende High-Street*) ein, die jetzt, ohne schön oder irgendwie bemerkenswerth zu sein, doch die Hügelstraßen an Ausdehnung und Wohnlichkeit übertrifft. Diese High-Street entspricht mutatis mutandis der Princesstreet von Edinburg, während das Gewirr der hügelansteigenden Straßen und Gassen, in Erscheinung, Lage und Fülle historischer Rückerinnerungen an die Altstadt von Edinburg erinnert. Auch die Schloßhügel beider Städte sind in Höhe, Formation und Umgebung nahe verwandt und ihre Linien unterscheiden sich nur in so weit, daß – um ein etwas kühnes, aber wie ich hoffe bezeichnendes Bild zu gebrauchen – das Edinburger Schloß einem liegenden, das Stirlinger aber einem sitzenden Löwen gleicht. Beide erheben sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene und blicken, dem Hochlande zugewandt, wie Wächter landeinwärts; die Rückenlinie des wie schlafend daliegenden Edinburger Hügels aber ist eine allmählig ansteigende, während Stirling-Castle bereits, wie vor einem nahen Geräusch, in die Höhe gefahren ist und mit halbsenkrechter Rückenlinie erwartungsvoll dasitzt. Dieser Rückenlinie entsprechend, sind natürlich auch die Straßen, die sich dieselbe hinaufziehen: *) High-Street hat im Englischen nie die Bedeutung von hochgelegener Straße, sondern immer nur von Haupt-Straße.
<TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0173" n="159"/> am Fuße, theils am Ostabhange jenes Felsenhügels, auf dessen höchster Spitze <hi rendition="#g">Schloß</hi> Stirling ragt. Die vom Hügel herabsteigenden Straßen und Gassen münden mehr oder minder senkrecht in die am Fuß des Hügels sich hinziehende High-Street<note place="foot" n="*)">High-Street hat im Englischen nie die Bedeutung von <hi rendition="#g">hoch</hi>gelegener Straße, sondern immer nur von <hi rendition="#g">Haupt</hi>-Straße.<lb/></note> ein, die jetzt, ohne schön oder irgendwie bemerkenswerth zu sein, doch die Hügelstraßen an Ausdehnung und Wohnlichkeit übertrifft. Diese High-Street entspricht <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="lat">mutatis mutandis</foreign></hi> der Princesstreet von Edinburg, während das Gewirr der hügelansteigenden Straßen und Gassen, in Erscheinung, Lage und Fülle historischer Rückerinnerungen an die Altstadt von Edinburg erinnert. Auch die Schloßhügel beider Städte sind in Höhe, Formation und Umgebung nahe verwandt und ihre Linien unterscheiden sich nur in so weit, daß – um ein etwas kühnes, aber wie ich hoffe bezeichnendes Bild zu gebrauchen – das Edinburger Schloß einem <hi rendition="#g">liegenden</hi>, das Stirlinger aber einem <hi rendition="#g">sitzenden</hi> Löwen gleicht. Beide erheben sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene und blicken, dem Hochlande zugewandt, wie Wächter landeinwärts; die <hi rendition="#g">Rückenlinie</hi> des wie schlafend daliegenden Edinburger Hügels aber ist eine allmählig ansteigende, während Stirling-Castle bereits, wie vor einem nahen Geräusch, in die Höhe gefahren ist und mit halbsenkrechter Rückenlinie erwartungsvoll dasitzt. Dieser Rückenlinie entsprechend, sind natürlich auch die Straßen, die sich dieselbe hinaufziehen:<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0173]
am Fuße, theils am Ostabhange jenes Felsenhügels, auf dessen höchster Spitze Schloß Stirling ragt. Die vom Hügel herabsteigenden Straßen und Gassen münden mehr oder minder senkrecht in die am Fuß des Hügels sich hinziehende High-Street *) ein, die jetzt, ohne schön oder irgendwie bemerkenswerth zu sein, doch die Hügelstraßen an Ausdehnung und Wohnlichkeit übertrifft. Diese High-Street entspricht mutatis mutandis der Princesstreet von Edinburg, während das Gewirr der hügelansteigenden Straßen und Gassen, in Erscheinung, Lage und Fülle historischer Rückerinnerungen an die Altstadt von Edinburg erinnert. Auch die Schloßhügel beider Städte sind in Höhe, Formation und Umgebung nahe verwandt und ihre Linien unterscheiden sich nur in so weit, daß – um ein etwas kühnes, aber wie ich hoffe bezeichnendes Bild zu gebrauchen – das Edinburger Schloß einem liegenden, das Stirlinger aber einem sitzenden Löwen gleicht. Beide erheben sich plötzlich und unvermittelt aus der Ebene und blicken, dem Hochlande zugewandt, wie Wächter landeinwärts; die Rückenlinie des wie schlafend daliegenden Edinburger Hügels aber ist eine allmählig ansteigende, während Stirling-Castle bereits, wie vor einem nahen Geräusch, in die Höhe gefahren ist und mit halbsenkrechter Rückenlinie erwartungsvoll dasitzt. Dieser Rückenlinie entsprechend, sind natürlich auch die Straßen, die sich dieselbe hinaufziehen:
*) High-Street hat im Englischen nie die Bedeutung von hochgelegener Straße, sondern immer nur von Haupt-Straße.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |