Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.im Einklang mit all dem Uebrigen. Vor ihnen saßen zwei junge Leute, augenscheinlich aus guter Familie, Schüler, die eine Ferienreise nach Schottland machten und unter Lachen behülflich waren, wenn die Kinderstube in ihrem Rücken diese oder jene Dienstleistung wünschenswerth machte. Neben ihnen eine alte Lady in Trauer. Freundlich aber abgehärmt, schmucklos aber sauber und in wahrem Rigorismus selbst die hölzerne Rückenlehne ihres Sitzes verschmähend, so saß sie da, ersichtlich die Frau eines Officiers, der, an der Dschumna vielleicht oder im Pendschab gefallen, ihr einen geachteten Namen und nichts weiter hinterlassen hatte. Heitrer, farbenreicher sah es in der zweiten Wagenhälfte aus, der wir den Rücken zukehrten. Das schottische Element bewährte sich in seinem pittoresken Reiz. Keine nacktbeinigen Kiltträger waren zugegen, aber die blauwollene schottische Mütze mit ihren lang herabhängenden Seidenbändern (eine Tracht, deren Karrikatur wir nur in unseren deutschen Städten kennen), saß malerisch auf den Köpfen der jungen Männer; Plaids in allen Mustern und Farben dienten diesem als Mantel und jenem als Kissen, während grau und weiß karrirte Tücher sich überall hin ausspannten und dem ganzen den Charakter eines romantischen Feldlagers gaben. So ging es dahin. Die bekannten Bilder englischer Landschaft zogen an uns vorüber. Die Sonne war längst unter, auch das Abendroth schwand jetzt und nur jenes zauberhafte, dunkle Blau lag noch in breiten Streifen im Einklang mit all dem Uebrigen. Vor ihnen saßen zwei junge Leute, augenscheinlich aus guter Familie, Schüler, die eine Ferienreise nach Schottland machten und unter Lachen behülflich waren, wenn die Kinderstube in ihrem Rücken diese oder jene Dienstleistung wünschenswerth machte. Neben ihnen eine alte Lady in Trauer. Freundlich aber abgehärmt, schmucklos aber sauber und in wahrem Rigorismus selbst die hölzerne Rückenlehne ihres Sitzes verschmähend, so saß sie da, ersichtlich die Frau eines Officiers, der, an der Dschumna vielleicht oder im Pendschab gefallen, ihr einen geachteten Namen und nichts weiter hinterlassen hatte. Heitrer, farbenreicher sah es in der zweiten Wagenhälfte aus, der wir den Rücken zukehrten. Das schottische Element bewährte sich in seinem pittoresken Reiz. Keine nacktbeinigen Kiltträger waren zugegen, aber die blauwollene schottische Mütze mit ihren lang herabhängenden Seidenbändern (eine Tracht, deren Karrikatur wir nur in unseren deutschen Städten kennen), saß malerisch auf den Köpfen der jungen Männer; Plaids in allen Mustern und Farben dienten diesem als Mantel und jenem als Kissen, während grau und weiß karrirte Tücher sich überall hin ausspannten und dem ganzen den Charakter eines romantischen Feldlagers gaben. So ging es dahin. Die bekannten Bilder englischer Landschaft zogen an uns vorüber. Die Sonne war längst unter, auch das Abendroth schwand jetzt und nur jenes zauberhafte, dunkle Blau lag noch in breiten Streifen <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0020" n="6"/> im Einklang mit all dem Uebrigen. Vor ihnen saßen zwei junge Leute, augenscheinlich aus guter Familie, Schüler, die eine Ferienreise nach Schottland machten und unter Lachen behülflich waren, wenn die Kinderstube in ihrem Rücken diese oder jene Dienstleistung wünschenswerth machte. Neben ihnen eine alte Lady in Trauer. Freundlich aber abgehärmt, schmucklos aber sauber und in wahrem Rigorismus selbst die hölzerne Rückenlehne ihres Sitzes verschmähend, so saß sie da, ersichtlich die Frau eines Officiers, der, an der Dschumna vielleicht oder im Pendschab gefallen, ihr einen geachteten Namen und nichts weiter hinterlassen hatte. </p><lb/> <p>Heitrer, farbenreicher sah es in der zweiten Wagenhälfte aus, der wir den Rücken zukehrten. Das schottische Element bewährte sich in seinem pittoresken Reiz. Keine nacktbeinigen Kiltträger waren zugegen, aber die blauwollene schottische Mütze mit ihren lang herabhängenden Seidenbändern (eine Tracht, deren Karrikatur wir nur in unseren deutschen Städten kennen), saß malerisch auf den Köpfen der jungen Männer; Plaids in allen Mustern und Farben dienten diesem als Mantel und jenem als Kissen, während grau und weiß karrirte Tücher sich überall hin ausspannten und dem ganzen den Charakter eines romantischen Feldlagers gaben.</p><lb/> <p>So ging es dahin. Die bekannten Bilder englischer Landschaft zogen an uns vorüber. Die Sonne war längst unter, auch das Abendroth schwand jetzt und nur jenes zauberhafte, dunkle Blau lag noch in breiten Streifen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0020]
im Einklang mit all dem Uebrigen. Vor ihnen saßen zwei junge Leute, augenscheinlich aus guter Familie, Schüler, die eine Ferienreise nach Schottland machten und unter Lachen behülflich waren, wenn die Kinderstube in ihrem Rücken diese oder jene Dienstleistung wünschenswerth machte. Neben ihnen eine alte Lady in Trauer. Freundlich aber abgehärmt, schmucklos aber sauber und in wahrem Rigorismus selbst die hölzerne Rückenlehne ihres Sitzes verschmähend, so saß sie da, ersichtlich die Frau eines Officiers, der, an der Dschumna vielleicht oder im Pendschab gefallen, ihr einen geachteten Namen und nichts weiter hinterlassen hatte.
Heitrer, farbenreicher sah es in der zweiten Wagenhälfte aus, der wir den Rücken zukehrten. Das schottische Element bewährte sich in seinem pittoresken Reiz. Keine nacktbeinigen Kiltträger waren zugegen, aber die blauwollene schottische Mütze mit ihren lang herabhängenden Seidenbändern (eine Tracht, deren Karrikatur wir nur in unseren deutschen Städten kennen), saß malerisch auf den Köpfen der jungen Männer; Plaids in allen Mustern und Farben dienten diesem als Mantel und jenem als Kissen, während grau und weiß karrirte Tücher sich überall hin ausspannten und dem ganzen den Charakter eines romantischen Feldlagers gaben.
So ging es dahin. Die bekannten Bilder englischer Landschaft zogen an uns vorüber. Die Sonne war längst unter, auch das Abendroth schwand jetzt und nur jenes zauberhafte, dunkle Blau lag noch in breiten Streifen
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(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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