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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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günstig gewählt erscheint, wie nur irgend möglich. Man fragt unwillkürlich: warum nicht jenseit der Brücke? Der Bach in ihrem Rücken konnte nur das Mißliche ihrer Lage steigern und that es. Wahrscheinlich waren sie zu erschöpft, um den Wettlauf mit den verfolgenden Dragonern noch länger möglich machen zu können, und kämpften nur, weil Nichtkampf noch sicherer zum Verderben geführt hätte. Wenige entkamen, nur um die Botschaft von der Niederlage nach Roßshire und dem Norden zu bringen. Der Thurm, der den Platz "der letzten Begegnung" bezeichnet, hat ohngefähr die Form einer holländischen Windmühle, - wogegen nicht viel zu sagen wäre, wenn man nicht gleichzeitig auf die geschmacklose Idee gekommen wäre, den untern Dachrand mit 6 oder 8 hölzernen Kanonen zu garniren, die nun nach allen Seiten hin ihre Zunge in's Land hinein strecken. Ich wähle diesen Vergleich absichtlich, denn das Ganze nimmt sich aus wie Spott und Verhöhnung. Wo wirkliche Kanonen aufgeräumt haben, ist solche Spielerei nicht am Platz.

Wir haben dem armen Schuhflicker, der unten im Thurm wohnt, und so zu sagen den Thürhüter von Culloden-Moor macht, unseren Besuch abgestattet und marschiren nun weiter feldeinwärts, bis wir eine Art Rondel, eine Oase, erreichen, die etwa eine halbe Meile hinter dem Thurm, die Oede des Moors wie eine Parkanlage unterbricht. Dies ist, wenn nicht das eigentliche Schlachtfeld, so doch der Punkt, wo am heißesten gestritten,

günstig gewählt erscheint, wie nur irgend möglich. Man fragt unwillkürlich: warum nicht jenseit der Brücke? Der Bach in ihrem Rücken konnte nur das Mißliche ihrer Lage steigern und that es. Wahrscheinlich waren sie zu erschöpft, um den Wettlauf mit den verfolgenden Dragonern noch länger möglich machen zu können, und kämpften nur, weil Nichtkampf noch sicherer zum Verderben geführt hätte. Wenige entkamen, nur um die Botschaft von der Niederlage nach Roßshire und dem Norden zu bringen. Der Thurm, der den Platz „der letzten Begegnung“ bezeichnet, hat ohngefähr die Form einer holländischen Windmühle, – wogegen nicht viel zu sagen wäre, wenn man nicht gleichzeitig auf die geschmacklose Idee gekommen wäre, den untern Dachrand mit 6 oder 8 hölzernen Kanonen zu garniren, die nun nach allen Seiten hin ihre Zunge in’s Land hinein strecken. Ich wähle diesen Vergleich absichtlich, denn das Ganze nimmt sich aus wie Spott und Verhöhnung. Wo wirkliche Kanonen aufgeräumt haben, ist solche Spielerei nicht am Platz.

Wir haben dem armen Schuhflicker, der unten im Thurm wohnt, und so zu sagen den Thürhüter von Culloden-Moor macht, unseren Besuch abgestattet und marschiren nun weiter feldeinwärts, bis wir eine Art Rondel, eine Oase, erreichen, die etwa eine halbe Meile hinter dem Thurm, die Oede des Moors wie eine Parkanlage unterbricht. Dies ist, wenn nicht das eigentliche Schlachtfeld, so doch der Punkt, wo am heißesten gestritten,

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[242/0256] günstig gewählt erscheint, wie nur irgend möglich. Man fragt unwillkürlich: warum nicht jenseit der Brücke? Der Bach in ihrem Rücken konnte nur das Mißliche ihrer Lage steigern und that es. Wahrscheinlich waren sie zu erschöpft, um den Wettlauf mit den verfolgenden Dragonern noch länger möglich machen zu können, und kämpften nur, weil Nichtkampf noch sicherer zum Verderben geführt hätte. Wenige entkamen, nur um die Botschaft von der Niederlage nach Roßshire und dem Norden zu bringen. Der Thurm, der den Platz „der letzten Begegnung“ bezeichnet, hat ohngefähr die Form einer holländischen Windmühle, – wogegen nicht viel zu sagen wäre, wenn man nicht gleichzeitig auf die geschmacklose Idee gekommen wäre, den untern Dachrand mit 6 oder 8 hölzernen Kanonen zu garniren, die nun nach allen Seiten hin ihre Zunge in’s Land hinein strecken. Ich wähle diesen Vergleich absichtlich, denn das Ganze nimmt sich aus wie Spott und Verhöhnung. Wo wirkliche Kanonen aufgeräumt haben, ist solche Spielerei nicht am Platz. Wir haben dem armen Schuhflicker, der unten im Thurm wohnt, und so zu sagen den Thürhüter von Culloden-Moor macht, unseren Besuch abgestattet und marschiren nun weiter feldeinwärts, bis wir eine Art Rondel, eine Oase, erreichen, die etwa eine halbe Meile hinter dem Thurm, die Oede des Moors wie eine Parkanlage unterbricht. Dies ist, wenn nicht das eigentliche Schlachtfeld, so doch der Punkt, wo am heißesten gestritten,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
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  • langes s (ſ): als s transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/256>, abgerufen am 22.11.2024.