Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.Nachmittags begann die Rückfahrt. Die Gesellschaft war steif und leblos und wir waren endlich froh, mit einer irländischen Dame in's Gespräch zu gerathen, die uns bald völlig in Anspruch nahm. Es war eine ächte Tochter Erins: lebhaft, witzig, ungenirt, von bedenklicher Toilette und gleichgültig gegen die üblichen Formen englischer Sitte und englischen Anstands. Ihr Name war Miß Arabella Fitzpatrick; Karten führte sie nicht, aber sie war freundlich genug, auf ein abgerissenes Stückchen Papier uns obige Namen aufzuschreiben. In England wäre das mindestens "shocking" gewesen. "You are Germans?" begann sie, als wir auf der Schiffswand saßen und, der Höhle Rob Roys den Rücken zukehrend, wenig Lust bezeugten, uns den üblichen Ciceronevortrag zum zweiten Male halten zu lassen. Wir nickten. "Es sind noch mehr Deutsche an Bord", fuhr sie fort und zeigte auf eine Gruppe großer starker Männer, die in lebhaftem Gespräch neben dem Kajüteneingang standen. Sie hatte Recht. Es zeigte sich bald, daß sie der deutschen Sprache einigermaßen mächtig war. Wir sprachen nun von der Schönheit des Sees, endlich auch von dem romantischen Charakter Irlands und fügten den aufrichtig gemeinten Wunsch hinzu, "die grüne Insel" mit nächstem bereisen zu können. Das gewann uns ihr Herz. Sie fing nun an allerhand Beschreibungen und sonstige berühmte Stellen aus Thomas Moore zu citiren, den sie auswendig zu kennen schien. Als sie endlich anhob: Nachmittags begann die Rückfahrt. Die Gesellschaft war steif und leblos und wir waren endlich froh, mit einer irländischen Dame in’s Gespräch zu gerathen, die uns bald völlig in Anspruch nahm. Es war eine ächte Tochter Erins: lebhaft, witzig, ungenirt, von bedenklicher Toilette und gleichgültig gegen die üblichen Formen englischer Sitte und englischen Anstands. Ihr Name war Miß Arabella Fitzpatrick; Karten führte sie nicht, aber sie war freundlich genug, auf ein abgerissenes Stückchen Papier uns obige Namen aufzuschreiben. In England wäre das mindestens „shocking“ gewesen. „You are Germans?“ begann sie, als wir auf der Schiffswand saßen und, der Höhle Rob Roys den Rücken zukehrend, wenig Lust bezeugten, uns den üblichen Ciceronevortrag zum zweiten Male halten zu lassen. Wir nickten. „Es sind noch mehr Deutsche an Bord“, fuhr sie fort und zeigte auf eine Gruppe großer starker Männer, die in lebhaftem Gespräch neben dem Kajüteneingang standen. Sie hatte Recht. Es zeigte sich bald, daß sie der deutschen Sprache einigermaßen mächtig war. Wir sprachen nun von der Schönheit des Sees, endlich auch von dem romantischen Charakter Irlands und fügten den aufrichtig gemeinten Wunsch hinzu, „die grüne Insel“ mit nächstem bereisen zu können. Das gewann uns ihr Herz. Sie fing nun an allerhand Beschreibungen und sonstige berühmte Stellen aus Thomas Moore zu citiren, den sie auswendig zu kennen schien. Als sie endlich anhob: <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0326" n="312"/> <p>Nachmittags begann die Rückfahrt. Die Gesellschaft war steif und leblos und wir waren endlich froh, mit einer irländischen Dame in’s Gespräch zu gerathen, die uns bald völlig in Anspruch nahm. Es war eine ächte Tochter Erins: lebhaft, witzig, ungenirt, von bedenklicher Toilette und gleichgültig gegen die üblichen Formen englischer Sitte und englischen Anstands. Ihr Name war Miß Arabella Fitzpatrick; Karten führte sie nicht, aber sie war freundlich genug, auf ein abgerissenes Stückchen Papier uns obige Namen aufzuschreiben. In England wäre das mindestens <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„shocking“</foreign></hi> gewesen. <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="eng">„You are Germans?</foreign>“</hi> begann sie, als wir auf der Schiffswand saßen und, der Höhle Rob Roys den Rücken zukehrend, wenig Lust bezeugten, uns den üblichen Ciceronevortrag zum zweiten Male halten zu lassen. Wir nickten. „Es sind noch mehr Deutsche an Bord“, fuhr sie fort und zeigte auf eine Gruppe großer starker Männer, die in lebhaftem Gespräch neben dem Kajüteneingang standen. Sie hatte Recht. Es zeigte sich bald, daß sie der deutschen Sprache einigermaßen mächtig war. Wir sprachen nun von der Schönheit des Sees, endlich auch von dem romantischen Charakter Irlands und fügten den aufrichtig gemeinten Wunsch hinzu, „die grüne Insel“ mit nächstem bereisen zu können. Das gewann uns ihr Herz. Sie fing nun an allerhand Beschreibungen und sonstige berühmte Stellen aus Thomas Moore zu citiren, den sie auswendig zu kennen schien. Als sie endlich anhob:<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0326]
Nachmittags begann die Rückfahrt. Die Gesellschaft war steif und leblos und wir waren endlich froh, mit einer irländischen Dame in’s Gespräch zu gerathen, die uns bald völlig in Anspruch nahm. Es war eine ächte Tochter Erins: lebhaft, witzig, ungenirt, von bedenklicher Toilette und gleichgültig gegen die üblichen Formen englischer Sitte und englischen Anstands. Ihr Name war Miß Arabella Fitzpatrick; Karten führte sie nicht, aber sie war freundlich genug, auf ein abgerissenes Stückchen Papier uns obige Namen aufzuschreiben. In England wäre das mindestens „shocking“ gewesen. „You are Germans?“ begann sie, als wir auf der Schiffswand saßen und, der Höhle Rob Roys den Rücken zukehrend, wenig Lust bezeugten, uns den üblichen Ciceronevortrag zum zweiten Male halten zu lassen. Wir nickten. „Es sind noch mehr Deutsche an Bord“, fuhr sie fort und zeigte auf eine Gruppe großer starker Männer, die in lebhaftem Gespräch neben dem Kajüteneingang standen. Sie hatte Recht. Es zeigte sich bald, daß sie der deutschen Sprache einigermaßen mächtig war. Wir sprachen nun von der Schönheit des Sees, endlich auch von dem romantischen Charakter Irlands und fügten den aufrichtig gemeinten Wunsch hinzu, „die grüne Insel“ mit nächstem bereisen zu können. Das gewann uns ihr Herz. Sie fing nun an allerhand Beschreibungen und sonstige berühmte Stellen aus Thomas Moore zu citiren, den sie auswendig zu kennen schien. Als sie endlich anhob:
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/326>, abgerufen am 27.07.2024. |