Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt und der Fußboden gleicht einem Kirchhof; ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, so lange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigenthümlichkeit oder bei Schöpfungen einer späteren Epoche durch Schönheit imponirt. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientiren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, theilweis niedergerissen, um den Neubauten des Palastes Platz zu machen, schließlich (vor etwa 100 Jahren) unter die Hände eines pietät- und kenntnißlosen Architekten gerathen, gleicht das Ganze nur noch einer willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik. Der Kitt hat Alles thun müssen. Nicht die Frage "paßt es" hat den Architekten beschäftigt, sondern immer nur die Frage "klebt es". Die Grabsteine rings umher tragen manchen berühmten Namen, aber doch nicht berühmt genug, um einer besonderen Erwähnung werth zu sein. Nur einen Stein, am äußersten Ende der Kapelle, kündigt unser Führer mit gehobener Stimme an, den Stein, auf dem Maria Stuart und Darnley knieten, als der Bischof von Brechin ihre segenslose Ehe segnete. Man sagt, daß die Königin bei dieser Gelegenheit ein schwar- einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt und der Fußboden gleicht einem Kirchhof; ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, so lange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigenthümlichkeit oder bei Schöpfungen einer späteren Epoche durch Schönheit imponirt. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientiren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, theilweis niedergerissen, um den Neubauten des Palastes Platz zu machen, schließlich (vor etwa 100 Jahren) unter die Hände eines pietät- und kenntnißlosen Architekten gerathen, gleicht das Ganze nur noch einer willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik. Der Kitt hat Alles thun müssen. Nicht die Frage „paßt es“ hat den Architekten beschäftigt, sondern immer nur die Frage „klebt es“. Die Grabsteine rings umher tragen manchen berühmten Namen, aber doch nicht berühmt genug, um einer besonderen Erwähnung werth zu sein. Nur einen Stein, am äußersten Ende der Kapelle, kündigt unser Führer mit gehobener Stimme an, den Stein, auf dem Maria Stuart und Darnley knieten, als der Bischof von Brechin ihre segenslose Ehe segnete. Man sagt, daß die Königin bei dieser Gelegenheit ein schwar- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0035" n="21"/> einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt und der Fußboden gleicht einem Kirchhof; ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, so lange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigenthümlichkeit oder bei Schöpfungen einer späteren Epoche durch Schönheit imponirt. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientiren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, theilweis niedergerissen, um den Neubauten des <hi rendition="#g">Palastes</hi> Platz zu machen, schließlich (vor etwa 100 Jahren) unter die Hände eines pietät- und kenntnißlosen Architekten gerathen, gleicht das Ganze nur noch einer willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik. Der Kitt hat Alles thun müssen. Nicht die Frage „paßt es“ hat den Architekten beschäftigt, sondern immer nur die Frage „klebt es“. Die Grabsteine rings umher tragen manchen berühmten Namen, aber doch nicht berühmt genug, um einer besonderen Erwähnung werth zu sein. Nur <hi rendition="#g">einen</hi> Stein, am äußersten Ende der Kapelle, kündigt unser Führer mit gehobener Stimme an, <hi rendition="#g">den</hi> Stein, auf dem Maria Stuart und Darnley knieten, als der Bischof von Brechin ihre segenslose Ehe segnete. Man sagt, daß die Königin bei dieser Gelegenheit ein schwar-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0035]
einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt und der Fußboden gleicht einem Kirchhof; ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, so lange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigenthümlichkeit oder bei Schöpfungen einer späteren Epoche durch Schönheit imponirt. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientiren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, theilweis niedergerissen, um den Neubauten des Palastes Platz zu machen, schließlich (vor etwa 100 Jahren) unter die Hände eines pietät- und kenntnißlosen Architekten gerathen, gleicht das Ganze nur noch einer willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik. Der Kitt hat Alles thun müssen. Nicht die Frage „paßt es“ hat den Architekten beschäftigt, sondern immer nur die Frage „klebt es“. Die Grabsteine rings umher tragen manchen berühmten Namen, aber doch nicht berühmt genug, um einer besonderen Erwähnung werth zu sein. Nur einen Stein, am äußersten Ende der Kapelle, kündigt unser Führer mit gehobener Stimme an, den Stein, auf dem Maria Stuart und Darnley knieten, als der Bischof von Brechin ihre segenslose Ehe segnete. Man sagt, daß die Königin bei dieser Gelegenheit ein schwar-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T15:22:45Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T15:22:45Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen. Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |