Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

und von einer schwarzgeteerten Balkenlage durch¬
zogener Fachwerkbau, dem erst Schachs Mutter, die
"verstorbene Gnädige", durch ein Doppeldach, einen
Blitzableiter und eine prächtige, nach dem Muster von
Sanssouci hergerichtete Terrasse, das Ansehen aller¬
nüchternster Tagtäglichkeit genommen hatte. Jetzt
freilich, unter dem Sternenschein, lag alles da wie
das Schloß im Märchen, und Schach hielt öfters
an und sah hinauf, augenscheinlich betroffen von der
Schönheit des Bildes.

Endlich war er oben und ritt auf das Einfahrts¬
thor zu, das sich in einem flachen Bogen zwischen
dem Giebel des Schlosses und einem danebenstehenden
Gesindehause wölbte. Vom Hof her vernahm er im
selben Augenblick ein Bellen und Knurren und hörte,
wie der Hund wütend aus seiner Hütte fuhr und mit
seiner Kette nach rechts und links hin an der Holz¬
wandung umherschrammte.

"Kusch Dich, Hektor." Und das Tier, die
Stimme seines Herrn erkennend, begann jetzt vor
Freude zu heulen und zu winseln, und abwechselnd
auf die Hütte hinauf- und wieder hinunterzuspringen.

Vor dem Gesindehause stand ein Wallnußbaum
mit weitem Gezweige. Schach stieg ab, schlang den
Zügel um den Ast, und klopfte halblaut an einen der
Fensterläden. Aber erst als er das zweite Mal ge¬
pocht hatte, wurd es lebendig drinnen, und er hörte

und von einer ſchwarzgeteerten Balkenlage durch¬
zogener Fachwerkbau, dem erſt Schachs Mutter, die
„verſtorbene Gnädige“, durch ein Doppeldach, einen
Blitzableiter und eine prächtige, nach dem Muſter von
Sansſouci hergerichtete Terraſſe, das Anſehen aller¬
nüchternſter Tagtäglichkeit genommen hatte. Jetzt
freilich, unter dem Sternenſchein, lag alles da wie
das Schloß im Märchen, und Schach hielt öfters
an und ſah hinauf, augenſcheinlich betroffen von der
Schönheit des Bildes.

Endlich war er oben und ritt auf das Einfahrts¬
thor zu, das ſich in einem flachen Bogen zwiſchen
dem Giebel des Schloſſes und einem danebenſtehenden
Geſindehauſe wölbte. Vom Hof her vernahm er im
ſelben Augenblick ein Bellen und Knurren und hörte,
wie der Hund wütend aus ſeiner Hütte fuhr und mit
ſeiner Kette nach rechts und links hin an der Holz¬
wandung umherſchrammte.

„Kuſch Dich, Hektor.“ Und das Tier, die
Stimme ſeines Herrn erkennend, begann jetzt vor
Freude zu heulen und zu winſeln, und abwechſelnd
auf die Hütte hinauf- und wieder hinunterzuſpringen.

Vor dem Geſindehauſe ſtand ein Wallnußbaum
mit weitem Gezweige. Schach ſtieg ab, ſchlang den
Zügel um den Aſt, und klopfte halblaut an einen der
Fenſterläden. Aber erſt als er das zweite Mal ge¬
pocht hatte, wurd es lebendig drinnen, und er hörte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="152"/>
und von einer &#x017F;chwarzgeteerten Balkenlage durch¬<lb/>
zogener Fachwerkbau, dem er&#x017F;t Schachs Mutter, die<lb/>
&#x201E;ver&#x017F;torbene Gnädige&#x201C;, durch ein Doppeldach, einen<lb/>
Blitzableiter und eine prächtige, nach dem Mu&#x017F;ter von<lb/>
Sans&#x017F;ouci hergerichtete Terra&#x017F;&#x017F;e, das An&#x017F;ehen aller¬<lb/>
nüchtern&#x017F;ter Tagtäglichkeit genommen hatte. Jetzt<lb/>
freilich, unter dem Sternen&#x017F;chein, lag alles da wie<lb/>
das Schloß im Märchen, und Schach hielt öfters<lb/>
an und &#x017F;ah hinauf, augen&#x017F;cheinlich betroffen von der<lb/>
Schönheit des Bildes.</p><lb/>
        <p>Endlich war er oben und ritt auf das Einfahrts¬<lb/>
thor zu, das &#x017F;ich in einem flachen Bogen zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Giebel des Schlo&#x017F;&#x017F;es und einem daneben&#x017F;tehenden<lb/>
Ge&#x017F;indehau&#x017F;e wölbte. Vom Hof her vernahm er im<lb/>
&#x017F;elben Augenblick ein Bellen und Knurren und hörte,<lb/>
wie der Hund wütend aus &#x017F;einer Hütte fuhr und mit<lb/>
&#x017F;einer Kette nach rechts und links hin an der Holz¬<lb/>
wandung umher&#x017F;chrammte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ku&#x017F;ch Dich, Hektor.&#x201C; Und das Tier, die<lb/>
Stimme &#x017F;eines Herrn erkennend, begann jetzt vor<lb/>
Freude zu heulen und zu win&#x017F;eln, und abwech&#x017F;elnd<lb/>
auf die Hütte hinauf- und wieder hinunterzu&#x017F;pringen.</p><lb/>
        <p>Vor dem Ge&#x017F;indehau&#x017F;e &#x017F;tand ein Wallnußbaum<lb/>
mit weitem Gezweige. Schach &#x017F;tieg ab, &#x017F;chlang den<lb/>
Zügel um den A&#x017F;t, und klopfte halblaut an einen der<lb/>
Fen&#x017F;terläden. Aber er&#x017F;t als er das zweite Mal ge¬<lb/>
pocht hatte, wurd es lebendig drinnen, und er hörte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0164] und von einer ſchwarzgeteerten Balkenlage durch¬ zogener Fachwerkbau, dem erſt Schachs Mutter, die „verſtorbene Gnädige“, durch ein Doppeldach, einen Blitzableiter und eine prächtige, nach dem Muſter von Sansſouci hergerichtete Terraſſe, das Anſehen aller¬ nüchternſter Tagtäglichkeit genommen hatte. Jetzt freilich, unter dem Sternenſchein, lag alles da wie das Schloß im Märchen, und Schach hielt öfters an und ſah hinauf, augenſcheinlich betroffen von der Schönheit des Bildes. Endlich war er oben und ritt auf das Einfahrts¬ thor zu, das ſich in einem flachen Bogen zwiſchen dem Giebel des Schloſſes und einem danebenſtehenden Geſindehauſe wölbte. Vom Hof her vernahm er im ſelben Augenblick ein Bellen und Knurren und hörte, wie der Hund wütend aus ſeiner Hütte fuhr und mit ſeiner Kette nach rechts und links hin an der Holz¬ wandung umherſchrammte. „Kuſch Dich, Hektor.“ Und das Tier, die Stimme ſeines Herrn erkennend, begann jetzt vor Freude zu heulen und zu winſeln, und abwechſelnd auf die Hütte hinauf- und wieder hinunterzuſpringen. Vor dem Geſindehauſe ſtand ein Wallnußbaum mit weitem Gezweige. Schach ſtieg ab, ſchlang den Zügel um den Aſt, und klopfte halblaut an einen der Fenſterläden. Aber erſt als er das zweite Mal ge¬ pocht hatte, wurd es lebendig drinnen, und er hörte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/164
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/164>, abgerufen am 25.11.2024.