Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Adler oder den Pour le Merite. Das hier war der
General, der bei Malplaquet die große Redoute nahm,
und das hier war das Bild seines eigenen Gro߬
vaters, des Obersten im Regiment Itzenplitz, der den
Hochkirchner Kirchhof mit 400 Mann eine Stunde
lang gehalten hatte. Schließlich fiel er, zerhauen und
zerschossen, wie alle die, die mit ihm waren. Und
dazwischen hingen die Frauen, einige schön, am schönsten
aber seine Mutter.

Als er wieder in dem Gartensalon war, schlug
es zwölf. Er warf sich in die Sopha-Ecke, legte die
Hand über Aug und Stirn und zählte die Schläge.
"Zwölf. Jetzt bin ich zwölf Stunden hier, und mir
ist als wären es zwölf Jahre. . Wie wird es sein?
Alltags die Kreepschen, und Sonntags Bienengräber
oder der Radenslebensche, was keinen Unterschied macht.
Einer wie der andre. Gute Leute, versteht sich, alle
gut . . Und dann geh ich mit Victoire durch den
Garten, und aus dem Park auf die Wiese, dieselbe
Wiese, die wir vom Schloß aus immer und ewig
und ewig und immer sehn, und auf der der Ampfer
und die Ranunkeln blühn. Und dazwischen spazieren
die Störche. Vielleicht sind wir allein; aber vielleicht
läuft auch ein kleiner Dreijähriger neben uns her und
singt in einem fort: ,Adebaar, Du Bester, bring mir
eine Schwester.' Und meine Schloßherrin errötet und
wünscht sich das Schwesterchen auch. Und endlich

Adler oder den Pour le Merite. Das hier war der
General, der bei Malplaquet die große Redoute nahm,
und das hier war das Bild ſeines eigenen Gro߬
vaters, des Oberſten im Regiment Itzenplitz, der den
Hochkirchner Kirchhof mit 400 Mann eine Stunde
lang gehalten hatte. Schließlich fiel er, zerhauen und
zerſchoſſen, wie alle die, die mit ihm waren. Und
dazwiſchen hingen die Frauen, einige ſchön, am ſchönſten
aber ſeine Mutter.

Als er wieder in dem Gartenſalon war, ſchlug
es zwölf. Er warf ſich in die Sopha-Ecke, legte die
Hand über Aug und Stirn und zählte die Schläge.
„Zwölf. Jetzt bin ich zwölf Stunden hier, und mir
iſt als wären es zwölf Jahre. . Wie wird es ſein?
Alltags die Kreepſchen, und Sonntags Bienengräber
oder der Radenslebenſche, was keinen Unterſchied macht.
Einer wie der andre. Gute Leute, verſteht ſich, alle
gut . . Und dann geh ich mit Victoire durch den
Garten, und aus dem Park auf die Wieſe, dieſelbe
Wieſe, die wir vom Schloß aus immer und ewig
und ewig und immer ſehn, und auf der der Ampfer
und die Ranunkeln blühn. Und dazwiſchen ſpazieren
die Störche. Vielleicht ſind wir allein; aber vielleicht
läuft auch ein kleiner Dreijähriger neben uns her und
ſingt in einem fort: ,Adebaar, Du Beſter, bring mir
eine Schweſter.‘ Und meine Schloßherrin errötet und
wünſcht ſich das Schweſterchen auch. Und endlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="169"/>
Adler oder den Pour le Merite. <hi rendition="#g">Das</hi> hier war der<lb/>
General, der bei Malplaquet die große Redoute nahm,<lb/>
und <hi rendition="#g">das</hi> hier war das Bild &#x017F;eines eigenen Gro߬<lb/>
vaters, des Ober&#x017F;ten im Regiment Itzenplitz, der den<lb/>
Hochkirchner Kirchhof mit 400 Mann eine Stunde<lb/>
lang gehalten hatte. Schließlich fiel er, zerhauen und<lb/>
zer&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, wie alle die, die mit ihm waren. Und<lb/>
dazwi&#x017F;chen hingen die Frauen, einige &#x017F;chön, am &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
aber &#x017F;eine Mutter.</p><lb/>
        <p>Als er wieder in dem Garten&#x017F;alon war, &#x017F;chlug<lb/>
es zwölf. Er warf &#x017F;ich in die Sopha-Ecke, legte die<lb/>
Hand über Aug und Stirn und zählte die Schläge.<lb/>
&#x201E;Zwölf. Jetzt bin ich zwölf Stunden hier, und mir<lb/>
i&#x017F;t als wären es zwölf Jahre. . Wie wird es &#x017F;ein?<lb/>
Alltags die Kreep&#x017F;chen, und Sonntags Bienengräber<lb/>
oder der Radensleben&#x017F;che, was keinen Unter&#x017F;chied macht.<lb/>
Einer wie der andre. Gute Leute, ver&#x017F;teht &#x017F;ich, alle<lb/>
gut . . Und dann geh ich mit Victoire durch den<lb/>
Garten, und aus dem Park auf die Wie&#x017F;e, die&#x017F;elbe<lb/>
Wie&#x017F;e, die wir vom Schloß aus immer und ewig<lb/>
und ewig und immer &#x017F;ehn, und auf der der Ampfer<lb/>
und die Ranunkeln blühn. Und dazwi&#x017F;chen &#x017F;pazieren<lb/>
die Störche. Vielleicht &#x017F;ind wir allein; aber vielleicht<lb/>
läuft auch ein kleiner Dreijähriger neben uns her und<lb/>
&#x017F;ingt in einem fort: ,Adebaar, Du Be&#x017F;ter, bring mir<lb/>
eine Schwe&#x017F;ter.&#x2018; Und meine Schloßherrin errötet und<lb/>
wün&#x017F;cht &#x017F;ich das Schwe&#x017F;terchen <hi rendition="#g">auch</hi>. Und endlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0181] Adler oder den Pour le Merite. Das hier war der General, der bei Malplaquet die große Redoute nahm, und das hier war das Bild ſeines eigenen Gro߬ vaters, des Oberſten im Regiment Itzenplitz, der den Hochkirchner Kirchhof mit 400 Mann eine Stunde lang gehalten hatte. Schließlich fiel er, zerhauen und zerſchoſſen, wie alle die, die mit ihm waren. Und dazwiſchen hingen die Frauen, einige ſchön, am ſchönſten aber ſeine Mutter. Als er wieder in dem Gartenſalon war, ſchlug es zwölf. Er warf ſich in die Sopha-Ecke, legte die Hand über Aug und Stirn und zählte die Schläge. „Zwölf. Jetzt bin ich zwölf Stunden hier, und mir iſt als wären es zwölf Jahre. . Wie wird es ſein? Alltags die Kreepſchen, und Sonntags Bienengräber oder der Radenslebenſche, was keinen Unterſchied macht. Einer wie der andre. Gute Leute, verſteht ſich, alle gut . . Und dann geh ich mit Victoire durch den Garten, und aus dem Park auf die Wieſe, dieſelbe Wieſe, die wir vom Schloß aus immer und ewig und ewig und immer ſehn, und auf der der Ampfer und die Ranunkeln blühn. Und dazwiſchen ſpazieren die Störche. Vielleicht ſind wir allein; aber vielleicht läuft auch ein kleiner Dreijähriger neben uns her und ſingt in einem fort: ,Adebaar, Du Beſter, bring mir eine Schweſter.‘ Und meine Schloßherrin errötet und wünſcht ſich das Schweſterchen auch. Und endlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/181
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/181>, abgerufen am 11.05.2024.