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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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wir denn, daß die Sache vorläufig ad acta verwiesen
ist. Die Königin ist chagriniert, und an diesem Aller¬
höchsten Chagrin müssen wir uns vorläufig genügen
lassen. Neue Zeit und alte Vorurteile."

"Lieber Kapellmeister," sagte Bülow, "ich sehe zu
meinem Bedauern, daß Ihre Reflexionen Ihren
Empfindungen weit vorauf sind. Übrigens ist das
das Allgemeine. Sie sprechen von Vorurteilen, in
denen wir stecken, und stecken selber drin. Sie, samt
ihrem ganzen Bürgertum, das keinen neuen freien
Gesellschaftszustand schaffen, sondern sich nur eitel und
eifersüchtig in die bevorzugten alten Klassen einreihen
will. Aber damit schaffen Sies nicht. An die Stelle
der Eifersüchtelei, die jetzt das Herz unsres dritten
Standes verzehrt, muß eine Gleichgiltigkeit gegen alle
diese Kindereien treten, die sich einfach überlebt haben.
Wer Gespenster wirklich ignoriert, für den giebt es
keine mehr, und wer Orden ingnoriert, der arbeitet an
ihrer Ausrottung. Und dadurch an Ausrottung einer
wahren Epidemie . ."

"Wie Herr von Bülow umgekehrt an Errichtung
eines neuen Königreichs Utopien arbeitet," unterbrach
Sander. "Ich meinerseits nehme vorläufig an, daß
die Krankheit, von der er spricht, in der Richtung von
Osten nach Westen immer weiter wachsen, aber nicht
umgekehrt in der Richtung von Westen nach Osten
hin absterben wird. Im Geiste seh ich vielmehr

wir denn, daß die Sache vorläufig ad acta verwieſen
iſt. Die Königin iſt chagriniert, und an dieſem Aller¬
höchſten Chagrin müſſen wir uns vorläufig genügen
laſſen. Neue Zeit und alte Vorurteile.“

„Lieber Kapellmeiſter,“ ſagte Bülow, „ich ſehe zu
meinem Bedauern, daß Ihre Reflexionen Ihren
Empfindungen weit vorauf ſind. Übrigens iſt das
das Allgemeine. Sie ſprechen von Vorurteilen, in
denen wir ſtecken, und ſtecken ſelber drin. Sie, ſamt
ihrem ganzen Bürgertum, das keinen neuen freien
Geſellſchaftszuſtand ſchaffen, ſondern ſich nur eitel und
eiferſüchtig in die bevorzugten alten Klaſſen einreihen
will. Aber damit ſchaffen Sies nicht. An die Stelle
der Eiferſüchtelei, die jetzt das Herz unſres dritten
Standes verzehrt, muß eine Gleichgiltigkeit gegen alle
dieſe Kindereien treten, die ſich einfach überlebt haben.
Wer Geſpenſter wirklich ignoriert, für den giebt es
keine mehr, und wer Orden ingnoriert, der arbeitet an
ihrer Ausrottung. Und dadurch an Ausrottung einer
wahren Epidemie . .“

„Wie Herr von Bülow umgekehrt an Errichtung
eines neuen Königreichs Utopien arbeitet,“ unterbrach
Sander. „Ich meinerſeits nehme vorläufig an, daß
die Krankheit, von der er ſpricht, in der Richtung von
Oſten nach Weſten immer weiter wachſen, aber nicht
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[85/0097] wir denn, daß die Sache vorläufig ad acta verwieſen iſt. Die Königin iſt chagriniert, und an dieſem Aller¬ höchſten Chagrin müſſen wir uns vorläufig genügen laſſen. Neue Zeit und alte Vorurteile.“ „Lieber Kapellmeiſter,“ ſagte Bülow, „ich ſehe zu meinem Bedauern, daß Ihre Reflexionen Ihren Empfindungen weit vorauf ſind. Übrigens iſt das das Allgemeine. Sie ſprechen von Vorurteilen, in denen wir ſtecken, und ſtecken ſelber drin. Sie, ſamt ihrem ganzen Bürgertum, das keinen neuen freien Geſellſchaftszuſtand ſchaffen, ſondern ſich nur eitel und eiferſüchtig in die bevorzugten alten Klaſſen einreihen will. Aber damit ſchaffen Sies nicht. An die Stelle der Eiferſüchtelei, die jetzt das Herz unſres dritten Standes verzehrt, muß eine Gleichgiltigkeit gegen alle dieſe Kindereien treten, die ſich einfach überlebt haben. Wer Geſpenſter wirklich ignoriert, für den giebt es keine mehr, und wer Orden ingnoriert, der arbeitet an ihrer Ausrottung. Und dadurch an Ausrottung einer wahren Epidemie . .“ „Wie Herr von Bülow umgekehrt an Errichtung eines neuen Königreichs Utopien arbeitet,“ unterbrach Sander. „Ich meinerſeits nehme vorläufig an, daß die Krankheit, von der er ſpricht, in der Richtung von Oſten nach Weſten immer weiter wachſen, aber nicht umgekehrt in der Richtung von Weſten nach Oſten hin abſterben wird. Im Geiſte ſeh ich vielmehr

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/97>, abgerufen am 22.11.2024.