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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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mir noch gegenwärtig. In fast jedem meiner damaligen Gedichte schien der Mond unentwegt und so hieß es denn gleich im Anfang: "Unser Lieber und Getreuer, geboren zu Neu-Ruppin bei Mond-schein etc." Hinsichtlich des Ordens aber wurde mir in feierlicher Ansprache geraten, ihn heimlich zu tragen, da sich der Verein, trotz seines weitreichenden Einflusses, außer Stand sehe, den damit öffentlich Auftretenden vor Unannehmlichkeiten zu schützen. Dieser Orden war natürlich ein Cotillonorden, in dessen Mitte sich ein auf seinem Wagen stehender Apoll befand. Man war an dem Ueberreichungsabend sehr liebenswürdig gegen mich, ließ mich aber doch fühlen, daß ich meine Siege mehr meinem Massenaufgebot, als dem Wert meiner Dichtungen zu verdanken hätte.

Dies alles war leider absolut richtig, und wurde mir einige Wochen später nicht mehr bloß andeutungsweise, sondern in aller Deutlichkeit gesagt, was bei der Gutgeartetheit der Meisten unter uns vielleicht unterblieben wäre, wenn nicht inzwischen das Hauptmitglied des Vereins, das den Winter über in der Schweiz und in Frankreich gewesen war, sich im Monat April in Berlin wieder eingefunden hätte.

Dies Hauptmitglied hieß Egbert Hanisch. Egbert Hanisch mochte damals zweiundzwanzig Jahr

mir noch gegenwärtig. In fast jedem meiner damaligen Gedichte schien der Mond unentwegt und so hieß es denn gleich im Anfang: „Unser Lieber und Getreuer, geboren zu Neu-Ruppin bei Mond-schein etc.“ Hinsichtlich des Ordens aber wurde mir in feierlicher Ansprache geraten, ihn heimlich zu tragen, da sich der Verein, trotz seines weitreichenden Einflusses, außer Stand sehe, den damit öffentlich Auftretenden vor Unannehmlichkeiten zu schützen. Dieser Orden war natürlich ein Cotillonorden, in dessen Mitte sich ein auf seinem Wagen stehender Apoll befand. Man war an dem Ueberreichungsabend sehr liebenswürdig gegen mich, ließ mich aber doch fühlen, daß ich meine Siege mehr meinem Massenaufgebot, als dem Wert meiner Dichtungen zu verdanken hätte.

Dies alles war leider absolut richtig, und wurde mir einige Wochen später nicht mehr bloß andeutungsweise, sondern in aller Deutlichkeit gesagt, was bei der Gutgeartetheit der Meisten unter uns vielleicht unterblieben wäre, wenn nicht inzwischen das Hauptmitglied des Vereins, das den Winter über in der Schweiz und in Frankreich gewesen war, sich im Monat April in Berlin wieder eingefunden hätte.

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[94/0103] mir noch gegenwärtig. In fast jedem meiner damaligen Gedichte schien der Mond unentwegt und so hieß es denn gleich im Anfang: „Unser Lieber und Getreuer, geboren zu Neu-Ruppin bei Mond-schein etc.“ Hinsichtlich des Ordens aber wurde mir in feierlicher Ansprache geraten, ihn heimlich zu tragen, da sich der Verein, trotz seines weitreichenden Einflusses, außer Stand sehe, den damit öffentlich Auftretenden vor Unannehmlichkeiten zu schützen. Dieser Orden war natürlich ein Cotillonorden, in dessen Mitte sich ein auf seinem Wagen stehender Apoll befand. Man war an dem Ueberreichungsabend sehr liebenswürdig gegen mich, ließ mich aber doch fühlen, daß ich meine Siege mehr meinem Massenaufgebot, als dem Wert meiner Dichtungen zu verdanken hätte. Dies alles war leider absolut richtig, und wurde mir einige Wochen später nicht mehr bloß andeutungsweise, sondern in aller Deutlichkeit gesagt, was bei der Gutgeartetheit der Meisten unter uns vielleicht unterblieben wäre, wenn nicht inzwischen das Hauptmitglied des Vereins, das den Winter über in der Schweiz und in Frankreich gewesen war, sich im Monat April in Berlin wieder eingefunden hätte. Dies Hauptmitglied hieß Egbert Hanisch. Egbert Hanisch mochte damals zweiundzwanzig Jahr

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/103>, abgerufen am 17.05.2024.