Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

heraus, sondern auch in die weite Welt hineingeführt, niemand wußte recht von wem geleitet. In den Sitzungen war oft die Rede von ihm gewesen; jetzt mit einem Male, hieß es: "er hat geschrieben; er kommt."

Und wirklich er kam. Die lebhafteste Freude zeigte sich, denn er war nicht bloß der Stolz, sondern auch der Liebling aller. Er begrüßte mich als neu aufgenommenes Mitglied durchaus freundlich, aber doch mit einem starken Beisatz von Herablassung und setzte sich dann auf seinen Ehrenplatz, um über seine Reise zu berichten. Von Ziel und Zweck derselben aber sprach er nicht, immer nur von kleinen Erlebnissen, unter denen er die komischen bevorzugte.

Wie jeder, so war auch ich ganz Ohr, noch mehr aber war ich Auge. Denn viel, viel mehr noch als das, was ich hörte, interessierte mich das, was ich sah. Seine Erscheinung hatte 'was ungemein Fesselndes. Er war mittelgroß, schlank, beinah mager, was einem dadurch besonders auffiel, daß auf seinen Schultern ein unverhältnismäßig großer Kopf saß. Gesundeste Farbe, leuchtende Augen, dazu wolliges, halb mohrenhaftes Haar, - all das wäre genug gewesen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Aber mehr noch wirkte sein Kostüm! Er trug Nanking-Beinkleider, einen zeisiggrünen Frack mit altem Sammet-

heraus, sondern auch in die weite Welt hineingeführt, niemand wußte recht von wem geleitet. In den Sitzungen war oft die Rede von ihm gewesen; jetzt mit einem Male, hieß es: „er hat geschrieben; er kommt.“

Und wirklich er kam. Die lebhafteste Freude zeigte sich, denn er war nicht bloß der Stolz, sondern auch der Liebling aller. Er begrüßte mich als neu aufgenommenes Mitglied durchaus freundlich, aber doch mit einem starken Beisatz von Herablassung und setzte sich dann auf seinen Ehrenplatz, um über seine Reise zu berichten. Von Ziel und Zweck derselben aber sprach er nicht, immer nur von kleinen Erlebnissen, unter denen er die komischen bevorzugte.

Wie jeder, so war auch ich ganz Ohr, noch mehr aber war ich Auge. Denn viel, viel mehr noch als das, was ich hörte, interessierte mich das, was ich sah. Seine Erscheinung hatte ’was ungemein Fesselndes. Er war mittelgroß, schlank, beinah mager, was einem dadurch besonders auffiel, daß auf seinen Schultern ein unverhältnismäßig großer Kopf saß. Gesundeste Farbe, leuchtende Augen, dazu wolliges, halb mohrenhaftes Haar, – all das wäre genug gewesen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Aber mehr noch wirkte sein Kostüm! Er trug Nanking-Beinkleider, einen zeisiggrünen Frack mit altem Sammet-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="96"/>
heraus, sondern auch in die weite Welt hineingeführt, niemand wußte recht von wem geleitet. In den Sitzungen war oft die Rede von ihm gewesen; jetzt mit einem Male, hieß es: &#x201E;er hat geschrieben; er kommt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Und wirklich er kam. Die lebhafteste Freude zeigte sich, denn er war nicht bloß der Stolz, sondern auch der Liebling aller. Er begrüßte mich als neu aufgenommenes Mitglied durchaus freundlich, aber doch mit einem starken Beisatz von Herablassung und setzte sich dann auf seinen Ehrenplatz, um über seine Reise zu berichten. Von Ziel und Zweck derselben aber sprach er <hi rendition="#g">nicht</hi>, immer nur von kleinen Erlebnissen, unter denen er die komischen bevorzugte.</p><lb/>
          <p>Wie jeder, so war auch ich ganz Ohr, noch mehr aber war ich Auge. Denn viel, viel mehr noch als das, was ich hörte, interessierte mich das, was ich sah. Seine Erscheinung hatte &#x2019;was ungemein Fesselndes. Er war mittelgroß, schlank, beinah mager, was einem dadurch besonders auffiel, daß auf seinen Schultern ein unverhältnismäßig großer Kopf saß. Gesundeste Farbe, leuchtende Augen, dazu wolliges, halb mohrenhaftes Haar, &#x2013; all das wäre genug gewesen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Aber mehr noch wirkte sein Kostüm! Er trug Nanking-Beinkleider, einen zeisiggrünen Frack mit altem Sammet-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0105] heraus, sondern auch in die weite Welt hineingeführt, niemand wußte recht von wem geleitet. In den Sitzungen war oft die Rede von ihm gewesen; jetzt mit einem Male, hieß es: „er hat geschrieben; er kommt.“ Und wirklich er kam. Die lebhafteste Freude zeigte sich, denn er war nicht bloß der Stolz, sondern auch der Liebling aller. Er begrüßte mich als neu aufgenommenes Mitglied durchaus freundlich, aber doch mit einem starken Beisatz von Herablassung und setzte sich dann auf seinen Ehrenplatz, um über seine Reise zu berichten. Von Ziel und Zweck derselben aber sprach er nicht, immer nur von kleinen Erlebnissen, unter denen er die komischen bevorzugte. Wie jeder, so war auch ich ganz Ohr, noch mehr aber war ich Auge. Denn viel, viel mehr noch als das, was ich hörte, interessierte mich das, was ich sah. Seine Erscheinung hatte ’was ungemein Fesselndes. Er war mittelgroß, schlank, beinah mager, was einem dadurch besonders auffiel, daß auf seinen Schultern ein unverhältnismäßig großer Kopf saß. Gesundeste Farbe, leuchtende Augen, dazu wolliges, halb mohrenhaftes Haar, – all das wäre genug gewesen, um Aufmerksamkeit zu wecken. Aber mehr noch wirkte sein Kostüm! Er trug Nanking-Beinkleider, einen zeisiggrünen Frack mit altem Sammet-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/105
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/105>, abgerufen am 17.05.2024.