Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Man begegnete mir sehr artig, freilich auch mit Zurückhaltung, fast Soupcon, denn der jetzt Gott sei Dank leidlich hingeschwundene Gegensatz zwischen den beiden Nachbarstämmen stand damals noch in voller Blüte. Meine neuen Kollegen merkten indessen sehr bald, daß ich nicht zu den Schlimmen zählte, namentlich nicht besserwisserig und eingebildet war und so kamen wir schließlich auf einen ganz guten Fuß. Das Jahr, während dessen ich in Leipzig verblieb, ist ohne jede Rancüne verlaufen und ich will hier gleich einschalten, daß ich, durch einen hübschen Zufall, grad' als ich diese Leipziger Erinnerungen niederzuschreiben anfing, einen Brief mit photographischem Bildnis aus Dresden erhielt und der Widmung: "Seinem lieben Jugendfreunde Th. Fontane". Den der Sendung beigeschlossenen, von "Platz Nummer vier" herrührenden Zeilen konnt ich zu meiner besonderen Freude entnehmen, daß auch "Platz Nummer drei" noch am Leben und durchaus munter sei. Nicht leicht wird es vorkommen, daß drei junge Leute, die mit einundzwanzig an einem und demselben Tisch gestanden und gearbeitet haben, sich mit fünfundsiebzig noch freundlich und fidel begrüßen können. Ich war noch kaum installiert, als ich von einem schon im Hofflügel gelegenen Hinterzimmer her meinen Gönner und nunmehrigen Prinzipal Neubert in unser Man begegnete mir sehr artig, freilich auch mit Zurückhaltung, fast Soupçon, denn der jetzt Gott sei Dank leidlich hingeschwundene Gegensatz zwischen den beiden Nachbarstämmen stand damals noch in voller Blüte. Meine neuen Kollegen merkten indessen sehr bald, daß ich nicht zu den Schlimmen zählte, namentlich nicht besserwisserig und eingebildet war und so kamen wir schließlich auf einen ganz guten Fuß. Das Jahr, während dessen ich in Leipzig verblieb, ist ohne jede Rancüne verlaufen und ich will hier gleich einschalten, daß ich, durch einen hübschen Zufall, grad’ als ich diese Leipziger Erinnerungen niederzuschreiben anfing, einen Brief mit photographischem Bildnis aus Dresden erhielt und der Widmung: „Seinem lieben Jugendfreunde Th. Fontane“. Den der Sendung beigeschlossenen, von „Platz Nummer vier“ herrührenden Zeilen konnt ich zu meiner besonderen Freude entnehmen, daß auch „Platz Nummer drei“ noch am Leben und durchaus munter sei. Nicht leicht wird es vorkommen, daß drei junge Leute, die mit einundzwanzig an einem und demselben Tisch gestanden und gearbeitet haben, sich mit fünfundsiebzig noch freundlich und fidel begrüßen können. Ich war noch kaum installiert, als ich von einem schon im Hofflügel gelegenen Hinterzimmer her meinen Gönner und nunmehrigen Prinzipal Neubert in unser <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0126" n="117"/> Man begegnete mir sehr artig, freilich auch mit Zurückhaltung, fast Soupçon, denn der jetzt Gott sei Dank leidlich hingeschwundene Gegensatz zwischen den beiden Nachbarstämmen stand damals noch in voller Blüte. Meine neuen Kollegen merkten indessen sehr bald, daß ich nicht zu den Schlimmen zählte, namentlich nicht besserwisserig und eingebildet war und so kamen wir schließlich auf einen ganz guten Fuß. Das Jahr, während dessen ich in Leipzig verblieb, ist ohne jede Rancüne verlaufen und ich will hier gleich einschalten, daß ich, durch einen hübschen Zufall, grad’ als ich diese Leipziger Erinnerungen niederzuschreiben anfing, einen Brief mit photographischem Bildnis aus Dresden erhielt und der Widmung: „Seinem lieben Jugendfreunde Th. Fontane“. Den der Sendung beigeschlossenen, von „Platz Nummer vier“ herrührenden Zeilen konnt ich zu meiner besonderen Freude entnehmen, daß auch „Platz Nummer drei“ noch am Leben und durchaus munter sei. Nicht leicht wird es vorkommen, daß drei junge Leute, die mit einundzwanzig an einem und demselben Tisch gestanden und gearbeitet haben, sich mit fünfundsiebzig noch freundlich und fidel begrüßen können.</p><lb/> <p>Ich war noch kaum installiert, als ich von einem schon im Hofflügel gelegenen Hinterzimmer her meinen Gönner und nunmehrigen Prinzipal Neubert in unser<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0126]
Man begegnete mir sehr artig, freilich auch mit Zurückhaltung, fast Soupçon, denn der jetzt Gott sei Dank leidlich hingeschwundene Gegensatz zwischen den beiden Nachbarstämmen stand damals noch in voller Blüte. Meine neuen Kollegen merkten indessen sehr bald, daß ich nicht zu den Schlimmen zählte, namentlich nicht besserwisserig und eingebildet war und so kamen wir schließlich auf einen ganz guten Fuß. Das Jahr, während dessen ich in Leipzig verblieb, ist ohne jede Rancüne verlaufen und ich will hier gleich einschalten, daß ich, durch einen hübschen Zufall, grad’ als ich diese Leipziger Erinnerungen niederzuschreiben anfing, einen Brief mit photographischem Bildnis aus Dresden erhielt und der Widmung: „Seinem lieben Jugendfreunde Th. Fontane“. Den der Sendung beigeschlossenen, von „Platz Nummer vier“ herrührenden Zeilen konnt ich zu meiner besonderen Freude entnehmen, daß auch „Platz Nummer drei“ noch am Leben und durchaus munter sei. Nicht leicht wird es vorkommen, daß drei junge Leute, die mit einundzwanzig an einem und demselben Tisch gestanden und gearbeitet haben, sich mit fünfundsiebzig noch freundlich und fidel begrüßen können.
Ich war noch kaum installiert, als ich von einem schon im Hofflügel gelegenen Hinterzimmer her meinen Gönner und nunmehrigen Prinzipal Neubert in unser
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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