Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.unterlaufenen Augen, verriet in der That wenig Gutes. Aber wie das so geht, aus mir unbekannt gebliebenen Gründen, war er sehr nett, ja geradezu gemütlich. Er nahm zunächst aus einem großen Wandschrank ein Herbarium und ein paar Kästchen mit Steinen heraus und stellte, während er die Herbariumblätter aufschlug, seine Fragen. Eine jede klang, wie wenn er sagen wollte: "Sehe schon, du weißt nichts; ich weiß aber auch nichts und es ist auch ganz gleichgültig." Kurzum, nach kaum zwanzig Minuten war ich in Gnaden entlassen und erhielt nur noch kurz die Weisung, mir am andern Tage mein Zeugnis abzuholen. Damit schieden wir. Als ich wieder unten war, atmete ich auf und sah nach der Uhr. Es war erst vier. Das war mir viel zu früh, um schon wieder direkt nach Hause zu gehn und da mich der von mir einzuschlagende Weg an dem Hause der d'Heureuseschen Konditorei vorüberführte, drin - was ich aber damals noch nicht wußte - hundertundfünfzig Jahre früher der alte Derfflinger gewohnt hatte, so beschloß ich bei d'Heureuse einzutreten und den "Berliner Figaro", mein Leib- und Magenblatt, zu lesen, darin ich als Lyriker und Balladier schon verschiedentlich aufgetreten war. Eine spezielle Hoffnung kam an diesem denkwürdigen unterlaufenen Augen, verriet in der That wenig Gutes. Aber wie das so geht, aus mir unbekannt gebliebenen Gründen, war er sehr nett, ja geradezu gemütlich. Er nahm zunächst aus einem großen Wandschrank ein Herbarium und ein paar Kästchen mit Steinen heraus und stellte, während er die Herbariumblätter aufschlug, seine Fragen. Eine jede klang, wie wenn er sagen wollte: „Sehe schon, du weißt nichts; ich weiß aber auch nichts und es ist auch ganz gleichgültig.“ Kurzum, nach kaum zwanzig Minuten war ich in Gnaden entlassen und erhielt nur noch kurz die Weisung, mir am andern Tage mein Zeugnis abzuholen. Damit schieden wir. Als ich wieder unten war, atmete ich auf und sah nach der Uhr. Es war erst vier. Das war mir viel zu früh, um schon wieder direkt nach Hause zu gehn und da mich der von mir einzuschlagende Weg an dem Hause der d’Heureuseschen Konditorei vorüberführte, drin – was ich aber damals noch nicht wußte – hundertundfünfzig Jahre früher der alte Derfflinger gewohnt hatte, so beschloß ich bei d’Heureuse einzutreten und den „Berliner Figaro“, mein Leib- und Magenblatt, zu lesen, darin ich als Lyriker und Balladier schon verschiedentlich aufgetreten war. Eine spezielle Hoffnung kam an diesem denkwürdigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0014" n="5"/> unterlaufenen Augen, verriet in der That wenig Gutes. Aber wie das so geht, aus mir unbekannt gebliebenen Gründen, war er sehr nett, ja geradezu gemütlich. Er nahm zunächst aus einem großen Wandschrank ein Herbarium und ein paar Kästchen mit Steinen heraus und stellte, während er die Herbariumblätter aufschlug, seine Fragen. Eine jede klang, wie wenn er sagen wollte: „Sehe schon, du weißt nichts; ich weiß aber auch nichts und es ist auch ganz gleichgültig.“ Kurzum, nach kaum zwanzig Minuten war ich in Gnaden entlassen und erhielt nur noch kurz die Weisung, mir am andern Tage mein Zeugnis abzuholen. Damit schieden wir.</p><lb/> <p>Als ich wieder unten war, atmete ich auf und sah nach der Uhr. Es war erst vier. Das war mir viel zu früh, um schon wieder direkt nach Hause zu gehn und da mich der von mir einzuschlagende Weg an dem Hause der d’Heureuseschen Konditorei vorüberführte, drin – was ich aber damals noch nicht wußte – hundertundfünfzig Jahre früher der alte Derfflinger gewohnt hatte, so beschloß ich bei d’Heureuse einzutreten und den „Berliner Figaro“, mein Leib- und Magenblatt, zu lesen, darin ich als Lyriker und Balladier schon verschiedentlich aufgetreten war. Eine spezielle Hoffnung kam an diesem denkwürdigen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0014]
unterlaufenen Augen, verriet in der That wenig Gutes. Aber wie das so geht, aus mir unbekannt gebliebenen Gründen, war er sehr nett, ja geradezu gemütlich. Er nahm zunächst aus einem großen Wandschrank ein Herbarium und ein paar Kästchen mit Steinen heraus und stellte, während er die Herbariumblätter aufschlug, seine Fragen. Eine jede klang, wie wenn er sagen wollte: „Sehe schon, du weißt nichts; ich weiß aber auch nichts und es ist auch ganz gleichgültig.“ Kurzum, nach kaum zwanzig Minuten war ich in Gnaden entlassen und erhielt nur noch kurz die Weisung, mir am andern Tage mein Zeugnis abzuholen. Damit schieden wir.
Als ich wieder unten war, atmete ich auf und sah nach der Uhr. Es war erst vier. Das war mir viel zu früh, um schon wieder direkt nach Hause zu gehn und da mich der von mir einzuschlagende Weg an dem Hause der d’Heureuseschen Konditorei vorüberführte, drin – was ich aber damals noch nicht wußte – hundertundfünfzig Jahre früher der alte Derfflinger gewohnt hatte, so beschloß ich bei d’Heureuse einzutreten und den „Berliner Figaro“, mein Leib- und Magenblatt, zu lesen, darin ich als Lyriker und Balladier schon verschiedentlich aufgetreten war. Eine spezielle Hoffnung kam an diesem denkwürdigen
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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