Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Heil. Ganz kurze Zeit, nachdem er das in Lüften schwebende Zimmer mit mir bewohnt hatte, hörte ich von seinem tragischen Ausgang. Er hatte sich irgendwo zum Gastspiel gemeldet und war in dem Lokalblatt der kleinen Stadt ridikülisiert worden. Er mochte sein Leben ohnehin satt haben. Diese Kritik gab den Ausschlag und er erschoß sich. Ein Andrer, der mein Zimmer vorübergehend mit mir theilte, kam im Gegensatz zu diesem Unglücklichen zu hohen Jahren. Es war auch ein Verwandter, aber nicht von der Tante, sondern von des Onkels Seite her. Sein eigentümlicher Lebensgang hat ihn vielen Tausenden bekannt gemacht. Es war dies der Maler Heinrich Gaetke. Mit etwa 18 Jahren war er aus seiner Priegnitzer Heimat nach Berlin gekommen und in das Geschäft meines Onkels eingetreten. Er sollte Kaufmann werden. Aber im Verkehr mit den Malern kam ihm, der talentiert für alles war, alsbald die Lust auch Maler zu werden. Er wurde Schüler von Blechen - wenigstens lebte was von diesem in seinen Landschaften - und um diese Zeit sah ich ihn häufiger auf Besuch in meines Onkels Hause. Bald danach ging er nach Helgoland, um, wie vorher Landschaften, so jetzt Seestücke zu malen. Kein Zweifel, daß auch das ihm glückte. Zugleich aber Heil. Ganz kurze Zeit, nachdem er das in Lüften schwebende Zimmer mit mir bewohnt hatte, hörte ich von seinem tragischen Ausgang. Er hatte sich irgendwo zum Gastspiel gemeldet und war in dem Lokalblatt der kleinen Stadt ridikülisiert worden. Er mochte sein Leben ohnehin satt haben. Diese Kritik gab den Ausschlag und er erschoß sich. Ein Andrer, der mein Zimmer vorübergehend mit mir theilte, kam im Gegensatz zu diesem Unglücklichen zu hohen Jahren. Es war auch ein Verwandter, aber nicht von der Tante, sondern von des Onkels Seite her. Sein eigentümlicher Lebensgang hat ihn vielen Tausenden bekannt gemacht. Es war dies der Maler Heinrich Gaetke. Mit etwa 18 Jahren war er aus seiner Priegnitzer Heimat nach Berlin gekommen und in das Geschäft meines Onkels eingetreten. Er sollte Kaufmann werden. Aber im Verkehr mit den Malern kam ihm, der talentiert für alles war, alsbald die Lust auch Maler zu werden. Er wurde Schüler von Blechen – wenigstens lebte was von diesem in seinen Landschaften – und um diese Zeit sah ich ihn häufiger auf Besuch in meines Onkels Hause. Bald danach ging er nach Helgoland, um, wie vorher Landschaften, so jetzt Seestücke zu malen. Kein Zweifel, daß auch das ihm glückte. Zugleich aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0192" n="183"/> Heil. Ganz kurze Zeit, nachdem er das in Lüften schwebende Zimmer mit mir bewohnt hatte, hörte ich von seinem tragischen Ausgang. Er hatte sich irgendwo zum Gastspiel gemeldet und war in dem Lokalblatt der kleinen Stadt ridikülisiert worden. Er mochte sein Leben ohnehin satt haben. Diese Kritik gab den Ausschlag und er erschoß sich.</p><lb/> <p>Ein Andrer, der mein Zimmer vorübergehend mit mir theilte, kam im Gegensatz zu diesem Unglücklichen zu hohen Jahren. Es war auch ein Verwandter, aber nicht von der Tante, sondern von des Onkels Seite her. Sein eigentümlicher Lebensgang hat ihn vielen Tausenden bekannt gemacht. Es war dies der Maler <hi rendition="#g">Heinrich Gaetke</hi>. Mit etwa 18 Jahren war er aus seiner Priegnitzer Heimat nach Berlin gekommen und in das Geschäft meines Onkels eingetreten. Er sollte Kaufmann werden. Aber im Verkehr mit den Malern kam ihm, der talentiert für alles war, alsbald die Lust auch Maler zu werden. Er wurde Schüler von Blechen – <choice><sic>wenigsten</sic><corr>wenigstens</corr></choice> lebte was von diesem in seinen Landschaften – und um diese Zeit sah ich ihn häufiger auf Besuch in meines Onkels Hause. Bald danach ging er nach Helgoland, um, wie vorher Landschaften, so jetzt Seestücke zu malen. Kein Zweifel, daß auch das ihm glückte. Zugleich aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0192]
Heil. Ganz kurze Zeit, nachdem er das in Lüften schwebende Zimmer mit mir bewohnt hatte, hörte ich von seinem tragischen Ausgang. Er hatte sich irgendwo zum Gastspiel gemeldet und war in dem Lokalblatt der kleinen Stadt ridikülisiert worden. Er mochte sein Leben ohnehin satt haben. Diese Kritik gab den Ausschlag und er erschoß sich.
Ein Andrer, der mein Zimmer vorübergehend mit mir theilte, kam im Gegensatz zu diesem Unglücklichen zu hohen Jahren. Es war auch ein Verwandter, aber nicht von der Tante, sondern von des Onkels Seite her. Sein eigentümlicher Lebensgang hat ihn vielen Tausenden bekannt gemacht. Es war dies der Maler Heinrich Gaetke. Mit etwa 18 Jahren war er aus seiner Priegnitzer Heimat nach Berlin gekommen und in das Geschäft meines Onkels eingetreten. Er sollte Kaufmann werden. Aber im Verkehr mit den Malern kam ihm, der talentiert für alles war, alsbald die Lust auch Maler zu werden. Er wurde Schüler von Blechen – wenigstens lebte was von diesem in seinen Landschaften – und um diese Zeit sah ich ihn häufiger auf Besuch in meines Onkels Hause. Bald danach ging er nach Helgoland, um, wie vorher Landschaften, so jetzt Seestücke zu malen. Kein Zweifel, daß auch das ihm glückte. Zugleich aber
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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