Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.wenn sie diesen Beweis führen, haben sie etwas Strahlendes. In diese Gruppe gehörte nun auch unser Wilhelm Rose, der, während er glaubte mit der längsten Elle gemessen werden zu können, doch schon bei gewöhnlichster Zollmessung zu kurz gekommen wäre. Vier und ein halbes Jahr lang hab ich ihm in die Karten sehen können. Er war der Mann der ewigen sittlichen Entrüstung und doch wenn beispielsweise feinere, also auch kostspieligere Droguen, an deren Beschaffenheit etwas hing, zu Kauf standen - ich mag hier keine Details geben -, so wurde daran nicht selten gespart, gespart also an Dingen, an denen schlechterdings nicht gespart werden durfte. Dann war er freilich auf zwölf Stunden hin in einer kleinen Verlegenheit. Aber es war nicht die richtige. Er genierte sich bloß, weil er an die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines Kontroliertsein's dachte. Daß unser Wilhelm Rose nebenher auch den zweiten großen Bourgeoiszug hatte: den, alles, was von ihm ausging oder ihm zugehörte, gründlich zu bewundern, versteht sich von selbst; seine Apotheke war die berühmteste, sein Laboratorium war das schönste, seine Gehülfen und Lehrlinge waren die besten oder doch wenigstens durch sein Verdienst am besten untergebracht und seine wenn sie diesen Beweis führen, haben sie etwas Strahlendes. In diese Gruppe gehörte nun auch unser Wilhelm Rose, der, während er glaubte mit der längsten Elle gemessen werden zu können, doch schon bei gewöhnlichster Zollmessung zu kurz gekommen wäre. Vier und ein halbes Jahr lang hab ich ihm in die Karten sehen können. Er war der Mann der ewigen sittlichen Entrüstung und doch wenn beispielsweise feinere, also auch kostspieligere Droguen, an deren Beschaffenheit etwas hing, zu Kauf standen – ich mag hier keine Details geben –, so wurde daran nicht selten gespart, gespart also an Dingen, an denen schlechterdings nicht gespart werden durfte. Dann war er freilich auf zwölf Stunden hin in einer kleinen Verlegenheit. Aber es war nicht die richtige. Er genierte sich bloß, weil er an die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines Kontroliertsein’s dachte. Daß unser Wilhelm Rose nebenher auch den zweiten großen Bourgeoiszug hatte: den, alles, was von ihm ausging oder ihm zugehörte, gründlich zu bewundern, versteht sich von selbst; seine Apotheke war die berühmteste, sein Laboratorium war das schönste, seine Gehülfen und Lehrlinge waren die besten oder doch wenigstens durch sein Verdienst am besten untergebracht und seine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="13"/> wenn sie diesen Beweis führen, haben sie etwas Strahlendes.</p><lb/> <p>In diese Gruppe gehörte nun auch unser Wilhelm Rose, der, während er glaubte mit der längsten Elle gemessen werden zu können, doch schon bei gewöhnlichster Zollmessung zu kurz gekommen wäre. Vier und ein halbes Jahr lang hab ich ihm in die Karten sehen können. Er war der Mann der ewigen sittlichen Entrüstung und doch wenn beispielsweise <hi rendition="#g">feinere</hi>, also auch kostspieligere Droguen, an deren Beschaffenheit etwas hing, zu Kauf standen – ich mag hier keine Details geben –, so wurde daran nicht selten gespart, gespart also an Dingen, an denen schlechterdings nicht gespart werden durfte. Dann war er freilich auf zwölf Stunden hin in einer kleinen Verlegenheit. Aber es war nicht die richtige. Er genierte sich bloß, weil er an die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines Kontroliertsein’s dachte.</p><lb/> <p>Daß unser Wilhelm Rose nebenher auch den <hi rendition="#g">zweiten</hi> großen Bourgeoiszug hatte: <hi rendition="#g">den</hi>, alles, was von ihm ausging oder ihm zugehörte, gründlich zu bewundern, versteht sich von selbst; <hi rendition="#g">seine</hi> Apotheke war die berühmteste, <hi rendition="#g">sein</hi> Laboratorium war das schönste, <hi rendition="#g">seine</hi> Gehülfen und Lehrlinge waren die besten oder doch wenigstens durch sein Verdienst am besten untergebracht und <hi rendition="#g">seine</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0022]
wenn sie diesen Beweis führen, haben sie etwas Strahlendes.
In diese Gruppe gehörte nun auch unser Wilhelm Rose, der, während er glaubte mit der längsten Elle gemessen werden zu können, doch schon bei gewöhnlichster Zollmessung zu kurz gekommen wäre. Vier und ein halbes Jahr lang hab ich ihm in die Karten sehen können. Er war der Mann der ewigen sittlichen Entrüstung und doch wenn beispielsweise feinere, also auch kostspieligere Droguen, an deren Beschaffenheit etwas hing, zu Kauf standen – ich mag hier keine Details geben –, so wurde daran nicht selten gespart, gespart also an Dingen, an denen schlechterdings nicht gespart werden durfte. Dann war er freilich auf zwölf Stunden hin in einer kleinen Verlegenheit. Aber es war nicht die richtige. Er genierte sich bloß, weil er an die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines Kontroliertsein’s dachte.
Daß unser Wilhelm Rose nebenher auch den zweiten großen Bourgeoiszug hatte: den, alles, was von ihm ausging oder ihm zugehörte, gründlich zu bewundern, versteht sich von selbst; seine Apotheke war die berühmteste, sein Laboratorium war das schönste, seine Gehülfen und Lehrlinge waren die besten oder doch wenigstens durch sein Verdienst am besten untergebracht und seine
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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