Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. "Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte," so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, "so will ich gleich Anzeige davon haben." Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. - Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade - vierundzwanziger und vierundsechziger - die den Uebergang nach Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0223" n="214"/> <p>Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0223]
Ich war dem zweiten Bataillon, Neue Friedrichsstraße, zugeteilt worden und meldete mich bei Major von Wnuck, einem alten Kampagnesoldaten von Anno 13 her. Er nahm meine Meldung freundlich entgegen und kam dabei gleich auf die Unteroffiziere zu sprechen. „Und wenn einer sich einen Uebergriff erlauben sollte,“ so donnerte er, voll Wohlwollen, gegen mich los, „so will ich gleich Anzeige davon haben.“ Er wiederholte das verschiedentlich und ich erfuhr später, daß er das jedesmal zum Besten gäbe, weil er, seit Jahren, einen Unteroffizierhaß ausgebildet habe, niemand wisse warum. – Das war Wnuck. Mein Hauptmann, sechste Kompagnie, war eine Seele von Mann. Er hatte, wiewohl immer noch Hauptmann, schon Ligny und Waterloo mitgemacht, damals kaum fünfzehnjährig. Bei Ligny schoß er auf einen französischen Lanzier und fehlte, worauf der Franzose lachend an ihn heranritt und ihm mit der Lanze den Czako vom Kopfe schlug. Solche Geschichten wurden viel erzählt. Außer dem Hauptmann hatten wir noch drei Offiziere bei der Kompagnie, alle drei von beinah sechs Fuß Größe, die stattlichsten im ganzen Regiment: von Roeder, von Koschembahr, von Lepel. Roeder kommandierte zwanzig Jahre später die brandenburgische Brigade – vierundzwanziger und vierundsechziger – die den Uebergang nach
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).
(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |