Alles ging gut und neue Bekanntschaften wurden angeknüpft, denn es kannten sich bis dahin nur die, die demselben Bataillon angehörten. Unter den Freiwilligen des ersten Bataillons war ein junger Studiosus juris, Namens Dortu, Potsdamer Kind, derselbe, der, fünf Jahre später, wegen Beteiligung am badischen Aufstand, in den Festungsgräben von Rastatt erschossen wurde. Der Prinzregent - unser spätrer Kaiser Wilhelm - als er das Urteil unterzeichnen sollte, war voll rührender Teilnahme, trotzdem er wußte, oder vielleicht auch weil er wußte, daß der junge Dortu das Wort "Kartätschenprinz" aufgebracht und ihn, den Prinzen, in Volksreden mannigfach so genannt hatte. Das Urteil umstoßen, ging auch nicht, aber das tiefe Mißbehagen, in dem der Prinz sich befand, kleidete er in die Worte: "Dann mußte Kinkel auch erschossen werden." Das war neunundvierzig. Damals aber - Juli vierundvierzig - . . "wie fern lag dieser Tag!"
Es war sehr heiß. Als indessen die Sonne eben unter war, kam eine erquickliche Kühle. Nicht lange mehr, so mußte ich wieder auf Posten und zwar in der Oberwallstraße vor dem Gouvernementsgebäude, drin damals der alte Feldmarschall von Müffling wohnte. Bis dahin war noch eine halbe Stunde.
Alles ging gut und neue Bekanntschaften wurden angeknüpft, denn es kannten sich bis dahin nur die, die demselben Bataillon angehörten. Unter den Freiwilligen des ersten Bataillons war ein junger Studiosus juris, Namens Dortu, Potsdamer Kind, derselbe, der, fünf Jahre später, wegen Beteiligung am badischen Aufstand, in den Festungsgräben von Rastatt erschossen wurde. Der Prinzregent – unser spätrer Kaiser Wilhelm – als er das Urteil unterzeichnen sollte, war voll rührender Teilnahme, trotzdem er wußte, oder vielleicht auch weil er wußte, daß der junge Dortu das Wort „Kartätschenprinz“ aufgebracht und ihn, den Prinzen, in Volksreden mannigfach so genannt hatte. Das Urteil umstoßen, ging auch nicht, aber das tiefe Mißbehagen, in dem der Prinz sich befand, kleidete er in die Worte: „Dann mußte Kinkel auch erschossen werden.“ Das war neunundvierzig. Damals aber – Juli vierundvierzig – . . „wie fern lag dieser Tag!“
Es war sehr heiß. Als indessen die Sonne eben unter war, kam eine erquickliche Kühle. Nicht lange mehr, so mußte ich wieder auf Posten und zwar in der Oberwallstraße vor dem Gouvernementsgebäude, drin damals der alte Feldmarschall von Müffling wohnte. Bis dahin war noch eine halbe Stunde.
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Alles ging gut und neue Bekanntschaften wurden angeknüpft, denn es kannten sich bis dahin nur die, die demselben Bataillon angehörten. Unter den Freiwilligen des ersten Bataillons war ein junger Studiosus juris, Namens Dortu, Potsdamer Kind, derselbe, der, fünf Jahre später, wegen Beteiligung am badischen Aufstand, in den Festungsgräben von Rastatt erschossen wurde. Der Prinzregent – unser spätrer Kaiser Wilhelm – als er das Urteil unterzeichnen sollte, war voll rührender Teilnahme, trotzdem er wußte, oder vielleicht auch weil er wußte, daß der junge Dortu das Wort „Kartätschenprinz“ aufgebracht und ihn, den Prinzen, in Volksreden mannigfach so genannt hatte. Das Urteil umstoßen, ging auch nicht, aber das tiefe Mißbehagen, in dem der Prinz sich befand, kleidete er in die Worte: „Dann mußte Kinkel auch erschossen werden.“ Das war neunundvierzig. Damals aber – Juli vierundvierzig – . . „wie fern lag dieser Tag!“
Es war sehr heiß. Als indessen die Sonne eben unter war, kam eine erquickliche Kühle. Nicht lange mehr, so mußte ich wieder auf Posten und zwar in der Oberwallstraße vor dem Gouvernementsgebäude, drin damals der alte Feldmarschall von Müffling wohnte. Bis dahin war noch eine halbe Stunde.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/227>, abgerufen am 29.07.2024.
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