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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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mit dem Ganzen blieb, immer zurückziehen und jedem was ins Ohr flüstern. An gesellschaftlichen Hochverrat dachte dabei keiner.

So sah es in dem "Kugler'schen Salon" aus, an den ich, wenn ich wegen meiner eigenen mehr als einfachen Wohnräume gelegentlich bespöttelt werde, zurückzudenken häufig Gelegenheit habe. "Was wollt Ihr?" frage ich dann wohl. "Ihr müßt mir diesen Zuschnitt schon lassen. Seht, da war mein väterlicher Freund Franz Kugler, der war ein Geheimrat und eine Kunstgröße und wohnte womöglich noch primitiver als ich. Und doch, ich habe da die schönsten Stunden verbracht, schöner als in manchem Schloß. Und nun gar erst als in mancher modernen Stuck-Bude. Laßt mich also ruhig. Es kommt wirklich auf was anderes an."

Ja, auf was anderes kommt es an. Was einem Hause Wert leiht, das ist das Leben darin, der Geist, der alles adelt, schön macht, heiter verklärt. Und dieser Geist war in dem Kugler'schen Hause lebendig. Was steigt da nicht alles vor mir herauf, welche Fülle der Gesichte! Da war der alte Generalsuperintendent Ritschel, evangelischer Bischof von Pommern, Geheimrat von Quast, der "Konservator", Geheimrat Hitzig - Bruder der Frau Kugler -, Professor Strack, der Architekt, Professor Drake, dazu

mit dem Ganzen blieb, immer zurückziehen und jedem was ins Ohr flüstern. An gesellschaftlichen Hochverrat dachte dabei keiner.

So sah es in dem „Kugler’schen Salon“ aus, an den ich, wenn ich wegen meiner eigenen mehr als einfachen Wohnräume gelegentlich bespöttelt werde, zurückzudenken häufig Gelegenheit habe. „Was wollt Ihr?“ frage ich dann wohl. „Ihr müßt mir diesen Zuschnitt schon lassen. Seht, da war mein väterlicher Freund Franz Kugler, der war ein Geheimrat und eine Kunstgröße und wohnte womöglich noch primitiver als ich. Und doch, ich habe da die schönsten Stunden verbracht, schöner als in manchem Schloß. Und nun gar erst als in mancher modernen Stuck-Bude. Laßt mich also ruhig. Es kommt wirklich auf was anderes an.“

Ja, auf was anderes kommt es an. Was einem Hause Wert leiht, das ist das Leben darin, der Geist, der alles adelt, schön macht, heiter verklärt. Und dieser Geist war in dem Kugler’schen Hause lebendig. Was steigt da nicht alles vor mir herauf, welche Fülle der Gesichte! Da war der alte Generalsuperintendent Ritschel, evangelischer Bischof von Pommern, Geheimrat von Quast, der „Konservator“, Geheimrat Hitzig – Bruder der Frau Kugler –, Professor Strack, der Architekt, Professor Drake, dazu

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[301/0310] mit dem Ganzen blieb, immer zurückziehen und jedem was ins Ohr flüstern. An gesellschaftlichen Hochverrat dachte dabei keiner. So sah es in dem „Kugler’schen Salon“ aus, an den ich, wenn ich wegen meiner eigenen mehr als einfachen Wohnräume gelegentlich bespöttelt werde, zurückzudenken häufig Gelegenheit habe. „Was wollt Ihr?“ frage ich dann wohl. „Ihr müßt mir diesen Zuschnitt schon lassen. Seht, da war mein väterlicher Freund Franz Kugler, der war ein Geheimrat und eine Kunstgröße und wohnte womöglich noch primitiver als ich. Und doch, ich habe da die schönsten Stunden verbracht, schöner als in manchem Schloß. Und nun gar erst als in mancher modernen Stuck-Bude. Laßt mich also ruhig. Es kommt wirklich auf was anderes an.“ Ja, auf was anderes kommt es an. Was einem Hause Wert leiht, das ist das Leben darin, der Geist, der alles adelt, schön macht, heiter verklärt. Und dieser Geist war in dem Kugler’schen Hause lebendig. Was steigt da nicht alles vor mir herauf, welche Fülle der Gesichte! Da war der alte Generalsuperintendent Ritschel, evangelischer Bischof von Pommern, Geheimrat von Quast, der „Konservator“, Geheimrat Hitzig – Bruder der Frau Kugler –, Professor Strack, der Architekt, Professor Drake, dazu

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/310>, abgerufen am 27.11.2024.