Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

bewohnte. Dann kam ein hohes Dach mit einer unter einem Holzvorbau steckenden Winde, daran die feisten Mehlsäcke in die Höhe gewunden wurden. Mitunter hing solch ein Mehlsack schräg neben dem Fenster des Zimmers, drin wir unsere Feste feierten und konnte halb als Symbol, halb als Verspottung unseres Thuns gelten. Denn wir standen recht eigentlich im Zeichen des Mehlsacks: ungeheuere Schüsseln voll Maccaroni - Hesekiels Lieblingsspeise - erdrückten fast die Tafeln. Indessen siegreich über alles blieben doch die zwei Punschbowlen, die sich unter einander ablösten. Alles lachte, strahlte. Denn Hesekiel hatte gerade das Wort und mit jenen Redederbheiten, auf die er sich wie selten einer verstand, ging er nun vor, nicht etwa um politische oder litterarische Feinde abzuschlachten, das hätten andere auch gekonnt, sondern um seine Schwadronshiebe gegen die Tunnelfreunde, gegen den "aufgesteiften Kugler", gegen den "überschätzten und politisch zweideutigen Scherenberg", gegen den "großmäuligen Wiedmann und den noch großmäuligeren Orelli", ganz zuletzt aber, wenn er mit dem Tunnel fertig war, seine Hauptkeulenschläge gegen seine Kollegen von der Kreuzzeitung zu führen, von denen ihm der eine zu ledern, der andere zu leisetretrig, ein dritter zu fromm und ein vierter zu schustrig war.

bewohnte. Dann kam ein hohes Dach mit einer unter einem Holzvorbau steckenden Winde, daran die feisten Mehlsäcke in die Höhe gewunden wurden. Mitunter hing solch ein Mehlsack schräg neben dem Fenster des Zimmers, drin wir unsere Feste feierten und konnte halb als Symbol, halb als Verspottung unseres Thuns gelten. Denn wir standen recht eigentlich im Zeichen des Mehlsacks: ungeheuere Schüsseln voll Maccaroni – Hesekiels Lieblingsspeise – erdrückten fast die Tafeln. Indessen siegreich über alles blieben doch die zwei Punschbowlen, die sich unter einander ablösten. Alles lachte, strahlte. Denn Hesekiel hatte gerade das Wort und mit jenen Redederbheiten, auf die er sich wie selten einer verstand, ging er nun vor, nicht etwa um politische oder litterarische Feinde abzuschlachten, das hätten andere auch gekonnt, sondern um seine Schwadronshiebe gegen die Tunnelfreunde, gegen den „aufgesteiften Kugler“, gegen den „überschätzten und politisch zweideutigen Scherenberg“, gegen den „großmäuligen Wiedmann und den noch großmäuligeren Orelli“, ganz zuletzt aber, wenn er mit dem Tunnel fertig war, seine Hauptkeulenschläge gegen seine Kollegen von der Kreuzzeitung zu führen, von denen ihm der eine zu ledern, der andere zu leisetretrig, ein dritter zu fromm und ein vierter zu schustrig war.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0397" n="388"/>
bewohnte. Dann kam ein hohes Dach mit einer unter einem Holzvorbau steckenden Winde, daran die feisten Mehlsäcke in die Höhe gewunden wurden. Mitunter hing solch ein Mehlsack schräg neben dem Fenster des Zimmers, drin wir unsere Feste feierten und konnte halb als Symbol, halb als Verspottung unseres Thuns gelten. Denn wir standen recht eigentlich im Zeichen des Mehlsacks: ungeheuere Schüsseln voll Maccaroni &#x2013; Hesekiels Lieblingsspeise &#x2013; erdrückten fast die Tafeln. Indessen siegreich über alles blieben doch die zwei Punschbowlen, die sich unter einander ablösten. Alles lachte, strahlte. Denn Hesekiel hatte gerade das Wort und mit jenen Redederbheiten, auf die er sich wie selten einer verstand, ging er nun vor, nicht etwa um politische oder litterarische Feinde abzuschlachten, das hätten andere auch gekonnt, sondern um seine Schwadronshiebe gegen die Tunnelfreunde, gegen den &#x201E;aufgesteiften Kugler&#x201C;, gegen den &#x201E;überschätzten und politisch zweideutigen Scherenberg&#x201C;, gegen den &#x201E;großmäuligen Wiedmann und den noch großmäuligeren Orelli&#x201C;, ganz zuletzt aber, wenn er mit dem Tunnel fertig war, seine Hauptkeulenschläge gegen seine Kollegen von der Kreuzzeitung zu führen, von denen ihm der eine zu ledern, der andere zu leisetretrig, ein dritter zu fromm und ein vierter zu schustrig war.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0397] bewohnte. Dann kam ein hohes Dach mit einer unter einem Holzvorbau steckenden Winde, daran die feisten Mehlsäcke in die Höhe gewunden wurden. Mitunter hing solch ein Mehlsack schräg neben dem Fenster des Zimmers, drin wir unsere Feste feierten und konnte halb als Symbol, halb als Verspottung unseres Thuns gelten. Denn wir standen recht eigentlich im Zeichen des Mehlsacks: ungeheuere Schüsseln voll Maccaroni – Hesekiels Lieblingsspeise – erdrückten fast die Tafeln. Indessen siegreich über alles blieben doch die zwei Punschbowlen, die sich unter einander ablösten. Alles lachte, strahlte. Denn Hesekiel hatte gerade das Wort und mit jenen Redederbheiten, auf die er sich wie selten einer verstand, ging er nun vor, nicht etwa um politische oder litterarische Feinde abzuschlachten, das hätten andere auch gekonnt, sondern um seine Schwadronshiebe gegen die Tunnelfreunde, gegen den „aufgesteiften Kugler“, gegen den „überschätzten und politisch zweideutigen Scherenberg“, gegen den „großmäuligen Wiedmann und den noch großmäuligeren Orelli“, ganz zuletzt aber, wenn er mit dem Tunnel fertig war, seine Hauptkeulenschläge gegen seine Kollegen von der Kreuzzeitung zu führen, von denen ihm der eine zu ledern, der andere zu leisetretrig, ein dritter zu fromm und ein vierter zu schustrig war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/397
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/397>, abgerufen am 22.11.2024.