Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab' ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens "finden, nicht erfinden" enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.
Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser "Fadenspinner" und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.
Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler'schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: "wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt" und des weiteren gefragt:
Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.
Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.
Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0399"n="390"/>
Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in <hirendition="#g">Wieder</hi>erzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in <hirendition="#g">seine</hi> Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade <hirendition="#g">den</hi> Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.</p><lb/><p>Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.</p><lb/><p>Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt:<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[390/0399]
Chronik unter Händen gehabt hatte, denn, in Wiedererzählung dessen, was er dem Buch entnommen, war er auf seiner Höhe. So hab’ ich ihn mal die Erstürmung von Bergen durch die Lübischen vorlesen hören und war ganz bewältigt von der lebendig gestalteten Szene. Natürlich war die Sache, wie jeder historische Hergang zu dessen Darstellung man schreitet, irgend einer Ueberlieferung entnommen, aber es war doch in seine Sprache transponiert, was immerhin etwas bedeutet und jedenfalls verbleibt ihm das Verdienst, gerade den Stoff und keinen anderen gewählt zu haben. Das Wort Spielhagens „finden, nicht erfinden“ enthält eine nicht genug zu beherzigende Wahrheit; in der Erzählungskunst bedeutet es beinah alles.
Gewiß, Heinrich Smidt war kein großer Schriftsteller, kaum ein Schriftsteller überhaupt; aber er war, ich muß das Wort noch einmal wiederholen, ein virtuoser „Fadenspinner“ und als solcher hat er vielen Tausenden viele frohe Stunden verschafft.
Als, kurz vor Weihnachten 1853, jedes der Kinder im Kugler’schen Hause seinen Weihnachtszettel zu schreiben hatte, schrieb der jüngere Sohn, Hans Kugler, auf seinen Wunschzettel: „wünsche mir ein Buch von Heinrich Smidt“ und des weiteren gefragt:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/399>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.