Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.reizende Junge, der schöne Sommertag und ein anscheinendes Nichts, das doch den Tod brachte, - es erschütterte mich. Schulrat Methfessel. Methfessel, trotzdem er Schulrat war und sich anscheinend für alles interessierte - während ihm doch ein wahres Interesse durchaus fehlte -, spielte keine besondere Rolle im Tunnel. Er gehörte zu denjenigen, denen man nicht recht traute. Seine mannigfachen Tugenden und Verdienste wurden durch ebenso viele Schwächen wieder in Frage gestellt. Um aus der Reihe dieser Schwächen nur eine allerkleinste, freilich eine sehr charakteristische, heraus zu greifen, - er war ein "Uhrenzieher", und zwar einer der eifrigsten und bedrücklichsten, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Nun wird dieser oder jener sagen: "Uhrenzieher! warum nicht? Uhrenzieher, das sind einfach pünktliche Leute." Gewiß. Aber Pünktlichkeit ist durchaus nicht das, was den eigentlichen Uhrenzieher ausmacht. Pünktlichkeit ist unbestritten eine Tugend, und wer pünktlich ist und nur pünktlich, ohne jeden weiteren Beigeschmack, den will ich loben, wiewohl offen gestanden mir persönlich die ganze Sache nicht viel bedeutet. Ich denke, dem Glücklichen schlägt keine Stunde, und er soll die glückliche reizende Junge, der schöne Sommertag und ein anscheinendes Nichts, das doch den Tod brachte, – es erschütterte mich. Schulrat Methfessel. Methfessel, trotzdem er Schulrat war und sich anscheinend für alles interessierte – während ihm doch ein wahres Interesse durchaus fehlte –, spielte keine besondere Rolle im Tunnel. Er gehörte zu denjenigen, denen man nicht recht traute. Seine mannigfachen Tugenden und Verdienste wurden durch ebenso viele Schwächen wieder in Frage gestellt. Um aus der Reihe dieser Schwächen nur eine allerkleinste, freilich eine sehr charakteristische, heraus zu greifen, – er war ein „Uhrenzieher“, und zwar einer der eifrigsten und bedrücklichsten, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Nun wird dieser oder jener sagen: „Uhrenzieher! warum nicht? Uhrenzieher, das sind einfach pünktliche Leute.“ Gewiß. Aber Pünktlichkeit ist durchaus nicht das, was den eigentlichen Uhrenzieher ausmacht. Pünktlichkeit ist unbestritten eine Tugend, und wer pünktlich ist und nur pünktlich, ohne jeden weiteren Beigeschmack, den will ich loben, wiewohl offen gestanden mir persönlich die ganze Sache nicht viel bedeutet. Ich denke, dem Glücklichen schlägt keine Stunde, und er soll die glückliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0407" n="398"/> reizende Junge, der schöne Sommertag und ein anscheinendes Nichts, das doch den Tod brachte, – es erschütterte mich.</p><lb/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b #c">Schulrat Methfessel.</hi> </head> <p><hi rendition="#g">Methfessel</hi>, trotzdem er Schulrat war und sich anscheinend für alles interessierte – während ihm doch ein wahres Interesse durchaus fehlte –, spielte keine besondere Rolle im Tunnel. Er gehörte zu denjenigen, denen man nicht recht traute. Seine mannigfachen Tugenden und Verdienste wurden durch ebenso viele Schwächen wieder in Frage gestellt.</p><lb/> <p>Um aus der Reihe dieser Schwächen nur eine allerkleinste, freilich eine sehr charakteristische, heraus zu greifen, – er war ein „Uhrenzieher“, und zwar einer der eifrigsten und bedrücklichsten, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Nun wird dieser oder jener sagen: „Uhrenzieher! warum nicht? Uhrenzieher, das sind einfach pünktliche Leute.“ Gewiß. Aber Pünktlichkeit ist durchaus nicht das, was den eigentlichen Uhrenzieher ausmacht. Pünktlichkeit ist unbestritten eine Tugend, und wer pünktlich ist und <hi rendition="#g">nur</hi> pünktlich, ohne jeden weiteren Beigeschmack, den will ich loben, wiewohl offen gestanden mir persönlich die ganze Sache nicht viel bedeutet. Ich denke, dem Glücklichen schlägt keine Stunde, und er soll die glückliche<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [398/0407]
reizende Junge, der schöne Sommertag und ein anscheinendes Nichts, das doch den Tod brachte, – es erschütterte mich.
Schulrat Methfessel.Methfessel, trotzdem er Schulrat war und sich anscheinend für alles interessierte – während ihm doch ein wahres Interesse durchaus fehlte –, spielte keine besondere Rolle im Tunnel. Er gehörte zu denjenigen, denen man nicht recht traute. Seine mannigfachen Tugenden und Verdienste wurden durch ebenso viele Schwächen wieder in Frage gestellt.
Um aus der Reihe dieser Schwächen nur eine allerkleinste, freilich eine sehr charakteristische, heraus zu greifen, – er war ein „Uhrenzieher“, und zwar einer der eifrigsten und bedrücklichsten, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Nun wird dieser oder jener sagen: „Uhrenzieher! warum nicht? Uhrenzieher, das sind einfach pünktliche Leute.“ Gewiß. Aber Pünktlichkeit ist durchaus nicht das, was den eigentlichen Uhrenzieher ausmacht. Pünktlichkeit ist unbestritten eine Tugend, und wer pünktlich ist und nur pünktlich, ohne jeden weiteren Beigeschmack, den will ich loben, wiewohl offen gestanden mir persönlich die ganze Sache nicht viel bedeutet. Ich denke, dem Glücklichen schlägt keine Stunde, und er soll die glückliche
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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