Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Generalsuperintendent mit einem Beisatz, der mit der Bekenntnisstrenge wieder versöhnen konnte. Bei Büchsel selbst war es ein wundervoller, gelegentlich bis zu schlauer Eulenspiegelei sich steigernder Humor, bei Methfessel ein Stück Altliberalismus oder, wenn dies zu weit gegriffen ist, eine seinem Lehrer Diesterweg durchs Leben hin bewahrte Verehrung und Liebe. Diese nie verleugnete Liebe zu seinem alten Lehrer war sein schönster Zug, und ich muß ihm denselben um so höher anrechnen, als es, wie schon angedeutet, durchaus in seiner Natur und seinem Lebensgange lag, von den Anschauungen höchster Vorgesetzten abhängig zu sein. Geschulter preußischer Beamter sagte ich. Ja, das war er, und in Haltung, Miene, Sprache kam dies gleichmäßig zum Ausdruck. Er hatte sich's, um nur ein Beispiel zu geben, angewöhnt, Personen, die sich einer Titelauszeichnung erfreuten, diesen Titel immer mit einer gewissen Feierlichkeit anzuheften. Er sprach also nicht einfach von Bethmann-Hollweg, Mühler, Böckh, Schönlein, sondern gab, auch im leichtesten Gespräche, jedem sein gerütteltes und geschütteltes Titulaturmaß, und noch in diesem Augenblicke stimmt es mich zur Heiterkeit, wenn ich mir vergegenwärtige, wie etwa die Worte: "Geheimer Oberregierungsrat Pehlemann" über seine Lippen rollten. Es war an Zungenvolubilität etwas

Generalsuperintendent mit einem Beisatz, der mit der Bekenntnisstrenge wieder versöhnen konnte. Bei Büchsel selbst war es ein wundervoller, gelegentlich bis zu schlauer Eulenspiegelei sich steigernder Humor, bei Methfessel ein Stück Altliberalismus oder, wenn dies zu weit gegriffen ist, eine seinem Lehrer Diesterweg durchs Leben hin bewahrte Verehrung und Liebe. Diese nie verleugnete Liebe zu seinem alten Lehrer war sein schönster Zug, und ich muß ihm denselben um so höher anrechnen, als es, wie schon angedeutet, durchaus in seiner Natur und seinem Lebensgange lag, von den Anschauungen höchster Vorgesetzten abhängig zu sein. Geschulter preußischer Beamter sagte ich. Ja, das war er, und in Haltung, Miene, Sprache kam dies gleichmäßig zum Ausdruck. Er hatte sich’s, um nur ein Beispiel zu geben, angewöhnt, Personen, die sich einer Titelauszeichnung erfreuten, diesen Titel immer mit einer gewissen Feierlichkeit anzuheften. Er sprach also nicht einfach von Bethmann-Hollweg, Mühler, Böckh, Schönlein, sondern gab, auch im leichtesten Gespräche, jedem sein gerütteltes und geschütteltes Titulaturmaß, und noch in diesem Augenblicke stimmt es mich zur Heiterkeit, wenn ich mir vergegenwärtige, wie etwa die Worte: „Geheimer Oberregierungsrat Pehlemann“ über seine Lippen rollten. Es war an Zungenvolubilität etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0409" n="400"/>
Generalsuperintendent mit einem Beisatz, der mit der Bekenntnisstrenge wieder versöhnen konnte. Bei Büchsel selbst war es ein wundervoller, gelegentlich bis zu schlauer Eulenspiegelei sich steigernder Humor, bei Methfessel ein Stück Altliberalismus oder, wenn dies zu weit gegriffen ist, eine seinem Lehrer Diesterweg durchs Leben hin bewahrte Verehrung und Liebe. Diese nie verleugnete Liebe zu seinem alten Lehrer war sein schönster Zug, und ich muß ihm denselben um so höher anrechnen, als es, wie schon angedeutet, durchaus in seiner Natur und seinem Lebensgange lag, von den Anschauungen höchster Vorgesetzten abhängig zu sein. Geschulter preußischer Beamter sagte ich. Ja, das war er, und in Haltung, Miene, Sprache kam dies gleichmäßig zum Ausdruck. Er hatte sich&#x2019;s, um nur ein Beispiel zu geben, angewöhnt, Personen, die sich einer Titelauszeichnung erfreuten, diesen Titel immer mit einer gewissen Feierlichkeit anzuheften. Er sprach also nicht einfach von Bethmann-Hollweg, Mühler, Böckh, Schönlein, sondern gab, auch im leichtesten Gespräche, jedem sein gerütteltes und geschütteltes Titulaturmaß, und noch in diesem Augenblicke stimmt es mich zur Heiterkeit, wenn ich mir vergegenwärtige, wie etwa die Worte: &#x201E;Geheimer Oberregierungsrat Pehlemann&#x201C; über seine Lippen rollten. Es war an Zungenvolubilität etwas<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0409] Generalsuperintendent mit einem Beisatz, der mit der Bekenntnisstrenge wieder versöhnen konnte. Bei Büchsel selbst war es ein wundervoller, gelegentlich bis zu schlauer Eulenspiegelei sich steigernder Humor, bei Methfessel ein Stück Altliberalismus oder, wenn dies zu weit gegriffen ist, eine seinem Lehrer Diesterweg durchs Leben hin bewahrte Verehrung und Liebe. Diese nie verleugnete Liebe zu seinem alten Lehrer war sein schönster Zug, und ich muß ihm denselben um so höher anrechnen, als es, wie schon angedeutet, durchaus in seiner Natur und seinem Lebensgange lag, von den Anschauungen höchster Vorgesetzten abhängig zu sein. Geschulter preußischer Beamter sagte ich. Ja, das war er, und in Haltung, Miene, Sprache kam dies gleichmäßig zum Ausdruck. Er hatte sich’s, um nur ein Beispiel zu geben, angewöhnt, Personen, die sich einer Titelauszeichnung erfreuten, diesen Titel immer mit einer gewissen Feierlichkeit anzuheften. Er sprach also nicht einfach von Bethmann-Hollweg, Mühler, Böckh, Schönlein, sondern gab, auch im leichtesten Gespräche, jedem sein gerütteltes und geschütteltes Titulaturmaß, und noch in diesem Augenblicke stimmt es mich zur Heiterkeit, wenn ich mir vergegenwärtige, wie etwa die Worte: „Geheimer Oberregierungsrat Pehlemann“ über seine Lippen rollten. Es war an Zungenvolubilität etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/409
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/409>, abgerufen am 22.11.2024.