Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.deren Verfasser sicherlich von dem stolzen Gefühl erfüllt gewesen ist, einen "Unwürdigen" gewürdigt zu haben. Er hat auch wirklich, was in einer Parteischrift etwas sagen will, in nichts übertrieben. Ja, so war Schneider; ich kann es bestätigen. Aber ist dies so etwas Furchtbares? Eher das Gegenteil. Eine Schilderung, wie die hier von Schneider gegebene, paßte bis 1840 - und dann neubelebt auch wieder von 48 ab - auf Hunderttausende, darunter Prinzen des königlichen Hauses, die, was immer ihre Fehler sein mochten, wenigstens den einen Fehler nicht hatten, unpatriotisch zu sein. Ihr Patriotismus forderte, wie das auch das obige Broschürenzitat ausspricht, ein Zusammengehn mit Rußland. Ja, warum nicht? Es ist, wenn man dieser Frage näher treten will, durchaus nötig, sich in die Zeiten der Heiligen Alliance und der dieser Alliance unmittelbar vorausgehenden Kriegsjahre zurückzuversetzen. Rußland hatte uns gerettet, bei Existenz erhalten. Nicht bloß von Anno 6 bis 12, auch noch 13 und 14. Unerträglich ist es, immer noch in so vielen Büchern und Artikeln der naiven Vorstellung zu begegnen, als habe die Provinz Ostpreußen oder das York'sche Korps oder die pommersche Landwehr den Kaiser Napoleon besiegt. Durch dies unnatürliche Heraufpuffen hat man - von dem Häßlichen der Unwahrheit ganz abgesehn deren Verfasser sicherlich von dem stolzen Gefühl erfüllt gewesen ist, einen „Unwürdigen“ gewürdigt zu haben. Er hat auch wirklich, was in einer Parteischrift etwas sagen will, in nichts übertrieben. Ja, so war Schneider; ich kann es bestätigen. Aber ist dies so etwas Furchtbares? Eher das Gegenteil. Eine Schilderung, wie die hier von Schneider gegebene, paßte bis 1840 – und dann neubelebt auch wieder von 48 ab – auf Hunderttausende, darunter Prinzen des königlichen Hauses, die, was immer ihre Fehler sein mochten, wenigstens den einen Fehler nicht hatten, unpatriotisch zu sein. Ihr Patriotismus forderte, wie das auch das obige Broschürenzitat ausspricht, ein Zusammengehn mit Rußland. Ja, warum nicht? Es ist, wenn man dieser Frage näher treten will, durchaus nötig, sich in die Zeiten der Heiligen Alliance und der dieser Alliance unmittelbar vorausgehenden Kriegsjahre zurückzuversetzen. Rußland hatte uns gerettet, bei Existenz erhalten. Nicht bloß von Anno 6 bis 12, auch noch 13 und 14. Unerträglich ist es, immer noch in so vielen Büchern und Artikeln der naiven Vorstellung zu begegnen, als habe die Provinz Ostpreußen oder das York’sche Korps oder die pommersche Landwehr den Kaiser Napoleon besiegt. Durch dies unnatürliche Heraufpuffen hat man – von dem Häßlichen der Unwahrheit ganz abgesehn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0425" n="416"/> deren Verfasser sicherlich von dem stolzen Gefühl erfüllt gewesen ist, einen „Unwürdigen“ gewürdigt zu haben. Er hat auch wirklich, was in einer Parteischrift etwas sagen will, in nichts übertrieben. Ja, so <hi rendition="#g">war</hi> Schneider; ich kann es bestätigen. Aber ist dies so etwas Furchtbares? Eher das Gegenteil. Eine Schilderung, wie die hier von Schneider gegebene, paßte bis 1840 – und dann neubelebt auch wieder von 48 ab – auf Hunderttausende, darunter Prinzen des königlichen Hauses, die, was immer ihre Fehler sein mochten, wenigstens den <hi rendition="#g">einen</hi> Fehler nicht hatten, unpatriotisch zu sein. Ihr Patriotismus forderte, wie das auch das obige Broschürenzitat ausspricht, ein Zusammengehn mit Rußland. Ja, warum nicht? Es ist, wenn man dieser Frage näher treten will, durchaus nötig, sich in die Zeiten der Heiligen Alliance und der dieser Alliance unmittelbar vorausgehenden Kriegsjahre zurückzuversetzen. Rußland hatte uns gerettet, bei Existenz erhalten. Nicht bloß von Anno 6 bis 12, auch noch 13 und 14. Unerträglich ist es, immer noch in so vielen Büchern und Artikeln der naiven Vorstellung zu begegnen, als habe die Provinz Ostpreußen oder das York’sche Korps oder die pommersche Landwehr den Kaiser Napoleon besiegt. Durch dies unnatürliche Heraufpuffen hat man – von dem Häßlichen der Unwahrheit ganz abgesehn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [416/0425]
deren Verfasser sicherlich von dem stolzen Gefühl erfüllt gewesen ist, einen „Unwürdigen“ gewürdigt zu haben. Er hat auch wirklich, was in einer Parteischrift etwas sagen will, in nichts übertrieben. Ja, so war Schneider; ich kann es bestätigen. Aber ist dies so etwas Furchtbares? Eher das Gegenteil. Eine Schilderung, wie die hier von Schneider gegebene, paßte bis 1840 – und dann neubelebt auch wieder von 48 ab – auf Hunderttausende, darunter Prinzen des königlichen Hauses, die, was immer ihre Fehler sein mochten, wenigstens den einen Fehler nicht hatten, unpatriotisch zu sein. Ihr Patriotismus forderte, wie das auch das obige Broschürenzitat ausspricht, ein Zusammengehn mit Rußland. Ja, warum nicht? Es ist, wenn man dieser Frage näher treten will, durchaus nötig, sich in die Zeiten der Heiligen Alliance und der dieser Alliance unmittelbar vorausgehenden Kriegsjahre zurückzuversetzen. Rußland hatte uns gerettet, bei Existenz erhalten. Nicht bloß von Anno 6 bis 12, auch noch 13 und 14. Unerträglich ist es, immer noch in so vielen Büchern und Artikeln der naiven Vorstellung zu begegnen, als habe die Provinz Ostpreußen oder das York’sche Korps oder die pommersche Landwehr den Kaiser Napoleon besiegt. Durch dies unnatürliche Heraufpuffen hat man – von dem Häßlichen der Unwahrheit ganz abgesehn
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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