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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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der Partei von Mund zu Mund gehende Versicherung, daß dieser Neuengagierte, wie früher an kleinen deutschen Residenzen, so jetzt am französischen Hofe die allervornehmsten Beziehungen unterhalte, was übrigens nicht wunder nehmen dürfe, da dieser neue Lilien-Korrespondent ein legitimistischer Marquis sei. Der Zufall ließ es geschehen, daß ich eben damals - mehrere Jahre vor meinem persönlichen, erst 1860 erfolgenden Eintritt in die Kreuzzeitungsredaktion - viel in Bethanien verkehrte, wo sich bei dem zu jener Zeit in großem Ansehen stehenden Pastor Schultz, einem Freunde meiner Eltern, die führenden Kreuzzeitungs-Leute, darunter namentlich auch v. Blankenburg, zu versammeln pflegten. Eines Abends, als ich eintrat, las man in diesem bethanischen Zirkel einen eben unter dem bekannten Lilienzeichen erschienenen, eine Truppenschau in den Champs Elysees oder auf dem Marsfelde beschreibenden Artikel vor, in dem wohl vier- oder fünfmal die Wendung vorkam: "Er - Louis Napoleon - hat den Degen gezogen." Und so war auch der Kopftitel, den die Redaktion dem Ganzen gegeben hatte. Die Meinungen über die Wichtigkeit dieser Korrespondenz gingen auseinander. "Es ist an und für sich nichts," hieß es, "aber es hat eine symbolische Bedeutung und ist jedenfalls ein Avis." Eine

der Partei von Mund zu Mund gehende Versicherung, daß dieser Neuengagierte, wie früher an kleinen deutschen Residenzen, so jetzt am französischen Hofe die allervornehmsten Beziehungen unterhalte, was übrigens nicht wunder nehmen dürfe, da dieser neue Lilien-Korrespondent ein legitimistischer Marquis sei. Der Zufall ließ es geschehen, daß ich eben damals – mehrere Jahre vor meinem persönlichen, erst 1860 erfolgenden Eintritt in die Kreuzzeitungsredaktion – viel in Bethanien verkehrte, wo sich bei dem zu jener Zeit in großem Ansehen stehenden Pastor Schultz, einem Freunde meiner Eltern, die führenden Kreuzzeitungs-Leute, darunter namentlich auch v. Blankenburg, zu versammeln pflegten. Eines Abends, als ich eintrat, las man in diesem bethanischen Zirkel einen eben unter dem bekannten Lilienzeichen erschienenen, eine Truppenschau in den Champs Elysées oder auf dem Marsfelde beschreibenden Artikel vor, in dem wohl vier- oder fünfmal die Wendung vorkam: „Er – Louis Napoleon – hat den Degen gezogen.“ Und so war auch der Kopftitel, den die Redaktion dem Ganzen gegeben hatte. Die Meinungen über die Wichtigkeit dieser Korrespondenz gingen auseinander. „Es ist an und für sich nichts,“ hieß es, „aber es hat eine symbolische Bedeutung und ist jedenfalls ein Avis.“ Eine

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[433/0442] der Partei von Mund zu Mund gehende Versicherung, daß dieser Neuengagierte, wie früher an kleinen deutschen Residenzen, so jetzt am französischen Hofe die allervornehmsten Beziehungen unterhalte, was übrigens nicht wunder nehmen dürfe, da dieser neue Lilien-Korrespondent ein legitimistischer Marquis sei. Der Zufall ließ es geschehen, daß ich eben damals – mehrere Jahre vor meinem persönlichen, erst 1860 erfolgenden Eintritt in die Kreuzzeitungsredaktion – viel in Bethanien verkehrte, wo sich bei dem zu jener Zeit in großem Ansehen stehenden Pastor Schultz, einem Freunde meiner Eltern, die führenden Kreuzzeitungs-Leute, darunter namentlich auch v. Blankenburg, zu versammeln pflegten. Eines Abends, als ich eintrat, las man in diesem bethanischen Zirkel einen eben unter dem bekannten Lilienzeichen erschienenen, eine Truppenschau in den Champs Elysées oder auf dem Marsfelde beschreibenden Artikel vor, in dem wohl vier- oder fünfmal die Wendung vorkam: „Er – Louis Napoleon – hat den Degen gezogen.“ Und so war auch der Kopftitel, den die Redaktion dem Ganzen gegeben hatte. Die Meinungen über die Wichtigkeit dieser Korrespondenz gingen auseinander. „Es ist an und für sich nichts,“ hieß es, „aber es hat eine symbolische Bedeutung und ist jedenfalls ein Avis.“ Eine

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/442>, abgerufen am 21.06.2024.