Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.eben den Ausschlag, nicht derAugenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei. Hesekiel trat, sehr bald nach seinem Erscheinen in Berlin, in den Tunnel ein, wahrscheinlich durch Schneider eingeführt und empfohlen. Aber trotz dieser Empfehlung kam er zu keiner rechten litterarischen Geltung, noch weniger zu Ansehen und Liebe. Der Grund lag zum Teil in seiner Zugehörigkeit zur "Kreuzzeitung". Ueberflog man den zu einem Drittel aus Offizieren und zu einem zweiten Drittel aus adligen Assessoren zusammengesetzten Tunnel, so mußte man - noch dazu nach eben erst erfolgter Niederwerfung einer revolutionären Bewegung - eigentlich mit Sicherheit annehmen, in einem derartig kombinierten Zirkel einem Hort des strengsten Konservatismus zu begegnen. Das war aber nicht der Fall. In dem ganzen Tunnel befand sich, außer Hesekiel, kein einziger richtiger Kreuzzeitungsmann; nicht einmal Louis Schneider, trotz eifriger Mitarbeiterschaft an der "Kreuzzeitung", konnte als solcher gelten. Ihm fehlte das Kirchliche, das durch das Russische doch nur sehr unvollkommen ersetzt eben den Ausschlag, nicht derAugenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei. Hesekiel trat, sehr bald nach seinem Erscheinen in Berlin, in den Tunnel ein, wahrscheinlich durch Schneider eingeführt und empfohlen. Aber trotz dieser Empfehlung kam er zu keiner rechten litterarischen Geltung, noch weniger zu Ansehen und Liebe. Der Grund lag zum Teil in seiner Zugehörigkeit zur „Kreuzzeitung“. Ueberflog man den zu einem Drittel aus Offizieren und zu einem zweiten Drittel aus adligen Assessoren zusammengesetzten Tunnel, so mußte man – noch dazu nach eben erst erfolgter Niederwerfung einer revolutionären Bewegung – eigentlich mit Sicherheit annehmen, in einem derartig kombinierten Zirkel einem Hort des strengsten Konservatismus zu begegnen. Das war aber nicht der Fall. In dem ganzen Tunnel befand sich, außer Hesekiel, kein einziger richtiger Kreuzzeitungsmann; nicht einmal Louis Schneider, trotz eifriger Mitarbeiterschaft an der „Kreuzzeitung“, konnte als solcher gelten. Ihm fehlte das Kirchliche, das durch das Russische doch nur sehr unvollkommen ersetzt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0446" n="437"/> eben den Ausschlag, nicht derAugenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Hesekiel trat, sehr bald nach seinem Erscheinen in Berlin, in den Tunnel ein, wahrscheinlich durch Schneider eingeführt und empfohlen. Aber trotz dieser Empfehlung kam er zu keiner rechten litterarischen Geltung, noch weniger zu Ansehen und Liebe. Der Grund lag zum Teil in seiner Zugehörigkeit zur „Kreuzzeitung“. Ueberflog man den zu einem Drittel aus Offizieren und zu einem zweiten Drittel aus adligen Assessoren zusammengesetzten Tunnel, so mußte man – noch dazu nach eben erst erfolgter Niederwerfung einer revolutionären Bewegung – eigentlich mit Sicherheit annehmen, in einem derartig kombinierten Zirkel einem Hort des strengsten Konservatismus zu begegnen. Das war aber nicht der Fall. In dem ganzen Tunnel befand sich, außer Hesekiel, kein einziger richtiger Kreuzzeitungsmann; nicht einmal Louis Schneider, trotz eifriger Mitarbeiterschaft an der „Kreuzzeitung“, konnte als solcher gelten. Ihm fehlte das Kirchliche, das durch das Russische doch nur sehr unvollkommen ersetzt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [437/0446]
eben den Ausschlag, nicht derAugenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei.
Hesekiel trat, sehr bald nach seinem Erscheinen in Berlin, in den Tunnel ein, wahrscheinlich durch Schneider eingeführt und empfohlen. Aber trotz dieser Empfehlung kam er zu keiner rechten litterarischen Geltung, noch weniger zu Ansehen und Liebe. Der Grund lag zum Teil in seiner Zugehörigkeit zur „Kreuzzeitung“. Ueberflog man den zu einem Drittel aus Offizieren und zu einem zweiten Drittel aus adligen Assessoren zusammengesetzten Tunnel, so mußte man – noch dazu nach eben erst erfolgter Niederwerfung einer revolutionären Bewegung – eigentlich mit Sicherheit annehmen, in einem derartig kombinierten Zirkel einem Hort des strengsten Konservatismus zu begegnen. Das war aber nicht der Fall. In dem ganzen Tunnel befand sich, außer Hesekiel, kein einziger richtiger Kreuzzeitungsmann; nicht einmal Louis Schneider, trotz eifriger Mitarbeiterschaft an der „Kreuzzeitung“, konnte als solcher gelten. Ihm fehlte das Kirchliche, das durch das Russische doch nur sehr unvollkommen ersetzt
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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