Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.einer Prinzenannäherung, und sich hin und her wendend, um, inmitten der Erfüllung seiner Amtspflichten gegen den Kanzler, doch auch die Honneurs gegen den Prinzen nicht zu versäumen, kommt er erst durch eine scharfe Bismarck'sche Reprimande wieder zur Haltung und Ruhe. Genau so war Hensel. Eine Prinzenannäherung war doch immer die Hauptsache. Jetzt lachen die Leute darüber, weil sie die frühere Zeit nicht kennen und sich als große Freiheitler träumen; in Wahrheit aber liegt es so, daß die preußische Welt seit König Friedrich Wilhelm I. beständig wachsende Fortschritte, nicht im "Männerstolz vor Königsthronen", sondern umgekehrt im Byzantinismus gemacht hat, und daß die eigentlichen Charaktere und die eigentlich mutigen Männer in Tagen lebten, wo's keine patentierte Freiheit gab und der Krückstock noch wacker umging. Zahllose herzerquickende Worte - auch Thaten - sind damals vorgekommen, die heute ganz undenkbar sind. Auf diesem Gebiete sind in unserem modernen Leben auch die mutigsten Leute Drückeberger geworden. - Hensels intimster Freund war der Graf Blanckensee; sie hatten von 1813 bis 1815 in derselben Truppe gedient. Es hieß einmal, daß es nicht leicht sei, mit dem Grafen auszukommen. "Ich bin fünfzig Jahre lang gut mit ihm ausgekommen," sagte Hensel, "und schiebe einer Prinzenannäherung, und sich hin und her wendend, um, inmitten der Erfüllung seiner Amtspflichten gegen den Kanzler, doch auch die Honneurs gegen den Prinzen nicht zu versäumen, kommt er erst durch eine scharfe Bismarck’sche Reprimande wieder zur Haltung und Ruhe. Genau so war Hensel. Eine Prinzenannäherung war doch immer die Hauptsache. Jetzt lachen die Leute darüber, weil sie die frühere Zeit nicht kennen und sich als große Freiheitler träumen; in Wahrheit aber liegt es so, daß die preußische Welt seit König Friedrich Wilhelm I. beständig wachsende Fortschritte, nicht im „Männerstolz vor Königsthronen“, sondern umgekehrt im Byzantinismus gemacht hat, und daß die eigentlichen Charaktere und die eigentlich mutigen Männer in Tagen lebten, wo’s keine patentierte Freiheit gab und der Krückstock noch wacker umging. Zahllose herzerquickende Worte – auch Thaten – sind damals vorgekommen, die heute ganz undenkbar sind. Auf diesem Gebiete sind in unserem modernen Leben auch die mutigsten Leute Drückeberger geworden. – Hensels intimster Freund war der Graf Blanckensee; sie hatten von 1813 bis 1815 in derselben Truppe gedient. Es hieß einmal, daß es nicht leicht sei, mit dem Grafen auszukommen. „Ich bin fünfzig Jahre lang gut mit ihm ausgekommen,“ sagte Hensel, „und schiebe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0471" n="462"/> einer Prinzenannäherung, und sich hin und her wendend, um, inmitten der Erfüllung seiner Amtspflichten gegen den Kanzler, doch auch die Honneurs gegen den Prinzen nicht zu versäumen, kommt er erst durch eine scharfe Bismarck’sche Reprimande wieder zur Haltung und Ruhe. Genau so war Hensel. Eine Prinzenannäherung war doch immer die Hauptsache. Jetzt lachen die Leute darüber, weil sie die frühere Zeit nicht kennen und sich als große Freiheitler träumen; in Wahrheit aber liegt es so, daß die preußische Welt seit König Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">I.</hi> beständig wachsende Fortschritte, nicht im „Männerstolz vor Königsthronen“, sondern umgekehrt im Byzantinismus gemacht hat, und daß die eigentlichen Charaktere und die eigentlich mutigen Männer in Tagen lebten, wo’s keine patentierte Freiheit gab und der Krückstock noch wacker umging. Zahllose herzerquickende Worte – auch Thaten – sind damals vorgekommen, die heute ganz undenkbar sind. Auf <hi rendition="#g">diesem</hi> Gebiete sind in unserem modernen Leben auch die mutigsten Leute Drückeberger geworden. – Hensels intimster Freund war der Graf Blanckensee; sie hatten von 1813 bis 1815 in derselben Truppe gedient. Es hieß einmal, daß es nicht leicht sei, mit dem Grafen auszukommen. „Ich bin fünfzig Jahre lang gut mit ihm ausgekommen,“ sagte Hensel, <choice><sic/><corr>„</corr></choice>und schiebe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0471]
einer Prinzenannäherung, und sich hin und her wendend, um, inmitten der Erfüllung seiner Amtspflichten gegen den Kanzler, doch auch die Honneurs gegen den Prinzen nicht zu versäumen, kommt er erst durch eine scharfe Bismarck’sche Reprimande wieder zur Haltung und Ruhe. Genau so war Hensel. Eine Prinzenannäherung war doch immer die Hauptsache. Jetzt lachen die Leute darüber, weil sie die frühere Zeit nicht kennen und sich als große Freiheitler träumen; in Wahrheit aber liegt es so, daß die preußische Welt seit König Friedrich Wilhelm I. beständig wachsende Fortschritte, nicht im „Männerstolz vor Königsthronen“, sondern umgekehrt im Byzantinismus gemacht hat, und daß die eigentlichen Charaktere und die eigentlich mutigen Männer in Tagen lebten, wo’s keine patentierte Freiheit gab und der Krückstock noch wacker umging. Zahllose herzerquickende Worte – auch Thaten – sind damals vorgekommen, die heute ganz undenkbar sind. Auf diesem Gebiete sind in unserem modernen Leben auch die mutigsten Leute Drückeberger geworden. – Hensels intimster Freund war der Graf Blanckensee; sie hatten von 1813 bis 1815 in derselben Truppe gedient. Es hieß einmal, daß es nicht leicht sei, mit dem Grafen auszukommen. „Ich bin fünfzig Jahre lang gut mit ihm ausgekommen,“ sagte Hensel, „und schiebe
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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