weil er noch dem Prinzip huldigte, "die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur - ehe Störungen eintraten - die Betreffenden intendiert hatte." Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben.
Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war - trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen - in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub' ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner
weil er noch dem Prinzip huldigte, „die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur – ehe Störungen eintraten – die Betreffenden intendiert hatte.“ Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben.
Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0473"n="464"/>
weil er noch dem Prinzip huldigte, „die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur – ehe Störungen eintraten – die Betreffenden intendiert hatte.“ Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben.</p><lb/><p>Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron <hirendition="#g">Senfft-Pilsach</hi>, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von <hirendition="#g">dem</hi> abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[464/0473]
weil er noch dem Prinzip huldigte, „die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur – ehe Störungen eintraten – die Betreffenden intendiert hatte.“ Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben.
Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/473>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.