Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.weil er noch dem Prinzip huldigte, "die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur - ehe Störungen eintraten - die Betreffenden intendiert hatte." Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben. Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war - trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen - in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub' ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner weil er noch dem Prinzip huldigte, „die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur – ehe Störungen eintraten – die Betreffenden intendiert hatte.“ Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben. Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0473" n="464"/> weil er noch dem Prinzip huldigte, „die Menschen so zu porträtieren, wie die Natur – ehe Störungen eintraten – die Betreffenden intendiert hatte.“ Bis zuletzt blieb er bei Kraft, Frische und guter Laune und hatte das Glück, eines schönen Todes oder richtiger, das Glück, in einer schönen Sache zu sterben. Eine Frau war überfahren worden; er sprang hinzu, um ihr zu helfen und erlitt dabei selbst eine schwere Verletzung. Der erlag er. Er war immer hilfebereit gewesen und in einem Samariterdienst schied er aus dem Leben.</p><lb/> <p>Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron <hi rendition="#g">Senfft-Pilsach</hi>, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von <hi rendition="#g">dem</hi> abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [464/0473]
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Der Dritte, von dem ich sprechen möchte, war der junge Baron Senfft-Pilsach, Neffe des vorgenannten Geheimrats, Sohn des pommerschen Oberpräsidenten. Er war – trotz ganz unjunkerlicher Anschauungen – in Erscheinung und Sprechweise der Typus eines pommersch-märkischen Junkers, groß und stark, humoristisch und derb bis zum Cynismus. Er war als Gymnasialschüler bei dem Chefredakteur der Kreuzzeitung in Pension gewesen und hatte sich bei der Gelegenheit, wie das so oft geschieht, von dem abgewandt, dem man ihn zuwenden wollte. Als ich ihn kennen lernte, war er, glaub’ ich, Referendar und einige zwanzig Jahre alt. Wir plauderten mit einander, und er merkte, daß ich Fühlhörner ausstreckte, um über das konservative Hochmaß seiner
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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