Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Lebelang mit Nachsicht an mir beurteilt. Es war, glaub' ich, mancherlei, was ihn mir gewogen machte; mein Hauptverdienst aber lief wohl darauf hinaus, daß ich von Anfang an sein Wesen begriff, vor allem aber seinen Humor. Er war ein wirklicher Humorist, von jener feinsten Art, die meist gar nicht verstanden oder wohl gar mißverstanden wird. Abgesehen davon, daß ihm dieser nicht verstandene Humor oft direktes Aergernis schuf, empfand er nebenher noch eine ernsthafte und doch auch wieder das Komische streifende Künstlertrauer darüber, gerade seine glänzendste gesellschaftliche Seite nur immer sehr ausnahmsweise gewürdigt zu sehen, und daß ich der war, der diese feinen Dinge jederzeit mit dankbarster Zunge kostete: das gewann mir recht eigentlich sein Herz. Er sammelte Geschichten für mich, erst um mir und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude. "Ich seh' Dich so gerne lachen" hab' ich ihn wohl hundertmal sagen hören. Gleich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft hatten wir uns in dem Satz gefunden: "alle Geschehnisse hätten nur insoweit Wert und Bedeutung für uns, als sie uns einen Stoff abwürfen." Noch in den Tagen, die dem achtzehnten März und dem bald darauf erfolgenden Abmarsch der Garden nach Schleswig-Holstein vorausgingen, waren wir aufs Lebelang mit Nachsicht an mir beurteilt. Es war, glaub’ ich, mancherlei, was ihn mir gewogen machte; mein Hauptverdienst aber lief wohl darauf hinaus, daß ich von Anfang an sein Wesen begriff, vor allem aber seinen Humor. Er war ein wirklicher Humorist, von jener feinsten Art, die meist gar nicht verstanden oder wohl gar mißverstanden wird. Abgesehen davon, daß ihm dieser nicht verstandene Humor oft direktes Aergernis schuf, empfand er nebenher noch eine ernsthafte und doch auch wieder das Komische streifende Künstlertrauer darüber, gerade seine glänzendste gesellschaftliche Seite nur immer sehr ausnahmsweise gewürdigt zu sehen, und daß ich der war, der diese feinen Dinge jederzeit mit dankbarster Zunge kostete: das gewann mir recht eigentlich sein Herz. Er sammelte Geschichten für mich, erst um mir und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude. „Ich seh’ Dich so gerne lachen“ hab’ ich ihn wohl hundertmal sagen hören. Gleich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft hatten wir uns in dem Satz gefunden: „alle Geschehnisse hätten nur insoweit Wert und Bedeutung für uns, als sie uns einen Stoff abwürfen.“ Noch in den Tagen, die dem achtzehnten März und dem bald darauf erfolgenden Abmarsch der Garden nach Schleswig-Holstein vorausgingen, waren wir aufs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0487" n="478"/> Lebelang mit Nachsicht an mir beurteilt. Es war, glaub’ ich, mancherlei, was ihn mir gewogen machte; mein Hauptverdienst aber lief wohl darauf hinaus, daß ich von Anfang an sein Wesen begriff, vor allem aber seinen Humor. Er war ein wirklicher Humorist, von jener feinsten Art, die meist gar nicht verstanden oder wohl gar mißverstanden wird. Abgesehen davon, daß ihm dieser nicht verstandene Humor oft direktes Aergernis schuf, empfand er nebenher noch eine ernsthafte und doch auch wieder das Komische streifende Künstlertrauer darüber, gerade seine glänzendste gesellschaftliche Seite nur immer sehr ausnahmsweise gewürdigt zu sehen, und daß ich der war, der diese feinen Dinge jederzeit mit dankbarster Zunge kostete: das gewann mir recht eigentlich sein Herz. Er sammelte Geschichten für mich, erst um <hi rendition="#g">mir</hi> und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude. „Ich seh’ Dich so gerne lachen“ hab’ ich ihn wohl hundertmal sagen hören. Gleich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft hatten wir uns in dem Satz gefunden: „alle Geschehnisse hätten nur insoweit Wert und Bedeutung für uns, als sie uns einen Stoff abwürfen.“ Noch in den Tagen, die dem achtzehnten März und dem bald darauf erfolgenden Abmarsch der Garden nach Schleswig-Holstein vorausgingen, waren wir aufs<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [478/0487]
Lebelang mit Nachsicht an mir beurteilt. Es war, glaub’ ich, mancherlei, was ihn mir gewogen machte; mein Hauptverdienst aber lief wohl darauf hinaus, daß ich von Anfang an sein Wesen begriff, vor allem aber seinen Humor. Er war ein wirklicher Humorist, von jener feinsten Art, die meist gar nicht verstanden oder wohl gar mißverstanden wird. Abgesehen davon, daß ihm dieser nicht verstandene Humor oft direktes Aergernis schuf, empfand er nebenher noch eine ernsthafte und doch auch wieder das Komische streifende Künstlertrauer darüber, gerade seine glänzendste gesellschaftliche Seite nur immer sehr ausnahmsweise gewürdigt zu sehen, und daß ich der war, der diese feinen Dinge jederzeit mit dankbarster Zunge kostete: das gewann mir recht eigentlich sein Herz. Er sammelte Geschichten für mich, erst um mir und dann gleich hinterher auch um sich selber eine Freude zu machen, eine Freude über meine Freude. „Ich seh’ Dich so gerne lachen“ hab’ ich ihn wohl hundertmal sagen hören. Gleich in den ersten Jahren unserer Bekanntschaft hatten wir uns in dem Satz gefunden: „alle Geschehnisse hätten nur insoweit Wert und Bedeutung für uns, als sie uns einen Stoff abwürfen.“ Noch in den Tagen, die dem achtzehnten März und dem bald darauf erfolgenden Abmarsch der Garden nach Schleswig-Holstein vorausgingen, waren wir aufs
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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