den er schon das vorige Mal als einen angenehmen und plauderhaften Mann kennen gelernt hatte, so blieb er unten im Gastzimmer und hatte da, was er sehr liebte, einen eingängigen Diskurs über deutsche Hotels in der Schweiz und in Italien. Der Besitzer des Hotels war vordem jahrelang Küchenchef in Venedig gewesen, was natürlich hundert Anknüpfungspunkte gab. Und dabei kam man auch auf Asti-Wein zu sprechen, und als Lepel hörte, daß der Wirt etwas davon in seinem Keller habe, bat er darum, und unter Plaudern behaglich sein zweites Frühstück nehmend, verging die Zeit. Zuletzt aber wurde der Wirt doch unruhig und sagte: "Ja, Herr Major, so schwer es mir wird ... aber ich glaube beinahe, es ist die höchste Zeit. Sie haben nur noch eine Viertelstunde." Lepel sprang nun auf und ging auf sein Zimmer, um da im Fluge Toilette zu machen. Aber das Versäumte war doch durch keine Flinkheit wieder einzubringen, und als er aufs neue bei dem Wirt unten erschien, erfuhr er, daß der Zug schon geraume Zeit nach der Kirche sei ... "Gut, gut, dann werd' ich direkt in die Kirche gehen." Und das geschah denn auch. Als er eintrat, schien ihm in der That noch nichts versäumt oder doch nur sehr wenig; sie sangen noch und die Orgel spielte leise. "Gott sei Dank," sagte Lepel vor sich
den er schon das vorige Mal als einen angenehmen und plauderhaften Mann kennen gelernt hatte, so blieb er unten im Gastzimmer und hatte da, was er sehr liebte, einen eingängigen Diskurs über deutsche Hotels in der Schweiz und in Italien. Der Besitzer des Hotels war vordem jahrelang Küchenchef in Venedig gewesen, was natürlich hundert Anknüpfungspunkte gab. Und dabei kam man auch auf Asti-Wein zu sprechen, und als Lepel hörte, daß der Wirt etwas davon in seinem Keller habe, bat er darum, und unter Plaudern behaglich sein zweites Frühstück nehmend, verging die Zeit. Zuletzt aber wurde der Wirt doch unruhig und sagte: „Ja, Herr Major, so schwer es mir wird … aber ich glaube beinahe, es ist die höchste Zeit. Sie haben nur noch eine Viertelstunde.“ Lepel sprang nun auf und ging auf sein Zimmer, um da im Fluge Toilette zu machen. Aber das Versäumte war doch durch keine Flinkheit wieder einzubringen, und als er aufs neue bei dem Wirt unten erschien, erfuhr er, daß der Zug schon geraume Zeit nach der Kirche sei … „Gut, gut, dann werd’ ich direkt in die Kirche gehen.“ Und das geschah denn auch. Als er eintrat, schien ihm in der That noch nichts versäumt oder doch nur sehr wenig; sie sangen noch und die Orgel spielte leise. „Gott sei Dank,“ sagte Lepel vor sich
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den er schon das vorige Mal als einen angenehmen und plauderhaften Mann kennen gelernt hatte, so blieb er unten im Gastzimmer und hatte da, was er sehr liebte, einen eingängigen Diskurs über deutsche Hotels in der Schweiz und in Italien. Der Besitzer des Hotels war vordem jahrelang Küchenchef in Venedig gewesen, was natürlich hundert Anknüpfungspunkte gab. Und dabei kam man auch auf Asti-Wein zu sprechen, und als Lepel hörte, daß der Wirt etwas davon in seinem Keller habe, bat er darum, und unter Plaudern behaglich sein zweites Frühstück nehmend, verging die Zeit. Zuletzt aber wurde der Wirt doch unruhig und sagte: „Ja, Herr Major, so schwer es mir wird … aber ich glaube beinahe, es ist die höchste Zeit. Sie haben nur noch eine Viertelstunde.“ Lepel sprang nun auf und ging auf sein Zimmer, um da im Fluge Toilette zu machen. Aber das Versäumte war doch durch keine Flinkheit wieder einzubringen, und als er aufs neue bei dem Wirt unten erschien, erfuhr er, daß der Zug schon geraume Zeit nach der Kirche sei …„Gut, gut, dann werd’ ich direkt in die Kirche gehen.“ Und das geschah denn auch. Als er eintrat, schien ihm in der That noch nichts versäumt oder doch nur sehr wenig; sie sangen noch und die Orgel spielte leise. „Gott sei Dank,“ sagte Lepel vor sich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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den er schon das vorige Mal als einen angenehmen und plauderhaften Mann kennen gelernt hatte, so blieb er unten im Gastzimmer und hatte da, was er sehr liebte, einen eingängigen Diskurs über deutsche Hotels in der Schweiz und in Italien. Der Besitzer des Hotels war vordem jahrelang Küchenchef in Venedig gewesen, was natürlich hundert Anknüpfungspunkte gab. Und dabei kam man auch auf Asti-Wein zu sprechen, und als Lepel hörte, daß der Wirt etwas davon in seinem Keller habe, bat er darum, und unter Plaudern behaglich sein zweites Frühstück nehmend, verging die Zeit. Zuletzt aber wurde der Wirt doch unruhig und sagte: „Ja, Herr Major, so schwer es mir wird … aber ich glaube beinahe, es ist die höchste Zeit. Sie haben nur noch eine Viertelstunde.“ Lepel sprang nun auf und ging auf sein Zimmer, um da im Fluge Toilette zu machen. Aber das Versäumte war doch durch keine Flinkheit wieder einzubringen, und als er aufs neue bei dem Wirt unten erschien, erfuhr er, daß der Zug schon geraume Zeit nach der Kirche sei … „Gut, gut, dann werd’ ich direkt in die Kirche gehen.“ Und das geschah denn auch. Als er eintrat, schien ihm in der That noch nichts versäumt oder doch nur sehr wenig; sie sangen noch und die Orgel spielte leise. „Gott sei Dank,“ sagte Lepel vor sich
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/490>, abgerufen am 27.07.2024.
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