schmiegen. Können sie das nicht, so haben sie ihre Aufgabe mehr oder weniger verfehlt. Alles, was Lepel damals schuf, ist zu schwer, und nur ein einziges unter diesen vorerwähnten römischen Gedichten ist voll geglückt, indem es zu der Korrektheit und Kraft des Ausdruckes auch noch Wohlklang gesellt. Dies Gedicht, in Terzinen, heißt "Ganganelli". Zunächst schon ein herrlicher Stoff. An jedem Gründonnerstage, so war es Herkommen durch Jahrhunderte hin, erschien der Papst in der Peterskirche, um seinen Fluch auf die Ketzer zu schleudern. Als aber Ganganelli, unter dem Namen Clemens XIV., Papst geworden war und die herzugeströmte Menge wieder den altehrwürdigen Fluch erwartete, klang es vom Altare her: "Ich segne alle Völker dieser Erde." Vielleicht wär' es das Schönste gewesen, Lepel hätte dieses Gedicht mit dieser Situationsschilderung und dem Segenswort des Papstes geschlossen; aber es war damals eine polemische Zeit, irgend was Anzügliches zu Nutz und Frommen des Liberalismus mußte geleistet werden, und so schloß denn auch das Gedicht mit folgender antijesuitischen Gesinnungstüchtigkeit:
Und Clio zeichnet Ganganellis Namen Ins große Buch der Welt mit goldnen Schriften, Euch aber frommt es nicht ihn nachzuahmen, Euch hat's allein gefrommt - ihn zu vergiften.
schmiegen. Können sie das nicht, so haben sie ihre Aufgabe mehr oder weniger verfehlt. Alles, was Lepel damals schuf, ist zu schwer, und nur ein einziges unter diesen vorerwähnten römischen Gedichten ist voll geglückt, indem es zu der Korrektheit und Kraft des Ausdruckes auch noch Wohlklang gesellt. Dies Gedicht, in Terzinen, heißt „Ganganelli“. Zunächst schon ein herrlicher Stoff. An jedem Gründonnerstage, so war es Herkommen durch Jahrhunderte hin, erschien der Papst in der Peterskirche, um seinen Fluch auf die Ketzer zu schleudern. Als aber Ganganelli, unter dem Namen Clemens XIV., Papst geworden war und die herzugeströmte Menge wieder den altehrwürdigen Fluch erwartete, klang es vom Altare her: „Ich segne alle Völker dieser Erde.“ Vielleicht wär’ es das Schönste gewesen, Lepel hätte dieses Gedicht mit dieser Situationsschilderung und dem Segenswort des Papstes geschlossen; aber es war damals eine polemische Zeit, irgend was Anzügliches zu Nutz und Frommen des Liberalismus mußte geleistet werden, und so schloß denn auch das Gedicht mit folgender antijesuitischen Gesinnungstüchtigkeit:
Und Clio zeichnet Ganganellis Namen Ins große Buch der Welt mit goldnen Schriften, Euch aber frommt es nicht ihn nachzuahmen, Euch hat’s allein gefrommt – ihn zu vergiften.
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schmiegen. Können sie das nicht, so haben sie ihre Aufgabe mehr oder weniger verfehlt. Alles, was Lepel damals schuf, ist zu schwer, und nur ein einziges unter diesen vorerwähnten römischen Gedichten ist voll geglückt, indem es zu der Korrektheit und Kraft des Ausdruckes auch noch Wohlklang gesellt. Dies Gedicht, in Terzinen, heißt „Ganganelli“. Zunächst schon ein herrlicher Stoff. An jedem Gründonnerstage, so war es Herkommen durch Jahrhunderte hin, erschien der Papst in der Peterskirche, um seinen Fluch auf die Ketzer zu schleudern. Als aber Ganganelli, unter dem Namen Clemens XIV., Papst geworden war und die herzugeströmte Menge wieder den altehrwürdigen Fluch erwartete, klang es vom Altare her: „Ich segne alle Völker dieser Erde.“ Vielleicht wär’ es das Schönste gewesen, Lepel hätte dieses Gedicht mit dieser Situationsschilderung und dem Segenswort des Papstes geschlossen; aber es war damals eine polemische Zeit, irgend was Anzügliches zu Nutz und Frommen des Liberalismus mußte geleistet werden, und so schloß denn auch das Gedicht mit folgender antijesuitischen Gesinnungstüchtigkeit:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Und Clio zeichnet Ganganellis Namen</l><lb/><l>Ins große Buch der Welt mit goldnen Schriften,</l><lb/><l>Euch aber frommt es nicht ihn nachzuahmen,</l><lb/><l>Euch hat’s allein gefrommt – ihn zu vergiften.</l></lg><lb/></div></div></body></text></TEI>
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schmiegen. Können sie das nicht, so haben sie ihre Aufgabe mehr oder weniger verfehlt. Alles, was Lepel damals schuf, ist zu schwer, und nur ein einziges unter diesen vorerwähnten römischen Gedichten ist voll geglückt, indem es zu der Korrektheit und Kraft des Ausdruckes auch noch Wohlklang gesellt. Dies Gedicht, in Terzinen, heißt „Ganganelli“. Zunächst schon ein herrlicher Stoff. An jedem Gründonnerstage, so war es Herkommen durch Jahrhunderte hin, erschien der Papst in der Peterskirche, um seinen Fluch auf die Ketzer zu schleudern. Als aber Ganganelli, unter dem Namen Clemens XIV., Papst geworden war und die herzugeströmte Menge wieder den altehrwürdigen Fluch erwartete, klang es vom Altare her: „Ich segne alle Völker dieser Erde.“ Vielleicht wär’ es das Schönste gewesen, Lepel hätte dieses Gedicht mit dieser Situationsschilderung und dem Segenswort des Papstes geschlossen; aber es war damals eine polemische Zeit, irgend was Anzügliches zu Nutz und Frommen des Liberalismus mußte geleistet werden, und so schloß denn auch das Gedicht mit folgender antijesuitischen Gesinnungstüchtigkeit:
Und Clio zeichnet Ganganellis Namen
Ins große Buch der Welt mit goldnen Schriften,
Euch aber frommt es nicht ihn nachzuahmen,
Euch hat’s allein gefrommt – ihn zu vergiften.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/493>, abgerufen am 27.07.2024.
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