Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.hingestorben und die Frage tritt jetzt an ihn heran, was seiner wohl noch harre, in Leben, Liebe, Glück. Und "ich mach' ein schwarzes Kreuz dabei" lautet auch hier wieder, vorahnend, die Antwort. Sein Leben war ein verfehltes und jäh schloß es ab. Meine Bekanntschaft mit ihm war damals, Sommer 1840, nur von kurzer Dauer, auch kamen wir uns nicht recht näher, weil ich, trotz des glatten Gesichts, ja, ich möchte fast sagen, um desselben willen, etwas Unheimliches an ihm herausfühlte. Vier, fünf Jahre später sah ich ihn flüchtig wieder. Er war in manchem verändert, nur nicht darin, daß er durchaus Sensation machen mußte. Sonderbarerweise verfuhr er dabei ganz nach seinen früheren Inscenierungsprincipien. Er wohnte zu jener Zeit zwei Treppen hoch in der Kronenstraße und gefiel sich, ganz ähnlich wie früher, darin, sich zur Erbauung der Vorübergehenden derart ins offne Fenster zu setzen, daß seine Beine, links und rechts neben dem Fensterkreuz herunterhingen. So saß er da, lesend, rauchend, während drüben das Abendrot über den Dächern hing. Dann - aber erst geraume Zeit später - ersah ich aus den Zeitungen, daß er sich einer nach Ostasien (Japan) bestimmten staatlichen Expedition angeschlossen habe, deren Chef Graf Fritz Eulenburg, hingestorben und die Frage tritt jetzt an ihn heran, was seiner wohl noch harre, in Leben, Liebe, Glück. Und „ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei“ lautet auch hier wieder, vorahnend, die Antwort. Sein Leben war ein verfehltes und jäh schloß es ab. Meine Bekanntschaft mit ihm war damals, Sommer 1840, nur von kurzer Dauer, auch kamen wir uns nicht recht näher, weil ich, trotz des glatten Gesichts, ja, ich möchte fast sagen, um desselben willen, etwas Unheimliches an ihm herausfühlte. Vier, fünf Jahre später sah ich ihn flüchtig wieder. Er war in manchem verändert, nur nicht darin, daß er durchaus Sensation machen mußte. Sonderbarerweise verfuhr er dabei ganz nach seinen früheren Inscenierungsprincipien. Er wohnte zu jener Zeit zwei Treppen hoch in der Kronenstraße und gefiel sich, ganz ähnlich wie früher, darin, sich zur Erbauung der Vorübergehenden derart ins offne Fenster zu setzen, daß seine Beine, links und rechts neben dem Fensterkreuz herunterhingen. So saß er da, lesend, rauchend, während drüben das Abendrot über den Dächern hing. Dann – aber erst geraume Zeit später – ersah ich aus den Zeitungen, daß er sich einer nach Ostasien (Japan) bestimmten staatlichen Expedition angeschlossen habe, deren Chef Graf Fritz Eulenburg, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="46"/> hingestorben und die Frage tritt jetzt an ihn heran, was seiner wohl noch harre, in Leben, Liebe, Glück. Und „ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei“ lautet auch hier wieder, vorahnend, die Antwort. Sein Leben war ein verfehltes und jäh schloß es ab.</p><lb/> <p>Meine Bekanntschaft mit ihm war damals, Sommer 1840, nur von kurzer Dauer, auch kamen wir uns nicht recht näher, weil ich, trotz des glatten Gesichts, ja, ich möchte fast sagen, um desselben willen, etwas Unheimliches an ihm herausfühlte. Vier, fünf Jahre später sah ich ihn flüchtig wieder. Er war in manchem verändert, nur nicht darin, daß er durchaus Sensation machen mußte. Sonderbarerweise verfuhr er dabei ganz nach seinen früheren Inscenierungsprincipien. Er wohnte zu jener Zeit zwei Treppen hoch in der Kronenstraße und gefiel sich, ganz ähnlich wie früher, darin, sich zur Erbauung der Vorübergehenden derart ins offne Fenster zu setzen, daß seine Beine, links und rechts neben dem Fensterkreuz herunterhingen. So saß er da, lesend, rauchend, während drüben das Abendrot über den Dächern hing.</p><lb/> <p>Dann – aber erst geraume Zeit später – ersah ich aus den Zeitungen, daß er sich einer nach Ostasien (Japan) bestimmten staatlichen Expedition angeschlossen habe, deren Chef Graf Fritz Eulenburg,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0055]
hingestorben und die Frage tritt jetzt an ihn heran, was seiner wohl noch harre, in Leben, Liebe, Glück. Und „ich mach’ ein schwarzes Kreuz dabei“ lautet auch hier wieder, vorahnend, die Antwort. Sein Leben war ein verfehltes und jäh schloß es ab.
Meine Bekanntschaft mit ihm war damals, Sommer 1840, nur von kurzer Dauer, auch kamen wir uns nicht recht näher, weil ich, trotz des glatten Gesichts, ja, ich möchte fast sagen, um desselben willen, etwas Unheimliches an ihm herausfühlte. Vier, fünf Jahre später sah ich ihn flüchtig wieder. Er war in manchem verändert, nur nicht darin, daß er durchaus Sensation machen mußte. Sonderbarerweise verfuhr er dabei ganz nach seinen früheren Inscenierungsprincipien. Er wohnte zu jener Zeit zwei Treppen hoch in der Kronenstraße und gefiel sich, ganz ähnlich wie früher, darin, sich zur Erbauung der Vorübergehenden derart ins offne Fenster zu setzen, daß seine Beine, links und rechts neben dem Fensterkreuz herunterhingen. So saß er da, lesend, rauchend, während drüben das Abendrot über den Dächern hing.
Dann – aber erst geraume Zeit später – ersah ich aus den Zeitungen, daß er sich einer nach Ostasien (Japan) bestimmten staatlichen Expedition angeschlossen habe, deren Chef Graf Fritz Eulenburg,
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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