setzen, entsprach nicht den damaligen Gepflogenheiten und Rouanet ward also Kämmerer. Das ist er denn auch an die fünfzig Jahr gewesen. Anfänglich war man in einer gewissen versteckten Opposition gegen ihn, als dann aber die "Franzosenzeit" kam, sah er sich in der Lage, dem ganzen Landesteile Beeskow-Storkow so große Dienste leisten zu können, daß er ein Gegenstand der Verehrung und Liebe wurde, worauf er, seinem ganzen Charakter nach, ohnehin allen Anspruch hatte. Er war hochherzig, hatte sich die schönen, leider so oft zur Karrikatur verzerrten Grundsätze der Aufklärungszeit zu eigen gemacht und handelte danach, oft in sehr schweren Lagen. Als er ungefähr achtzig war, trat er mit vollem Gehalt in den Ruhestand, was der Stadt Beeskow die Pflicht auferlegte, zwei Kämmerer-Gehalte bezahlen zu müssen. Indessen getröstete man sich, daß es bei seinem hohen Alter nicht lange dauern würde. Darin aber ging man einer Enttäuschung entgegen; der alte Rouanet brachte es bis auf zweiundneunzig, was denn doch die Geduld der Beeskower auf eine harte Probe stellte. Sie rächten sich denn auch durch kleine Malicen. Rouanet, so hieß es, sei eigentlich längst tot; die Angehörigen aber besäßen ein gutes Portrait von ihm, Brustbild, das sie, wenn's dunkel würde, jedesmal ins Fenster
setzen, entsprach nicht den damaligen Gepflogenheiten und Rouanet ward also Kämmerer. Das ist er denn auch an die fünfzig Jahr gewesen. Anfänglich war man in einer gewissen versteckten Opposition gegen ihn, als dann aber die „Franzosenzeit“ kam, sah er sich in der Lage, dem ganzen Landesteile Beeskow-Storkow so große Dienste leisten zu können, daß er ein Gegenstand der Verehrung und Liebe wurde, worauf er, seinem ganzen Charakter nach, ohnehin allen Anspruch hatte. Er war hochherzig, hatte sich die schönen, leider so oft zur Karrikatur verzerrten Grundsätze der Aufklärungszeit zu eigen gemacht und handelte danach, oft in sehr schweren Lagen. Als er ungefähr achtzig war, trat er mit vollem Gehalt in den Ruhestand, was der Stadt Beeskow die Pflicht auferlegte, zwei Kämmerer-Gehalte bezahlen zu müssen. Indessen getröstete man sich, daß es bei seinem hohen Alter nicht lange dauern würde. Darin aber ging man einer Enttäuschung entgegen; der alte Rouanet brachte es bis auf zweiundneunzig, was denn doch die Geduld der Beeskower auf eine harte Probe stellte. Sie rächten sich denn auch durch kleine Malicen. Rouanet, so hieß es, sei eigentlich längst tot; die Angehörigen aber besäßen ein gutes Portrait von ihm, Brustbild, das sie, wenn’s dunkel würde, jedesmal ins Fenster
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><prend="Body Text Indent 2"><pbfacs="#f0550"n="541"/>
setzen, entsprach nicht den damaligen Gepflogenheiten und Rouanet ward also Kämmerer. Das ist er denn auch an die fünfzig Jahr gewesen. Anfänglich war man in einer gewissen versteckten Opposition gegen ihn, als dann aber die „Franzosenzeit“ kam, sah er sich in der Lage, dem ganzen Landesteile Beeskow-Storkow so große Dienste leisten zu können, daß er ein Gegenstand der Verehrung und Liebe wurde, worauf er, seinem ganzen Charakter nach, ohnehin allen Anspruch hatte. Er war hochherzig, hatte sich die schönen, leider so oft zur Karrikatur verzerrten Grundsätze der Aufklärungszeit zu eigen gemacht und handelte danach, oft in sehr schweren Lagen. Als er ungefähr achtzig war, trat er mit vollem Gehalt in den Ruhestand, was der Stadt Beeskow die Pflicht auferlegte, zwei Kämmerer-Gehalte bezahlen zu müssen. Indessen getröstete man sich, daß es bei seinem hohen Alter nicht lange dauern würde. Darin aber ging man einer Enttäuschung entgegen; der alte Rouanet brachte es bis auf zweiundneunzig, was denn doch die Geduld der Beeskower auf eine harte Probe stellte. Sie rächten sich denn auch durch kleine Malicen. Rouanet, so hieß es, sei eigentlich längst tot; die Angehörigen aber besäßen ein gutes Portrait von ihm, Brustbild, das sie, wenn’s dunkel würde, jedesmal ins Fenster<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[541/0550]
setzen, entsprach nicht den damaligen Gepflogenheiten und Rouanet ward also Kämmerer. Das ist er denn auch an die fünfzig Jahr gewesen. Anfänglich war man in einer gewissen versteckten Opposition gegen ihn, als dann aber die „Franzosenzeit“ kam, sah er sich in der Lage, dem ganzen Landesteile Beeskow-Storkow so große Dienste leisten zu können, daß er ein Gegenstand der Verehrung und Liebe wurde, worauf er, seinem ganzen Charakter nach, ohnehin allen Anspruch hatte. Er war hochherzig, hatte sich die schönen, leider so oft zur Karrikatur verzerrten Grundsätze der Aufklärungszeit zu eigen gemacht und handelte danach, oft in sehr schweren Lagen. Als er ungefähr achtzig war, trat er mit vollem Gehalt in den Ruhestand, was der Stadt Beeskow die Pflicht auferlegte, zwei Kämmerer-Gehalte bezahlen zu müssen. Indessen getröstete man sich, daß es bei seinem hohen Alter nicht lange dauern würde. Darin aber ging man einer Enttäuschung entgegen; der alte Rouanet brachte es bis auf zweiundneunzig, was denn doch die Geduld der Beeskower auf eine harte Probe stellte. Sie rächten sich denn auch durch kleine Malicen. Rouanet, so hieß es, sei eigentlich längst tot; die Angehörigen aber besäßen ein gutes Portrait von ihm, Brustbild, das sie, wenn’s dunkel würde, jedesmal ins Fenster
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/550>, abgerufen am 25.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.