Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.zunächst an und nachdem sie sich niedergehuckt hatten, setzte sich mein Rival als Schlittenpferd in Gang und jagte mit beiden die ganze Hamburgerstraße hinunter und wieder hinauf. Ich wurde dann verhöhnt. "O, der hält sich für zu gut, der spielt den Vornehmen. Was er sich nur einbildet." So ging es weiter und ich stand neben meinem Nebenbuhler ganz entschieden zurück. Aber es kamen doch auch wieder Momente, wo mir der Sieg zufiel und das hing mit des Kindes Hauptleidenschaft zusammen, mit seiner Theaterpassion. Rat Kummer, der überhaupt ein Tausendkünstler war - er ist unter anderen auch der Erfinder der Reliefkarten und Globen und hat sich dadurch ein wirkliches, der Erdkunde zu gute kommendes Verdienst erworben - hatte, gestützt auf alte Bekanntschaft mit dem Theaterintendanten Grafen Brühl, auch allerlei Bühnenbeziehungen und diese machten es, daß das Kind früh ins Theater mitgenommen und unter das eigentümlich Berauschende, das die poetische Scheinwelt hat, gebracht wurde. Sie hatte viele Stücke gesehn, namentlich Schiller'sche; aber auch Shakespeare. Mal war sie wieder bei meinem Pensionsvater, Onkel August, zu Besuch und als ich aus meiner Hinterstube nach vorn kam, wo sich zu besserer Unterhaltung des Kindes auch wieder die nebenan wohnende Spiel- zunächst an und nachdem sie sich niedergehuckt hatten, setzte sich mein Rival als Schlittenpferd in Gang und jagte mit beiden die ganze Hamburgerstraße hinunter und wieder hinauf. Ich wurde dann verhöhnt. „O, der hält sich für zu gut, der spielt den Vornehmen. Was er sich nur einbildet.“ So ging es weiter und ich stand neben meinem Nebenbuhler ganz entschieden zurück. Aber es kamen doch auch wieder Momente, wo mir der Sieg zufiel und das hing mit des Kindes Hauptleidenschaft zusammen, mit seiner Theaterpassion. Rat Kummer, der überhaupt ein Tausendkünstler war – er ist unter anderen auch der Erfinder der Reliefkarten und Globen und hat sich dadurch ein wirkliches, der Erdkunde zu gute kommendes Verdienst erworben – hatte, gestützt auf alte Bekanntschaft mit dem Theaterintendanten Grafen Brühl, auch allerlei Bühnenbeziehungen und diese machten es, daß das Kind früh ins Theater mitgenommen und unter das eigentümlich Berauschende, das die poetische Scheinwelt hat, gebracht wurde. Sie hatte viele Stücke gesehn, namentlich Schiller’sche; aber auch Shakespeare. Mal war sie wieder bei meinem Pensionsvater, Onkel August, zu Besuch und als ich aus meiner Hinterstube nach vorn kam, wo sich zu besserer Unterhaltung des Kindes auch wieder die nebenan wohnende Spiel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0558" n="549"/> zunächst an und nachdem sie sich niedergehuckt hatten, setzte sich mein Rival als Schlittenpferd in Gang und jagte mit beiden die ganze Hamburgerstraße hinunter und wieder hinauf. Ich wurde dann verhöhnt. „O, der hält sich für zu gut, der spielt den Vornehmen. Was er sich nur einbildet.“ So ging es weiter und ich stand neben meinem Nebenbuhler ganz entschieden zurück. Aber es kamen doch auch wieder Momente, wo <hi rendition="#g">mir</hi> der Sieg zufiel und das hing mit des Kindes Hauptleidenschaft zusammen, mit seiner Theaterpassion.</p><lb/> <p>Rat Kummer, der überhaupt ein Tausendkünstler war – er ist unter anderen auch der Erfinder der Reliefkarten und Globen und hat sich dadurch ein wirkliches, der Erdkunde zu gute kommendes Verdienst erworben – hatte, gestützt auf alte Bekanntschaft mit dem Theaterintendanten Grafen Brühl, auch allerlei Bühnenbeziehungen und diese machten es, daß das Kind früh ins Theater mitgenommen und unter das eigentümlich Berauschende, das die poetische Scheinwelt hat, gebracht wurde. Sie hatte viele Stücke gesehn, namentlich Schiller’sche; aber auch Shakespeare. Mal war sie wieder bei meinem Pensionsvater, Onkel August, zu Besuch und als ich aus meiner Hinterstube nach vorn kam, wo sich zu besserer Unterhaltung des Kindes auch wieder die nebenan wohnende Spiel-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [549/0558]
zunächst an und nachdem sie sich niedergehuckt hatten, setzte sich mein Rival als Schlittenpferd in Gang und jagte mit beiden die ganze Hamburgerstraße hinunter und wieder hinauf. Ich wurde dann verhöhnt. „O, der hält sich für zu gut, der spielt den Vornehmen. Was er sich nur einbildet.“ So ging es weiter und ich stand neben meinem Nebenbuhler ganz entschieden zurück. Aber es kamen doch auch wieder Momente, wo mir der Sieg zufiel und das hing mit des Kindes Hauptleidenschaft zusammen, mit seiner Theaterpassion.
Rat Kummer, der überhaupt ein Tausendkünstler war – er ist unter anderen auch der Erfinder der Reliefkarten und Globen und hat sich dadurch ein wirkliches, der Erdkunde zu gute kommendes Verdienst erworben – hatte, gestützt auf alte Bekanntschaft mit dem Theaterintendanten Grafen Brühl, auch allerlei Bühnenbeziehungen und diese machten es, daß das Kind früh ins Theater mitgenommen und unter das eigentümlich Berauschende, das die poetische Scheinwelt hat, gebracht wurde. Sie hatte viele Stücke gesehn, namentlich Schiller’sche; aber auch Shakespeare. Mal war sie wieder bei meinem Pensionsvater, Onkel August, zu Besuch und als ich aus meiner Hinterstube nach vorn kam, wo sich zu besserer Unterhaltung des Kindes auch wieder die nebenan wohnende Spiel-
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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