Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.keiten und auch keine rechten Pflichten gegeben, in der ihm vielmehr nur obgelegen hätte, munter zu plaudern, Feste zu feiern, ein Lied zu singen oder am Klavier zu begleiten, wenn es, sag' ich, möglich gewesen wäre, ihn als einen durch glücklichste Placierung vor jeder Lebenssorge Geschützten, - und es giebt solche Stellungen - unterzubringen, so würde vielleicht das denkbar Rühmlichste von ihm zu sagen sein; er mußte ein Leben führen, das ihm keine Versuchungen nahe legte, das ihn nie in die Lage brachte, auf kleine Wünsche, denn sie waren immer "klein", zu verzichten oder gar den Kampf der Pflicht zu kämpfen. Auf diesen Kampf war er schlechterdings nicht eingerichtet und der unausbleibliche moralische Bankrott, der darin vorgezeichnet lag, ist ihm, wenn ich ihn richtig beurteile, nie so recht zum Bewußtsein gekommen. Wenn er kein Geld hatte, so nahm er's, wo er's fand und that rücksichtslos alles, um die durch ihn herbeigeführte, meist sehr dunkle Situation in einer Katastrophe untergehn zu lassen. Es mußte nur nicht 'rauskommen. Alles andre war gleichgiltig. Es sind das die gefährlichsten Menschen, die es giebt; die Gewaltsamen verschwinden daneben und stehen auch sittlich unendlich höher. Bei solchen Kraftnaturen ist eine Bekehrung möglich, bei diesen liebenswürdigen Taugenichtsen nie. Ich kann sagen, mir keiten und auch keine rechten Pflichten gegeben, in der ihm vielmehr nur obgelegen hätte, munter zu plaudern, Feste zu feiern, ein Lied zu singen oder am Klavier zu begleiten, wenn es, sag’ ich, möglich gewesen wäre, ihn als einen durch glücklichste Placierung vor jeder Lebenssorge Geschützten, – und es giebt solche Stellungen – unterzubringen, so würde vielleicht das denkbar Rühmlichste von ihm zu sagen sein; er mußte ein Leben führen, das ihm keine Versuchungen nahe legte, das ihn nie in die Lage brachte, auf kleine Wünsche, denn sie waren immer „klein“, zu verzichten oder gar den Kampf der Pflicht zu kämpfen. Auf diesen Kampf war er schlechterdings nicht eingerichtet und der unausbleibliche moralische Bankrott, der darin vorgezeichnet lag, ist ihm, wenn ich ihn richtig beurteile, nie so recht zum Bewußtsein gekommen. Wenn er kein Geld hatte, so nahm er’s, wo er’s fand und that rücksichtslos alles, um die durch ihn herbeigeführte, meist sehr dunkle Situation in einer Katastrophe untergehn zu lassen. Es mußte nur nicht ’rauskommen. Alles andre war gleichgiltig. Es sind das die gefährlichsten Menschen, die es giebt; die Gewaltsamen verschwinden daneben und stehen auch sittlich unendlich höher. Bei solchen Kraftnaturen ist eine Bekehrung möglich, bei diesen liebenswürdigen Taugenichtsen nie. Ich kann sagen, mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0575" n="566"/> keiten und auch keine rechten Pflichten gegeben, in der ihm vielmehr nur obgelegen hätte, munter zu plaudern, Feste zu feiern, ein Lied zu singen oder am Klavier zu begleiten, wenn es, sag’ ich, möglich gewesen wäre, ihn als einen durch glücklichste Placierung vor jeder Lebenssorge Geschützten, – und es <hi rendition="#g">giebt</hi> solche Stellungen – unterzubringen, so würde vielleicht das denkbar Rühmlichste von ihm zu sagen sein; er mußte ein Leben führen, das ihm keine Versuchungen nahe legte, das ihn nie in die Lage brachte, auf kleine Wünsche, denn sie waren immer „klein“, zu verzichten oder gar den Kampf der Pflicht zu kämpfen. Auf diesen Kampf war er schlechterdings nicht eingerichtet und der unausbleibliche moralische Bankrott, der darin vorgezeichnet lag, ist ihm, wenn ich ihn richtig beurteile, nie so recht zum Bewußtsein gekommen. Wenn er kein Geld hatte, so nahm er’s, wo er’s fand und that rücksichtslos alles, um die durch ihn herbeigeführte, meist sehr dunkle Situation in einer Katastrophe untergehn zu lassen. Es mußte nur nicht ’rauskommen. Alles andre war gleichgiltig. Es sind das die gefährlichsten Menschen, die es giebt; die Gewaltsamen verschwinden daneben und stehen auch sittlich unendlich höher. Bei solchen Kraftnaturen ist eine Bekehrung möglich, bei diesen liebenswürdigen Taugenichtsen nie. Ich kann sagen, mir<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [566/0575]
keiten und auch keine rechten Pflichten gegeben, in der ihm vielmehr nur obgelegen hätte, munter zu plaudern, Feste zu feiern, ein Lied zu singen oder am Klavier zu begleiten, wenn es, sag’ ich, möglich gewesen wäre, ihn als einen durch glücklichste Placierung vor jeder Lebenssorge Geschützten, – und es giebt solche Stellungen – unterzubringen, so würde vielleicht das denkbar Rühmlichste von ihm zu sagen sein; er mußte ein Leben führen, das ihm keine Versuchungen nahe legte, das ihn nie in die Lage brachte, auf kleine Wünsche, denn sie waren immer „klein“, zu verzichten oder gar den Kampf der Pflicht zu kämpfen. Auf diesen Kampf war er schlechterdings nicht eingerichtet und der unausbleibliche moralische Bankrott, der darin vorgezeichnet lag, ist ihm, wenn ich ihn richtig beurteile, nie so recht zum Bewußtsein gekommen. Wenn er kein Geld hatte, so nahm er’s, wo er’s fand und that rücksichtslos alles, um die durch ihn herbeigeführte, meist sehr dunkle Situation in einer Katastrophe untergehn zu lassen. Es mußte nur nicht ’rauskommen. Alles andre war gleichgiltig. Es sind das die gefährlichsten Menschen, die es giebt; die Gewaltsamen verschwinden daneben und stehen auch sittlich unendlich höher. Bei solchen Kraftnaturen ist eine Bekehrung möglich, bei diesen liebenswürdigen Taugenichtsen nie. Ich kann sagen, mir
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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