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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.

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Schweißtriefend kam ich von dem stillen Kirchplatz in die neue Königstraße zurück, auf der eben vom Thor her ein Arbeiterhaufen heranrückte, lauter ordentliche Leute, nur um sie herum etliche verdächtige Gestalten. Es war halb wie eine militärische Kolonne, und ohne zu wissen, was sie vorhatte, rangierte ich mich ein und ließ mich mit fortreißen. Es ging über den Alexanderplatz weg auf das Königstädter Theater zu, das alsbald wie im Sturm genommen wurde. Man brach aber nicht von der Front, sondern von der Seite her ein und besetzte hier, während einige, die Bescheid wußten, bis in die Garderoben und Requisitenkammern vordrangen, einen Vorraum, wahrscheinlich eine Pförtnerstube, drin ein Bett stand. Ueber dem Bett hing eine altmodische silberne Uhr, eine sogenannte Pfund-Uhr, mit dicken Berlocques und großen römischen Zahlen. Einer griff darnach. "Nicht anrühren," donnerte von hinten her eine Stimme rüber und ich konnte leicht wahrnehmen, daß es ein Führer war, der da, von seinem Platz aus, nach dem Rechten sah und dafür sorgte, daß sich das mehr und mehr mit einmischende Gesindel nicht aufkomme. Mittlerweile hatten die weiter in den Innenraum Eingedrungenen all das gefunden, wonach sie suchten und in derselben Weise wie sich beim Hausbau die Steinträger die Steine zuwerfen,

Schweißtriefend kam ich von dem stillen Kirchplatz in die neue Königstraße zurück, auf der eben vom Thor her ein Arbeiterhaufen heranrückte, lauter ordentliche Leute, nur um sie herum etliche verdächtige Gestalten. Es war halb wie eine militärische Kolonne, und ohne zu wissen, was sie vorhatte, rangierte ich mich ein und ließ mich mit fortreißen. Es ging über den Alexanderplatz weg auf das Königstädter Theater zu, das alsbald wie im Sturm genommen wurde. Man brach aber nicht von der Front, sondern von der Seite her ein und besetzte hier, während einige, die Bescheid wußten, bis in die Garderoben und Requisitenkammern vordrangen, einen Vorraum, wahrscheinlich eine Pförtnerstube, drin ein Bett stand. Ueber dem Bett hing eine altmodische silberne Uhr, eine sogenannte Pfund-Uhr, mit dicken Berlocques und großen römischen Zahlen. Einer griff darnach. „Nicht anrühren,“ donnerte von hinten her eine Stimme rüber und ich konnte leicht wahrnehmen, daß es ein Führer war, der da, von seinem Platz aus, nach dem Rechten sah und dafür sorgte, daß sich das mehr und mehr mit einmischende Gesindel nicht aufkomme. Mittlerweile hatten die weiter in den Innenraum Eingedrungenen all das gefunden, wonach sie suchten und in derselben Weise wie sich beim Hausbau die Steinträger die Steine zuwerfen,

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[586/0595] Schweißtriefend kam ich von dem stillen Kirchplatz in die neue Königstraße zurück, auf der eben vom Thor her ein Arbeiterhaufen heranrückte, lauter ordentliche Leute, nur um sie herum etliche verdächtige Gestalten. Es war halb wie eine militärische Kolonne, und ohne zu wissen, was sie vorhatte, rangierte ich mich ein und ließ mich mit fortreißen. Es ging über den Alexanderplatz weg auf das Königstädter Theater zu, das alsbald wie im Sturm genommen wurde. Man brach aber nicht von der Front, sondern von der Seite her ein und besetzte hier, während einige, die Bescheid wußten, bis in die Garderoben und Requisitenkammern vordrangen, einen Vorraum, wahrscheinlich eine Pförtnerstube, drin ein Bett stand. Ueber dem Bett hing eine altmodische silberne Uhr, eine sogenannte Pfund-Uhr, mit dicken Berlocques und großen römischen Zahlen. Einer griff darnach. „Nicht anrühren,“ donnerte von hinten her eine Stimme rüber und ich konnte leicht wahrnehmen, daß es ein Führer war, der da, von seinem Platz aus, nach dem Rechten sah und dafür sorgte, daß sich das mehr und mehr mit einmischende Gesindel nicht aufkomme. Mittlerweile hatten die weiter in den Innenraum Eingedrungenen all das gefunden, wonach sie suchten und in derselben Weise wie sich beim Hausbau die Steinträger die Steine zuwerfen,

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Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T10:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T10:02:20Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/595>, abgerufen am 22.11.2024.