Zwischenperson war der "Wahlmann". Er ging aus der Hand des Urwählers hervor, um dann aus seiner - des Wahlmanns - Hand wiederum den eigentlichen Volksvertreter hervorgehen zu lassen.
Alle Detailbestimmungen sind meinem Gedächtnisse natürlich längst entfallen und ich weiß nur noch, daß ich persönlich alt genug war, um als "Urwähler" auftreten zu können. Ich erhielt also mutmaßlich den entsprechenden Zettel und begab mich, mit diesem ausgerüstet, in ein Lokal, in welchem sich die Urwähler der Neuen Königstraße samt Umgegend über ihren "Wahlmann" schlüssig machen und diesen ihren politischen Vertrauensmann proklamieren sollten. Wenn ich eben sagte "in ein Lokal", so ist dies nicht ganz richtig. Ein "Lokal" ist nach Berliner Vorstellung eine Oertlichkeit, drin viele Kellner umherstehen und einem unter Umständen ein Seidel bringen, noch ehe man es bestellt hat. Ein solches "Lokal" war nun aber unser Wahl-Lokal keineswegs; es war vielmehr ein großer langer Boden, an dessen Seiten mächtige Wollsäcke hochaufgetürmt lagen, während zwei dieser Säcke sich im rechten Winkel quer vorschoben und einen Abteil, eine Art Geschäftsraum herstellten. In Front davon war ein Tischchen aufgestellt, an dem ein Wahlkommissar, oder etwas dem Aehnliches saß, ein würdiger alter Herr, auch ganz augenscheinlich der
Zwischenperson war der „Wahlmann“. Er ging aus der Hand des Urwählers hervor, um dann aus seiner – des Wahlmanns – Hand wiederum den eigentlichen Volksvertreter hervorgehen zu lassen.
Alle Detailbestimmungen sind meinem Gedächtnisse natürlich längst entfallen und ich weiß nur noch, daß ich persönlich alt genug war, um als „Urwähler“ auftreten zu können. Ich erhielt also mutmaßlich den entsprechenden Zettel und begab mich, mit diesem ausgerüstet, in ein Lokal, in welchem sich die Urwähler der Neuen Königstraße samt Umgegend über ihren „Wahlmann“ schlüssig machen und diesen ihren politischen Vertrauensmann proklamieren sollten. Wenn ich eben sagte „in ein Lokal“, so ist dies nicht ganz richtig. Ein „Lokal“ ist nach Berliner Vorstellung eine Oertlichkeit, drin viele Kellner umherstehen und einem unter Umständen ein Seidel bringen, noch ehe man es bestellt hat. Ein solches „Lokal“ war nun aber unser Wahl-Lokal keineswegs; es war vielmehr ein großer langer Boden, an dessen Seiten mächtige Wollsäcke hochaufgetürmt lagen, während zwei dieser Säcke sich im rechten Winkel quer vorschoben und einen Abteil, eine Art Geschäftsraum herstellten. In Front davon war ein Tischchen aufgestellt, an dem ein Wahlkommissar, oder etwas dem Aehnliches saß, ein würdiger alter Herr, auch ganz augenscheinlich der
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Zwischenperson war der „Wahlmann“. Er ging aus der Hand des Urwählers hervor, um dann aus seiner – des Wahlmanns – Hand wiederum den eigentlichen Volksvertreter hervorgehen zu lassen.</p><lb/><p>Alle Detailbestimmungen sind meinem Gedächtnisse natürlich längst entfallen und ich weiß nur noch, daß ich persönlich alt genug war, um als „Urwähler“ auftreten zu können. Ich erhielt also mutmaßlich den entsprechenden Zettel und begab mich, mit diesem ausgerüstet, in ein Lokal, in welchem sich die Urwähler der Neuen Königstraße samt Umgegend über ihren „Wahlmann“ schlüssig machen und diesen ihren politischen Vertrauensmann proklamieren sollten. Wenn ich eben sagte „in ein Lokal“, so ist dies nicht ganz richtig. Ein „Lokal“ ist nach Berliner Vorstellung eine Oertlichkeit, drin viele Kellner umherstehen und einem unter Umständen ein Seidel bringen, noch ehe man es bestellt hat. Ein solches „Lokal“ war nun aber unser <hirendition="#g">Wahl</hi>-Lokal keineswegs; es war vielmehr ein großer langer Boden, an dessen Seiten mächtige Wollsäcke hochaufgetürmt lagen, während zwei dieser Säcke sich im rechten Winkel quer vorschoben und einen Abteil, eine Art Geschäftsraum herstellten. In Front davon war ein Tischchen aufgestellt, an dem ein Wahlkommissar, oder etwas dem Aehnliches saß, ein würdiger alter Herr, auch ganz augenscheinlich der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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Zwischenperson war der „Wahlmann“. Er ging aus der Hand des Urwählers hervor, um dann aus seiner – des Wahlmanns – Hand wiederum den eigentlichen Volksvertreter hervorgehen zu lassen.
Alle Detailbestimmungen sind meinem Gedächtnisse natürlich längst entfallen und ich weiß nur noch, daß ich persönlich alt genug war, um als „Urwähler“ auftreten zu können. Ich erhielt also mutmaßlich den entsprechenden Zettel und begab mich, mit diesem ausgerüstet, in ein Lokal, in welchem sich die Urwähler der Neuen Königstraße samt Umgegend über ihren „Wahlmann“ schlüssig machen und diesen ihren politischen Vertrauensmann proklamieren sollten. Wenn ich eben sagte „in ein Lokal“, so ist dies nicht ganz richtig. Ein „Lokal“ ist nach Berliner Vorstellung eine Oertlichkeit, drin viele Kellner umherstehen und einem unter Umständen ein Seidel bringen, noch ehe man es bestellt hat. Ein solches „Lokal“ war nun aber unser Wahl-Lokal keineswegs; es war vielmehr ein großer langer Boden, an dessen Seiten mächtige Wollsäcke hochaufgetürmt lagen, während zwei dieser Säcke sich im rechten Winkel quer vorschoben und einen Abteil, eine Art Geschäftsraum herstellten. In Front davon war ein Tischchen aufgestellt, an dem ein Wahlkommissar, oder etwas dem Aehnliches saß, ein würdiger alter Herr, auch ganz augenscheinlich der
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/632>, abgerufen am 28.07.2024.
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