Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.sein können. Es war aber eigentlich langweilig. Wilms war immer etwas gereizt, teils weil ihn das Pastor Schultzische Papsttum direkt verdroß, teils weil ihn die Haltung der beiden ihm vorgesetzten Aerzte das mindeste zu sagen nicht recht befriedigte. Dazu kam auch wohl noch die Vorahnung beziehentlich Gewißheit, daß er die, denen er sich jetzt unterstellt sah, sehr bald überflügeln würde. Dem nachzuhängen, wäre nun gewiß sein gutes und für mich unter allen Umständen sehr unterhaltliches Recht gewesen, aber weil er bei seinen großen Vorzügen - seine größte Eigenschaft, fast noch über das Aerztliche hinaus, war seine Humanität - doch eigentlich was Philiströses hatte, so verstand er es nicht, seinen Unmut grotesk-amüsant zu inszenieren. Er hatte keine Spur von Witz und Humor und entbehrte alles geistig Drüberstehenden. Er wurde nur groß, wenn er das Seziermesser in die Hand nahm. So Wilms. Er war nicht interessant. Aber das war freilich auch das Einzige, was sich gegen ihn sagen ließ, während es mit dem Inspektor auf manch ernsterem Gebiete bedenklich stand. Er hatte das rosige, gut rasierte Glattgesicht der Frommen, dazu auch die verbindlichen Manieren, deren sich diese zwar nicht immer, aber doch meist befleißigen. Insoweit wär' es also mit ihm sehr gut auszuhalten gewesen. sein können. Es war aber eigentlich langweilig. Wilms war immer etwas gereizt, teils weil ihn das Pastor Schultzische Papsttum direkt verdroß, teils weil ihn die Haltung der beiden ihm vorgesetzten Aerzte das mindeste zu sagen nicht recht befriedigte. Dazu kam auch wohl noch die Vorahnung beziehentlich Gewißheit, daß er die, denen er sich jetzt unterstellt sah, sehr bald überflügeln würde. Dem nachzuhängen, wäre nun gewiß sein gutes und für mich unter allen Umständen sehr unterhaltliches Recht gewesen, aber weil er bei seinen großen Vorzügen – seine größte Eigenschaft, fast noch über das Aerztliche hinaus, war seine Humanität – doch eigentlich was Philiströses hatte, so verstand er es nicht, seinen Unmut grotesk-amüsant zu inszenieren. Er hatte keine Spur von Witz und Humor und entbehrte alles geistig Drüberstehenden. Er wurde nur groß, wenn er das Seziermesser in die Hand nahm. So Wilms. Er war nicht interessant. Aber das war freilich auch das Einzige, was sich gegen ihn sagen ließ, während es mit dem Inspektor auf manch ernsterem Gebiete bedenklich stand. Er hatte das rosige, gut rasierte Glattgesicht der Frommen, dazu auch die verbindlichen Manieren, deren sich diese zwar nicht immer, aber doch meist befleißigen. Insoweit wär’ es also mit ihm sehr gut auszuhalten gewesen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0647" n="638"/> sein können. Es war aber eigentlich langweilig. Wilms war immer etwas gereizt, teils weil ihn das Pastor Schultzische Papsttum direkt verdroß, teils weil ihn die Haltung der beiden ihm vorgesetzten Aerzte das mindeste zu sagen nicht recht befriedigte. Dazu kam auch wohl noch die Vorahnung beziehentlich Gewißheit, daß er <hi rendition="#g">die</hi>, denen er sich jetzt unterstellt sah, sehr bald überflügeln würde. Dem nachzuhängen, wäre nun gewiß sein gutes und für mich unter allen Umständen sehr unterhaltliches Recht gewesen, aber weil er bei seinen großen Vorzügen – seine größte Eigenschaft, fast noch über das Aerztliche hinaus, war seine Humanität – doch eigentlich was Philiströses hatte, so verstand er es nicht, seinen Unmut grotesk-amüsant zu inszenieren. Er hatte keine Spur von Witz und Humor und entbehrte alles geistig Drüberstehenden. Er wurde nur groß, wenn er das Seziermesser in die Hand nahm.</p><lb/> <p>So Wilms. Er war nicht interessant. Aber das war freilich auch das Einzige, was sich gegen ihn sagen ließ, während es mit dem Inspektor auf manch ernsterem Gebiete bedenklich stand. Er hatte das rosige, gut rasierte Glattgesicht der Frommen, dazu auch die verbindlichen Manieren, deren sich diese zwar nicht immer, aber doch meist befleißigen. Insoweit wär’ es also mit ihm sehr gut auszuhalten gewesen.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [638/0647]
sein können. Es war aber eigentlich langweilig. Wilms war immer etwas gereizt, teils weil ihn das Pastor Schultzische Papsttum direkt verdroß, teils weil ihn die Haltung der beiden ihm vorgesetzten Aerzte das mindeste zu sagen nicht recht befriedigte. Dazu kam auch wohl noch die Vorahnung beziehentlich Gewißheit, daß er die, denen er sich jetzt unterstellt sah, sehr bald überflügeln würde. Dem nachzuhängen, wäre nun gewiß sein gutes und für mich unter allen Umständen sehr unterhaltliches Recht gewesen, aber weil er bei seinen großen Vorzügen – seine größte Eigenschaft, fast noch über das Aerztliche hinaus, war seine Humanität – doch eigentlich was Philiströses hatte, so verstand er es nicht, seinen Unmut grotesk-amüsant zu inszenieren. Er hatte keine Spur von Witz und Humor und entbehrte alles geistig Drüberstehenden. Er wurde nur groß, wenn er das Seziermesser in die Hand nahm.
So Wilms. Er war nicht interessant. Aber das war freilich auch das Einzige, was sich gegen ihn sagen ließ, während es mit dem Inspektor auf manch ernsterem Gebiete bedenklich stand. Er hatte das rosige, gut rasierte Glattgesicht der Frommen, dazu auch die verbindlichen Manieren, deren sich diese zwar nicht immer, aber doch meist befleißigen. Insoweit wär’ es also mit ihm sehr gut auszuhalten gewesen.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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