Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Gedichte, das ich in wenigen Minuten aufs Papier geworfen habe, buchstäblich stante pede. Beim Ankleiden überkam es mich plötzlich und einen Stiefel am Bein, den andern in der linken Hand, sprang ich auf und schrieb das Gedicht in einem Zuge nieder. Habe auch später nichts daran geändert. Als ich es tags darauf im Tunnel vorlas, sagte Friedrich Eggers: "ja, das ist ganz gut, aber doch eigentlich nur Kulissenmalerei," wofür ich mich bei ihm bedankte, hinzusetzend, seine halb tadelnde Bemerkung sei durchaus richtig, aber dergleichen müsse auch ganz einfach mit einem großen Pinsel heruntergestrichen werden. Derselben Meinung bin ich auch heute noch. Ueber das Leben, das ich all die Zeit über mit Wilms führte, nicht intim, aber doch voll aparter Züge, spräche ich gern, versage mir's aber und beschränke mich darauf eine ganz bestimmte Szene zu schildern, an der Wilms teilnahm und die wie manches andere, was ich in voraufgehenden Kapiteln erzählt habe, als ein Beweis dafür gelten mag, wie überall da, wo strenge Ordnungen herrschen, ein gewisser natürlicher Zug in den Menschen lebt, diese Ordnungen zu durchbrechen, nicht aus großer Veranlassung, sondern umgekehrt aus einem kleinen, ganz untergeordneten Hazardiertrieb und ein wenig Gedichte, das ich in wenigen Minuten aufs Papier geworfen habe, buchstäblich stante pede. Beim Ankleiden überkam es mich plötzlich und einen Stiefel am Bein, den andern in der linken Hand, sprang ich auf und schrieb das Gedicht in einem Zuge nieder. Habe auch später nichts daran geändert. Als ich es tags darauf im Tunnel vorlas, sagte Friedrich Eggers: „ja, das ist ganz gut, aber doch eigentlich nur Kulissenmalerei,“ wofür ich mich bei ihm bedankte, hinzusetzend, seine halb tadelnde Bemerkung sei durchaus richtig, aber dergleichen müsse auch ganz einfach mit einem großen Pinsel heruntergestrichen werden. Derselben Meinung bin ich auch heute noch. Ueber das Leben, das ich all die Zeit über mit Wilms führte, nicht intim, aber doch voll aparter Züge, spräche ich gern, versage mir’s aber und beschränke mich darauf eine ganz bestimmte Szene zu schildern, an der Wilms teilnahm und die wie manches andere, was ich in voraufgehenden Kapiteln erzählt habe, als ein Beweis dafür gelten mag, wie überall da, wo strenge Ordnungen herrschen, ein gewisser natürlicher Zug in den Menschen lebt, diese Ordnungen zu durchbrechen, nicht aus großer Veranlassung, sondern umgekehrt aus einem kleinen, ganz untergeordneten Hazardiertrieb und ein wenig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0667" n="658"/> Gedichte, das ich in wenigen Minuten aufs Papier geworfen habe, buchstäblich <hi rendition="#aq">stante pede</hi>. Beim Ankleiden überkam es mich plötzlich und einen Stiefel am Bein, den andern in der linken Hand, sprang ich auf und schrieb das Gedicht in einem Zuge nieder. Habe auch später nichts daran geändert. Als ich es tags darauf im Tunnel vorlas, sagte Friedrich Eggers: „ja, das ist ganz gut, aber doch eigentlich nur Kulissenmalerei,“ wofür ich mich bei ihm bedankte, hinzusetzend, seine halb tadelnde Bemerkung sei durchaus richtig, aber dergleichen müsse auch ganz einfach mit einem großen Pinsel heruntergestrichen werden. Derselben Meinung bin ich auch heute noch.</p><lb/> <p>Ueber das Leben, das ich all die Zeit über mit Wilms führte, nicht intim, aber doch voll aparter Züge, spräche ich gern, versage mir’s aber und beschränke mich darauf eine ganz bestimmte Szene zu schildern, an der Wilms teilnahm und die wie manches andere, was ich in voraufgehenden Kapiteln erzählt habe, als ein Beweis dafür gelten mag, wie überall da, wo strenge Ordnungen herrschen, ein gewisser natürlicher Zug in den Menschen lebt, diese Ordnungen zu durchbrechen, nicht aus großer Veranlassung, sondern umgekehrt aus einem kleinen, ganz untergeordneten Hazardiertrieb und ein wenig<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [658/0667]
Gedichte, das ich in wenigen Minuten aufs Papier geworfen habe, buchstäblich stante pede. Beim Ankleiden überkam es mich plötzlich und einen Stiefel am Bein, den andern in der linken Hand, sprang ich auf und schrieb das Gedicht in einem Zuge nieder. Habe auch später nichts daran geändert. Als ich es tags darauf im Tunnel vorlas, sagte Friedrich Eggers: „ja, das ist ganz gut, aber doch eigentlich nur Kulissenmalerei,“ wofür ich mich bei ihm bedankte, hinzusetzend, seine halb tadelnde Bemerkung sei durchaus richtig, aber dergleichen müsse auch ganz einfach mit einem großen Pinsel heruntergestrichen werden. Derselben Meinung bin ich auch heute noch.
Ueber das Leben, das ich all die Zeit über mit Wilms führte, nicht intim, aber doch voll aparter Züge, spräche ich gern, versage mir’s aber und beschränke mich darauf eine ganz bestimmte Szene zu schildern, an der Wilms teilnahm und die wie manches andere, was ich in voraufgehenden Kapiteln erzählt habe, als ein Beweis dafür gelten mag, wie überall da, wo strenge Ordnungen herrschen, ein gewisser natürlicher Zug in den Menschen lebt, diese Ordnungen zu durchbrechen, nicht aus großer Veranlassung, sondern umgekehrt aus einem kleinen, ganz untergeordneten Hazardiertrieb und ein wenig
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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