Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898."Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt "Babel". Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort "thou comest in such a questionable shape" auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der "Schlesien, sein Heimatland" ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard - Franzose - der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein „Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „Babel“. Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort „thou comest in such a questionable shape“ auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0079" n="70"/> <p>„Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „<hi rendition="#g">Babel</hi>“.</p><lb/> <p>Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in <hi rendition="#g">deutscher</hi> Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort <hi rendition="#aq">„thou comest in such a questionable shape“</hi> auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0079]
„Es ist kein Klub; wir haben das Wort absichtlich vermieden. Es ist, wie ich schon sagte, eine internationale Gesellschaft, Menschen aus aller Herren Länder; Sprachwirrwarr. Und danach haben wir denn auch den Namen gewählt. Die Gesellschaft heißt „Babel“.
Ich fand das sehr hübsch, ließ mich einführen und habe, was mir in deutscher Sprache nie passiert ist, auch einmal, englisch, einen Vortrag in eben dieser Gesellschaft gehalten. Worüber, weiß ich nicht mehr, ist auch gleichgültig. Aber das weiß ich, daß die Gesellschaft überhaupt sehr interessant war, vielleicht weil das Hamlet-Wort „thou comest in such a questionable shape“ auf jeden Einzelnen in dieser Gesellschaft wundervoll paßte. Manche weiß ich noch mit Namen zu nennen und ihr Bild steht mir noch deutlich vor der Seele. Da war Mr. Heymann, der „Schlesien, sein Heimatland“ ganz vergessend, zum Engländer geworden war, oder sich wenigstens darauf hin ausspielte; da war Mr. Dühring, Perpetuum mobile-Sucher und Tiftel-Genie; da war Mr. Bernard – Franzose – der, wie man sich erzählte, dem Orsini die Bomben angefertigt hatte; da war ein Mr. Blythe, der Leitartikel für M. Herald oder M. Advertiser schrieb; da war Mr. Mosabini, ein bildhübscher griechischer Jude; da war schließlich ein
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(2018-07-25T10:02:20Z)
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Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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