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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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nicht bloß begleiten, sondern ebenfalls singen mußten, da er den Gebrauch der Tonarten theils durch Abweichung von den damahls auch in der weltlichen Musik noch sehr üblichen Kirchentönen, theils durch Vermischung des diatonischen und chromatischen Klanggeschlechts erweiterte, und nun sein Instrument so temperiren lernte, daß es in allen 24 Tonarten rein gespielt werden konnte; so mußte er sich auch eine andere, seinen neuen Einrichtungen angemessenere Fingersetzung ausdenken, und besonders den Daumen anders gebrauchen, als er bisher gebraucht worden war. Einige haben behaupten wollen, Couperin habe in seinem 1716 heraus gekommenen Werk: l'art de toucher le Clavecin, schon vor ihm dieselbe Fingersetzung gelehrt. Allein, theils war Bach um diese Zeit über 30 Jahre alt, und hatte seine Fingersetzung schon lange angewendet, theils ist auch die Applicatur Couperin's von der Bachischen noch sehr verschieden, ob sie gleich den häufigern Gebrauch des Daumens mit ihr gemein hat. Ich sage nur: den häufigern; denn in der Bachischen Fingersetzung wurde der Daumen zum Hauptfinger gemacht, weil ohne ihn in den sogenannten schweren Tonarten durchaus nicht fortzukommen ist; bey Couperin hingegen nicht, weil er weder so mannigfaltige Passagen hatte, noch in so schweren Tonarten setzte oder spielte wie Bach, folglich auch keine so dringende Veranlassung dazu hatte. Man darf nur die Bachische Fingersetzung, so wie sie C. Ph. Emanuel entwickelt hat, mit Couperin's Anweisung vergleichen, so wird man bald finden, daß sich mit der einen alle, auch die schwersten und vollstimmigsten Sätze rein und leicht heraus bringen lassen, mit der andern aber höchstens in Couperin's eigenen Claviercompositionen, und sogar auch da noch mit Schwierigkeit, durchzukommen ist. Uebrigens kannte Bach Couperin's Werke und schätzte sie so wie die Werke mehrerer französischer Claviercomponisten aus jenem Zeitraum, weil man eine nette und zierliche Spielart aus ihnen lernen kann. Doch hielt er sie auch für zu geziert, weil ein allzu häufiger Gebrauch von den Manieren darin gemacht wird, so daß fast keine Note von ihnen verschont bleibt. Außerdem hatten auch die darin enthaltenen Gedanken für ihn nicht genug Gehalt.

Aus der leichten, zwanglosen Bewegung der Finger, aus dem schönen Anschlage, aus der Deutlichkeit und Schärfe in der Verbindung auf einander folgender Töne, aus der vortheilhaften neuen Fingersetzung, aus der gleichen Bildung und Uebung aller

nicht bloß begleiten, sondern ebenfalls singen mußten, da er den Gebrauch der Tonarten theils durch Abweichung von den damahls auch in der weltlichen Musik noch sehr üblichen Kirchentönen, theils durch Vermischung des diatonischen und chromatischen Klanggeschlechts erweiterte, und nun sein Instrument so temperiren lernte, daß es in allen 24 Tonarten rein gespielt werden konnte; so mußte er sich auch eine andere, seinen neuen Einrichtungen angemessenere Fingersetzung ausdenken, und besonders den Daumen anders gebrauchen, als er bisher gebraucht worden war. Einige haben behaupten wollen, Couperin habe in seinem 1716 heraus gekommenen Werk: l’art de toucher le Clavecin, schon vor ihm dieselbe Fingersetzung gelehrt. Allein, theils war Bach um diese Zeit über 30 Jahre alt, und hatte seine Fingersetzung schon lange angewendet, theils ist auch die Applicatur Couperin’s von der Bachischen noch sehr verschieden, ob sie gleich den häufigern Gebrauch des Daumens mit ihr gemein hat. Ich sage nur: den häufigern; denn in der Bachischen Fingersetzung wurde der Daumen zum Hauptfinger gemacht, weil ohne ihn in den sogenannten schweren Tonarten durchaus nicht fortzukommen ist; bey Couperin hingegen nicht, weil er weder so mannigfaltige Passagen hatte, noch in so schweren Tonarten setzte oder spielte wie Bach, folglich auch keine so dringende Veranlassung dazu hatte. Man darf nur die Bachische Fingersetzung, so wie sie C. Ph. Emanuel entwickelt hat, mit Couperin’s Anweisung vergleichen, so wird man bald finden, daß sich mit der einen alle, auch die schwersten und vollstimmigsten Sätze rein und leicht heraus bringen lassen, mit der andern aber höchstens in Couperin's eigenen Claviercompositionen, und sogar auch da noch mit Schwierigkeit, durchzukommen ist. Uebrigens kannte Bach Couperin's Werke und schätzte sie so wie die Werke mehrerer französischer Claviercomponisten aus jenem Zeitraum, weil man eine nette und zierliche Spielart aus ihnen lernen kann. Doch hielt er sie auch für zu geziert, weil ein allzu häufiger Gebrauch von den Manieren darin gemacht wird, so daß fast keine Note von ihnen verschont bleibt. Außerdem hatten auch die darin enthaltenen Gedanken für ihn nicht genug Gehalt.

Aus der leichten, zwanglosen Bewegung der Finger, aus dem schönen Anschlage, aus der Deutlichkeit und Schärfe in der Verbindung auf einander folgender Töne, aus der vortheilhaften neuen Fingersetzung, aus der gleichen Bildung und Uebung aller

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[15/0025] nicht bloß begleiten, sondern ebenfalls singen mußten, da er den Gebrauch der Tonarten theils durch Abweichung von den damahls auch in der weltlichen Musik noch sehr üblichen Kirchentönen, theils durch Vermischung des diatonischen und chromatischen Klanggeschlechts erweiterte, und nun sein Instrument so temperiren lernte, daß es in allen 24 Tonarten rein gespielt werden konnte; so mußte er sich auch eine andere, seinen neuen Einrichtungen angemessenere Fingersetzung ausdenken, und besonders den Daumen anders gebrauchen, als er bisher gebraucht worden war. Einige haben behaupten wollen, Couperin habe in seinem 1716 heraus gekommenen Werk: l’art de toucher le Clavecin, schon vor ihm dieselbe Fingersetzung gelehrt. Allein, theils war Bach um diese Zeit über 30 Jahre alt, und hatte seine Fingersetzung schon lange angewendet, theils ist auch die Applicatur Couperin’s von der Bachischen noch sehr verschieden, ob sie gleich den häufigern Gebrauch des Daumens mit ihr gemein hat. Ich sage nur: den häufigern; denn in der Bachischen Fingersetzung wurde der Daumen zum Hauptfinger gemacht, weil ohne ihn in den sogenannten schweren Tonarten durchaus nicht fortzukommen ist; bey Couperin hingegen nicht, weil er weder so mannigfaltige Passagen hatte, noch in so schweren Tonarten setzte oder spielte wie Bach, folglich auch keine so dringende Veranlassung dazu hatte. Man darf nur die Bachische Fingersetzung, so wie sie C. Ph. Emanuel entwickelt hat, mit Couperin’s Anweisung vergleichen, so wird man bald finden, daß sich mit der einen alle, auch die schwersten und vollstimmigsten Sätze rein und leicht heraus bringen lassen, mit der andern aber höchstens in Couperin's eigenen Claviercompositionen, und sogar auch da noch mit Schwierigkeit, durchzukommen ist. Uebrigens kannte Bach Couperin's Werke und schätzte sie so wie die Werke mehrerer französischer Claviercomponisten aus jenem Zeitraum, weil man eine nette und zierliche Spielart aus ihnen lernen kann. Doch hielt er sie auch für zu geziert, weil ein allzu häufiger Gebrauch von den Manieren darin gemacht wird, so daß fast keine Note von ihnen verschont bleibt. Außerdem hatten auch die darin enthaltenen Gedanken für ihn nicht genug Gehalt. Aus der leichten, zwanglosen Bewegung der Finger, aus dem schönen Anschlage, aus der Deutlichkeit und Schärfe in der Verbindung auf einander folgender Töne, aus der vortheilhaften neuen Fingersetzung, aus der gleichen Bildung und Uebung aller

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/25>, abgerufen am 23.11.2024.