Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.Anlage nach auch in spätern Jahren sehr brauchbar für seine Schüler fand, nahm ihnen nach und nach alles, was nach seinem gereinigtern Geschmack nicht taugte, und machte am Ende wahre ausdrucksvolle Meisterstücke daraus, die deswegen ihren Nutzen für Hand-Finger- und Geschmacksbildung nicht verloren haben. Durch ein sorgfältiges Studium derselben kann man sich zu den größern Stücken Joh. Seb. Bachs am besten vorbereiten. 3) 15 dreystimmige Inventiones, die auch unter dem Namen Sinfonien bekannt sind. Sie haben einerley Zweck mit den vorhergehenden, sollen nur weiter führen. 4) Das wohltemperirte Clavier, oder Präludien und Fugen durch alle Töne. Zum Nutzen und Gebrauch der lehrbegierigen musikalischen Jugend, wie auch den in diesem Studio schon habil seyenden zum besondern Zeitvertreib aufgesetzt und verfertigt. Erster Theil. 1722. Der zweyte Theil dieses Werks, welcher ebenfalls 24 Präludien und 24 Fugen aus allen Tönen enthält, ist später verfertigt. Er besteht vom Anfang an bis ans Ende aus lauter Meisterstücken. Im ersten Theil hingegen befinden sich noch einige Präludien und Fugen, welche das Unreife früher Jugend an sich tragen, und von dem Verf. wahrscheinlich nur beybehalten sind, um die Zahl vier und zwanzig voll zu haben. Doch auch hier hat er mit der Zeit gebessert, wo nur irgend zu bessern war. Er hat ganze Stellen entweder weggeworfen, oder anders gewendet, so daß nun nach den neuern Abschriften nur wenige Stücke übrig sind, denen man den Vorwurf der Unvollkommenheit noch machen kann. Ich rechne unter diese wenigen die Fugen aus A moll, G dur und Moll, C dur, F dur und moll etc. Die übrigen hingegen sind sämmtlich vortrefflich, und einige sogar in einem so hohen Grade vortrefflich, daß keine derselben den im 2ten Theil enthaltenen nachzusetzen ist. Auch selbst der vom Anfang an vollkommenere zweyte Theil hat in der Folge große Verbesserungen erhalten, wie man durch Vergleichung älterer und neuerer Abschriften sehen kann. Uebrigens ist in beyden Theilen dieses Werks ein Schatz von Kunst enthalten, der gewiß nur in Deutschland gefunden wird. 5) Chromatische Fantasie und Fuge. Unendliche Mühe habe ich mir gegeben noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich. Diese Anlage nach auch in spätern Jahren sehr brauchbar für seine Schüler fand, nahm ihnen nach und nach alles, was nach seinem gereinigtern Geschmack nicht taugte, und machte am Ende wahre ausdrucksvolle Meisterstücke daraus, die deswegen ihren Nutzen für Hand-Finger- und Geschmacksbildung nicht verloren haben. Durch ein sorgfältiges Studium derselben kann man sich zu den größern Stücken Joh. Seb. Bachs am besten vorbereiten. 3) 15 dreystimmige Inventiones, die auch unter dem Namen Sinfonien bekannt sind. Sie haben einerley Zweck mit den vorhergehenden, sollen nur weiter führen. 4) Das wohltemperirte Clavier, oder Präludien und Fugen durch alle Töne. Zum Nutzen und Gebrauch der lehrbegierigen musikalischen Jugend, wie auch den in diesem Studio schon habil seyenden zum besondern Zeitvertreib aufgesetzt und verfertigt. Erster Theil. 1722. Der zweyte Theil dieses Werks, welcher ebenfalls 24 Präludien und 24 Fugen aus allen Tönen enthält, ist später verfertigt. Er besteht vom Anfang an bis ans Ende aus lauter Meisterstücken. Im ersten Theil hingegen befinden sich noch einige Präludien und Fugen, welche das Unreife früher Jugend an sich tragen, und von dem Verf. wahrscheinlich nur beybehalten sind, um die Zahl vier und zwanzig voll zu haben. Doch auch hier hat er mit der Zeit gebessert, wo nur irgend zu bessern war. Er hat ganze Stellen entweder weggeworfen, oder anders gewendet, so daß nun nach den neuern Abschriften nur wenige Stücke übrig sind, denen man den Vorwurf der Unvollkommenheit noch machen kann. Ich rechne unter diese wenigen die Fugen aus A moll, G dur und Moll, C dur, F dur und moll etc. Die übrigen hingegen sind sämmtlich vortrefflich, und einige sogar in einem so hohen Grade vortrefflich, daß keine derselben den im 2ten Theil enthaltenen nachzusetzen ist. Auch selbst der vom Anfang an vollkommenere zweyte Theil hat in der Folge große Verbesserungen erhalten, wie man durch Vergleichung älterer und neuerer Abschriften sehen kann. Uebrigens ist in beyden Theilen dieses Werks ein Schatz von Kunst enthalten, der gewiß nur in Deutschland gefunden wird. 5) Chromatische Fantasie und Fuge. Unendliche Mühe habe ich mir gegeben noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich. Diese <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="55"/> Anlage nach auch in spätern Jahren sehr brauchbar für seine Schüler fand, nahm ihnen nach und nach alles, was nach seinem gereinigtern Geschmack nicht taugte, und machte am Ende wahre ausdrucksvolle Meisterstücke daraus, die deswegen ihren Nutzen für Hand-Finger- und Geschmacksbildung nicht verloren haben. Durch ein sorgfältiges Studium derselben kann man sich zu den größern Stücken <hi rendition="#g">Joh. Seb. Bachs</hi> am besten vorbereiten.</p> <p>3) <hi rendition="#g">15 dreystimmige Inventiones</hi>, die auch unter dem Namen Sinfonien bekannt sind. Sie haben einerley Zweck mit den vorhergehenden, sollen nur weiter führen.</p> <p>4) <hi rendition="#g">Das wohltemperirte Clavier</hi>, oder Präludien und Fugen durch alle Töne. Zum Nutzen und Gebrauch der lehrbegierigen musikalischen Jugend, wie auch den in diesem Studio schon habil seyenden zum besondern Zeitvertreib aufgesetzt und verfertigt. Erster Theil. 1722. Der zweyte Theil dieses Werks, welcher ebenfalls 24 Präludien und 24 Fugen aus allen Tönen enthält, ist später verfertigt. Er besteht vom Anfang an bis ans Ende aus lauter Meisterstücken. Im ersten Theil hingegen befinden sich noch einige Präludien und Fugen, welche das Unreife früher Jugend an sich tragen, und von dem Verf. wahrscheinlich nur beybehalten sind, um die Zahl vier und zwanzig voll zu haben. Doch auch hier hat er mit der Zeit gebessert, wo nur irgend zu bessern war. Er hat ganze Stellen entweder weggeworfen, oder anders gewendet, so daß nun nach den neuern Abschriften nur wenige Stücke übrig sind, denen man den Vorwurf der Unvollkommenheit noch machen kann. Ich rechne unter diese wenigen die Fugen aus A moll, G dur und Moll, C dur, F dur und moll etc. Die übrigen hingegen sind sämmtlich vortrefflich, und einige sogar in einem so hohen Grade vortrefflich, daß keine derselben den im 2ten Theil enthaltenen nachzusetzen ist. Auch selbst der vom Anfang an vollkommenere zweyte Theil hat in der Folge große Verbesserungen erhalten, wie man durch Vergleichung älterer und neuerer Abschriften sehen kann. Uebrigens ist in beyden Theilen dieses Werks ein Schatz von Kunst enthalten, der gewiß nur in Deutschland gefunden wird.</p> <p>5) <hi rendition="#g">Chromatische Fantasie und Fuge</hi>. Unendliche Mühe habe ich mir gegeben noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich. Diese </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
Anlage nach auch in spätern Jahren sehr brauchbar für seine Schüler fand, nahm ihnen nach und nach alles, was nach seinem gereinigtern Geschmack nicht taugte, und machte am Ende wahre ausdrucksvolle Meisterstücke daraus, die deswegen ihren Nutzen für Hand-Finger- und Geschmacksbildung nicht verloren haben. Durch ein sorgfältiges Studium derselben kann man sich zu den größern Stücken Joh. Seb. Bachs am besten vorbereiten.
3) 15 dreystimmige Inventiones, die auch unter dem Namen Sinfonien bekannt sind. Sie haben einerley Zweck mit den vorhergehenden, sollen nur weiter führen.
4) Das wohltemperirte Clavier, oder Präludien und Fugen durch alle Töne. Zum Nutzen und Gebrauch der lehrbegierigen musikalischen Jugend, wie auch den in diesem Studio schon habil seyenden zum besondern Zeitvertreib aufgesetzt und verfertigt. Erster Theil. 1722. Der zweyte Theil dieses Werks, welcher ebenfalls 24 Präludien und 24 Fugen aus allen Tönen enthält, ist später verfertigt. Er besteht vom Anfang an bis ans Ende aus lauter Meisterstücken. Im ersten Theil hingegen befinden sich noch einige Präludien und Fugen, welche das Unreife früher Jugend an sich tragen, und von dem Verf. wahrscheinlich nur beybehalten sind, um die Zahl vier und zwanzig voll zu haben. Doch auch hier hat er mit der Zeit gebessert, wo nur irgend zu bessern war. Er hat ganze Stellen entweder weggeworfen, oder anders gewendet, so daß nun nach den neuern Abschriften nur wenige Stücke übrig sind, denen man den Vorwurf der Unvollkommenheit noch machen kann. Ich rechne unter diese wenigen die Fugen aus A moll, G dur und Moll, C dur, F dur und moll etc. Die übrigen hingegen sind sämmtlich vortrefflich, und einige sogar in einem so hohen Grade vortrefflich, daß keine derselben den im 2ten Theil enthaltenen nachzusetzen ist. Auch selbst der vom Anfang an vollkommenere zweyte Theil hat in der Folge große Verbesserungen erhalten, wie man durch Vergleichung älterer und neuerer Abschriften sehen kann. Uebrigens ist in beyden Theilen dieses Werks ein Schatz von Kunst enthalten, der gewiß nur in Deutschland gefunden wird.
5) Chromatische Fantasie und Fuge. Unendliche Mühe habe ich mir gegeben noch ein Stück dieser Art von Bach aufzufinden. Aber vergeblich. Diese
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-01-04T13:34:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-04T13:34:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-01-04T13:34:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |